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Bücherschau.
schau ungen über den allgemeinen Zusammenhang der Gebirge
und ihre durchgängige wasserscheidende Kraft, die den That-
sachen ins Gesicht schlugen und eine brauchbare Einteilung
der Ländermassen nach natürlichen Gesichtspunkten von
vornherein unmöglich machten. Der allgemeine Umschwung
des geistigen Lebens, den der Ausgang des vorigen Jahr
hunderts mit sich brachte, hethätigte sich dann auch in der
Geographie, und alle ihre neuen Bestrebungen nach Vertiefung
und echter Wissenschaftlichkeit in einem schöpferischen Werk
zum Ausdruck zu bringen, war die Bedeutung Karl Bitters,
von dem der Verfasser mit Becht fordert, dafs er nicht als
ein isolierter Stern, sondern im lebendigen Zusammenhänge
der Zeit und Zeitgenossen verstanden sein will — eine social
psychologische Auffassungsweise, die auch sonst wohlthätig
das ganze Werk durchdringt.
Zwei weitere Abhandlungen gelten der Geschichte des
Begriffes des Kontinentes und der Ostgrenze Europas. Der
Verfasser nimmt diesen Fragen gegenüber auch persönlich
Stellung. Seine Lösung der Frage nach der Anzahl der Erd
teile ist logisch insofern interessant, als sie den Begriff Erd
teil vermöge mehrerer allen gemeinsamer Merkmale streng
zu definieren versucht (S. 397). Sachlich deckt sie sich mit
der Einteilung Pencks in seiner Morphologie (I, 109), die der
Verfasser offenbar nicht mehr herangezogen hat. Auch die
Ostgrenze Europas zieht Wisotzki ebenso wie Penck (a. a. O.
I, 112).
Hinsichtlich der Form der Darstellung können wir uns
eine Bemerkung nicht versagen, auf die der Verfasser im
Vorwort selbst erklärt gefafst zu sein. In der Geschichts
wissenschaft unterscheidet man bekanntlich strenge zwischen
der Veröffentlichung des aktenmäfsigen Quellenmateriales
und der eigentlichen historischen Darstellung, die das Boh-
material nur ausnahmsweise unverarbeitet auftreten läfst.
Der Verfasser hat absichtlich, wie er sagt, auf eine solche
Säuberung verzichtet und vielfach die Quellen selbst sprechen
lassen. Nur scheinbar wird dadurch die Objektivität erhöht
— denn schliefslich müssen wir uns bei der Auswahl der
ausgehobenen Stellen ja doch auf den Verfasser verlassen —
und die Darstellung wird dadurch stellenweise ermüdend.
Besonders in dem Aufsatz über Bitter wünschte man den
Verfasser öfter mehr selbst in den Vordergrund treten zu
sehen. Bei der Stelle z. B., wo Bitter die Methode seiner
„vergleichenden“ Erdkunde mit derjenigen der vergleichenden
Anatomie parallelisiert, vermifst man ungern eine Auf
klärung darüber, dafs Bitter in diesem Sinne in Wirklichkeit
niemals vergleichende Ei'dkunde getrieben hat.
A. Vierkandt.
Bosquejo geológico de México, Nr. 4, 5 und 6 des
Boletin del Instituto geológico de México. 4 o . 270 Seiten.
Mexico, Druckerei der Secretaria de Fomento, 1897.
Dieses wertvolle Buch giebt zunächst das wohlgetroffene
Bildnis und einen Lebensabrifs des am 27. Oktober 1895 ver
storbenen Gründers und ersten Direktors des geologischen
Instituts von Mexiko, Antonio del Castillo, der über 50 Jahre
lang als Lehrer der Mineralogie und Geologie an der Minen-
(nunmehr Ingenieur -) Schule von Mexiko thätig gewesen war,
und bringt sodann die geologischen Itinerare der Herren B.
J. Buelna, Ez. Ordouez und J. G. Aguilera nehst einigen
geologischen Profilen. Leider sind diesen Itineraren keine
kartographischen Skizzen beigegeben, so dafs ihre Benutzung
sehr erschwert ist. Von besonderem geographischen Interesse
sind die Höhenlisten (S. 24, 25 und 166 bis 185), sowie die
Beschreibung der Vulkane Ceboruco (S. 41 bis 48) und Colima
(S. 58 bis 61). Itinerare und Höhenlisten beziehen sich aus-
schliefslich auf die Staaten nordwestlich vom Isthmus von
Tehuantepec; dagegen werden im zweiten Teile des Werkes
die geologischen Verhältnisse der südwestlichen Staaten ge
legentlich gestreift.
Dieser zweite Teil (S. 187 bis 250), welcher aus der Feder
des gegenwärtigen Direktors José G. Aguilera stammt, gieht
eine allgemeine Übersicht unserer Kenntnis der mexikanischen
Geologie, bringt bei der Beschreibung der einzelnen Forma
tionen ausführliche Listen der gefundenen Versteinerungen
und nimmt besondere Bücksicht auf das Vorkommen von
Minen, Bausteinen und anderen mineralischen Nutzmate
rialien.
Im dritten Teile des Werkes (S. 251 bis 270) beschreibt
E. Ordoñez die Eruptivgesteine des Landes in petrograpliischer
Hinsicht.
Die beigegebene geologische Karte der Bepublik Mexiko
im Mafsstabe 1 : 10 000 000 ist im wesentlichen eine Wieder
holung des im Jahre 1891 von A. del Castillo herausgegebenen
Bosquejo de una carta geológica de la Bepública Mexicana.
