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Full Text: Globus, 72.1897

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August Gebhardt: Isländische Münchhausiaden. 
Seele den Flufs hinab schwimmen, und zwar hatte sie 
die Gröfse eines Weizenbrotes. Jön ergriff und ver 
schlang sie und kam darauf wieder zum Leben. Nun 
bringt er den Seehund und die Fische in Sicherheit, 
sitzt wieder auf, wie wenn nichts „ geschehen wäre, und 
macht nicht Rast, bis er nach Hause kommt. Das Früh 
jahr über wurde der Seehund auf die Weide getrieben 
und kam im Herbste dick und fett zurück. Man brachte 
ihn zum Verkauf, und da wog er 80Liespfund; während 
man ihn aber ausnahm, zapfte man soviel Thran aus 
seinem Körper, dafs davon drei Gemeinden drei Jahre 
lang ihre Lampen speisen konnten. 
III. Die Geschichten Jons des Fuchshetzers. 
1. Der Fuchs. „Einstmals hetzte ich einen Fuchs 4 ) 
mit einer Hündin, die für den schnellfüfsigsten aller 
Hunde galt. Sie setzte dem Fuchse lange unermüdlich 
nach, bis sie endlich doch ermattete. Da übernahm ich 
für mich allein die weitere Verfolgung des Fuchses, 
doch strengte mich das Laufen stark an, denn ich hatte 
es auf der Brust und litt an einem bösen Husten. Je 
müder ich wurde, um so heftiger wurde mein Husten 
und endlich warf ich die Lunge heraus und schleuderte 
sie auf eine Erhöhung des Grasbodens, und von dem 
Augenblicke an war mir viel leichter als vorher. Nun 
lief ich weiter, bis der Fuchs eingeholt war. Darauf 
ging ich wieder zurück und holte meine Lunge, von der 
unterdessen die Hündin gefressen hatte, und verschlang, 
was noch davon übrig war. Seitdem habe ich niemals 
wieder über Brustschmerzen zu klagen gehabt. Ich bin 
meiner Lebtage aufmerksam auf alles gewesen, so habe 
ich auch bemerkt, dafs der Speichel des Fuchses Fäden 
zog, ihn aufgewickelt und daraus zwölf Paar Taue ge 
sponnen.“ 
2. Die Seele auf dem Haff. „Als ich noch in der 
Gnüpverjagemeinde bei meiner Mutter wohnte, that ich 
zu Garä Ruderdienste. Da begab es sich einstmals, als 
wir draufsen auf der hohen See waren, dafs sich ein 
heulender Schneesturm erhob und wir keinen Augen 
blick mehr mit der Heimfahrt zögern durften. Bei der 
Landung kenterte das Boot und wir ertranken samt und 
sonders. Die Fische, die wir gefangen hatten, wurden 
mit den Seilen, an die sie aufgereiht waren, an den 
Strand getrieben. Meine Leiche trieb auf eine Kies 
nehrung. Als ich nun dort eine Zeit lang gelegen hatte, 
begann mir die Geschichte langweilig zu werden: ich 
sprang daher auf die Füfse und sah meine Seele in dem 
Haff umherschwimmen. Da watete ich ins Haff hinaus, 
ergriff und verschlang sie. Darauf erblickte ich die 
Fischseile und ein Ruder, die auf dem Strande lagen, 
nahm das Ruder und eines von den Seilen, an dem 
zwischen 20 und 30 Fische hingen, schlang dieses um 
das eine Ende des Ruders und nahm letzteres über die 
Schulter und zog nun so, unter beständigem Schneesturm, 
in der Richtung nach Nordost auf das Hengilgebirge zu 
von dannen. Als ich aber an dem Fufse des Hengils 
ankam, war der Schnee so tief geworden, dafs das Ruder 
nicht daraus hervorragte. Doch wanderte ich unverzagt 
weiter, wufste aber kaum, wo ich ging und stand. 
Lange, lange ging ich so im Schnee weiter, bis ich end 
lich in die Tiefe stürzte. Als ich wieder zu mir kam, 
befand ich mich im Hause meiner Mutter dort im Osten, 
und zwar war ich durch den Küchenschlot hinein 
gefallen.“ 
4 ) Gemeint ist natürlich der Blaufuchs, das einzige vier- 
füfsige Raubtier Islands. 