Bei genauerem Studium findet man in der neuen Ausgabe
allerdings erhebliche Fortschritte, da grofse weifse Flecken
der früheren Karte nun durch geologisches Kolorit ausgefüllt
sind, so namentlich in den Staaten Sonora, Chihuahua, Du-
rango, Zacatecas, Jalisco und Miehoacan. Für Chiapas, Ta
basco und die Halbinsel Yucatan sind des Beferenten Auf
nahmen verwertet (C. Sapper, La geografía física y la
geología de la península de Yucatan, Boletin Nr. 3 del In
stituto geológico de México , Mexiko 1896). Dagegen ist die
schöne Arbeit von J. Felix und H. Lenk über die geologischen
Verhältnisse des Staates Oaxaca (Leipzig 1893) nicht benutzt,
auch andere neuere Arbeiten sind nicht berücksichtigt. Am
wenigsten bekannt sind im mexikanischen Gebiete gegen
wärtig die Staaten Guerrero und Oaxaca, sowie die Halbinsel
Niedei'kalifornien.
Auf der geologischen Karte werden zehn Farben unter
schieden (azoische Formationen, Devon, Karbon, Trias, Jura,
Kreide, Tertiär und Quartär, sowie alte und junge Eruptiv
gesteine). Die Vulkane, welche auf der Karte von 1891 be
sonders kenntlich gemacht waren, sind auf der neuen Karte
nicht berücksichtigt worden, — wie mir scheint, mit Unrecht:
denn wenn die Vulkane auch in ihrem Gesteinscharakter mit
anderen jungeruptiven Gesteinen des Landes übereinstimmen,
so ist doch ihre bis in die Jetztzeit herein fortdauernde
Thätigkeit eine so bedeutsame geologische Thatsache, dafs
sie wohl verdient, auf einer geologischen Karte besonders
hervorgehoben zu werden.
Alles in allem genommen ist dies Werk des geologischen
Instituts von Mexiko mit Freuden zu begrüfsen und wenn
es auch noch nicht Klarheit über den Bau des ausgedehnten
Ländergebietes zu geben vermag, so ist doch zu hoffen, dafs
das geologische Institut unter Aguileras energischer Leitung
uns bald diesem Ziel näher bringen wird.
Coban. Carl Sapper.
Dr. Aurel Schulz und August Hannnar: The New
Africa. A Journey up the Chobe and down the Oko-
vanga Bivers. A report of exploration and sport. With
a newly drawn map and 70 illustrations. London, W.
Heinemann, 1897.
Wer in dem über 400 Seiten umfassenden, gut ausgestat
teten Bande eine Schilderung des neuen Afrika in seiner
Umgestaltung suchen würde, müfste sich enttäuscht fühlen.
Dagegen giebt der Nebentitel an, um was es sich handelt:
um eine Jagdexpedition im grofsen Stile, die allerdings schon
vor längerer Zeit ausgeführt wurde und die sporteifrigen
Verfasser an die Flüsse Tschobi und Okovanga führte, in
jene Gegenden, wo heute Deutsch-Südwestafrika mit britischem
Gebiete grenzt. Wir hören da von ungeheurem Wildreich
tum, welcher an die gute alte Zeit erinnert, als der Hinter
lader noch nicht in den Händen der Eingeborenen war und
erfreuen uns an lebhaften Schilderungen, Beise- und Jagd
abenteuern. Indessen bringt ein anderer Teil des Werkes
uns auch wertvolle geographische Belehrung, namentlich wo
es sich um die Beschreibung der beiden im Titel genannten
Ströme, deren Hydrographie und die dazwischen liegende
wasserlose, dünenreiche Wüste handelt. Die Verfasser glauben,
dafs der Okovanga als Verkehrsstrafse für das Land noch
einmal von Bedeutung werden kann ; auch machen sie eine
Bifurkation des Stromes, nach Berichten der Eingeborenen,
wahrscheinlich. Die beigegebene Karte (1 : 2 000 000) reicht
von Pretoria im Süden bis zum Sambesi im Norden und ent
hält viele neue Einzelheiten, zumal an dem seeartig erwei
terten Tschobi und am Okovango, wo er deutsches Gebiet
berührt. Dr. Car Isen.
Stanislaus Ciszewski : Künstliche Verwandtschaft
bei den Südslaven. Leipziger Dissertation 1897.
Unangekränkelt von Methodomanie liegen 114 Seiten
wertvollen Materiales vor. — Die Verbrüderung, uns
mehr in den Grenzen des Trinkkomments bekannt, kommt
in dem feierlichsten, hier und da hochzeitsähnlichen Familien-
und Kirchenritual vor, namentlich in der Bulgarei („kaum
ein Bauer ohne Blutsbruder“), in Montenegro (nicht mehr in
Serbien und Kroatien), ferner in Bosnien, der Herzegowina,
im Banat, bei Morlaken, Slavonen, Walachen, an der alten
Militärgrenze, in Grofs-, Klein- und Weifsrufsland, bei Don-
und Dnieprkosaken, auch bei alten Polen und Tschechen;
schon ein Beskript von Diokletian und Maximian erwähnt
ihrer im oströmischen Beiche; aufserslavisch erscheint sie in
Italien (Venedig, Sardinien), bei Neugriechen, Albanesen,
Türken und Arabern (auch zwischen Christen und Musel
mannen), anscheinend soweit des Verfassers Forschungen über
haupt sich erstrecken. Die Bulgarei, vermöge ihrer littera-
rischen Begsamkeit und wohl als Heimat des Verfassers, liefert
die reichste Ausbeute. — Hauptinhalt der Brüderschaft ist
neben dem Gemütlichen vorwiegend und nach dem Grade der
örtlichen Notwendigkeit das Bechtliche in Lebensschutz und