3. Die gespenstische Fahrt. „Einstmals ruderten 
wir bei mildem windstillem Wetter von den Suöurnes 
aus aufs Meer. Gegen Abend aber erhob sich ein so 
heftiger Südostwind, wie niemals seit Menschengedenken. 
Die Häuser stoben wie Heuhalme hin und her und alle 
Böte wurden aufs Meer hinausgerissen. Kein einziges 
Boot vermochte zu landen aufser dem, an dessen Bord 
ich mich befand; aber fest mufsten wir zugreifen, als 
wir es ans Land zogen. Den Tag darauf herrschte 
Windstille, und wir ruderten in derselben Richtung 
hinaus, die wir abends zuvor hereingekommen waren, 
und es schien uns wunderlich zuzugehen, denn auf dem 
Meere hielt die Fahrt der Gespenster vom gestrigen 
Abend noch immer an und man konnte sie ganz bis 
nach Sviä verfolgen. Das waren tüchtige Kerle in jenen 
Tagen.“ 
4. Die Fischmägen. „Einstmals that ich vor den 
Eyjafjöll Ruderdienste und hatte Quartier auf Raufarfell. 
Eines Sonntags morgens kochten wir uns Fischmägen 
und diese waren aufsergewöhnlich wohlschmeckend. Ich 
wufste, dafs meiner Frau keine Speise lieber war als 
warme Fischmägen, und so kam ich auf den Gedanken, 
ihr welche mitzubringen. Ich suchte also mein Füchs- 
lein, that kochende Fischmägen in den Brotsack, band 
diesen hinten an den Sattel und ritt von dannen. Das 
Füchslein war frisch und lief gar rasch dahin. Ich 
wohnte damals im Eystrahrepp und als ich nach unserem 
Hause kam, hörte ich noch, wie es in den Fischmägen 
wallte und kochte, und doch war ich eine halbe Tage 
reise weit geritten. Gut war dieses Füchslein.“ 
5. Der Stein auf der Düne. „Einstmals hatte ich 
Arbeit bei einer Witwe im Borgarfjörä. Einen Winter 
gab es viel Frost und Eis. In der Mitte dieses Winters 
herrschte solch heftiges Schneegestöber, dafs man keinen 
Hund hätte hinausjagen mögen. Aber die Pferde waren 
draufsen und unter ihnen ein einjähriges Füllen. Da 
ich nun bange war, dieses Füllen möchte zu Grunde 
gehen, wagte ich mich hinaus in das Unwetter, um es 
unter Dach zu bringen. Ich fand die Pferde, warf dem 
Füllen einen Strick um den Hals und führte es heim. 
Doch dauerte es nicht lange, da hatte ich den Weg ver 
loren. Endlich kam ich auf eine gefrorene Erhöhung 
und dachte, ich müfste mich auf einer Sanddüne be 
finden. Nun kam mir der Gedanke, wenn ich auf den 
Sand hinabkäme, so würde ich ihn vielleicht erkennen. 
Deshalb legte ich mich flach hin und begann mit meinen 
Händen ein Loch in das Eis zu machen. Ich sputete 
mich, das Eis zu zerkratzen, bis ich den Arm bis zur 
Schulter hinunterstecken konnte. Da bekam ich einen 
faustgrofsen Stein zu fassen und wufste nun sofort, 
welche Düne es war, auf der er lag. Durch diese List 
konnte ich mich nach Hause finden und auf diese Weise 
hat also das Stückchen Stein mir und dem Füllen das 
Leben gerettet.“ 
IV. Erzählungen Bischof Halldörs 5 ). 
1. Der Wirbelwind. „Es war einmal ein heftiger 
Sturm. Da man aber trotzdem nicht unterlassen durfte, 
die Kühe zu tränken, trieb man sie wie gewöhnlich 
hinunter in den Bach. Als aber die erste Kuh den 
Kopf zur Stallthür herausstreckte, kam ein so heftiger 
Windstofs, dafs er der Kuh den Kopf zwischen den 
Thürpfosten abrifs und fortführte, aber im gleichen 
Augenblicke kam ein zweiter Windstofs und setzte ihn 
5 ) Halldör Brynjolfsson, Bischof von Holar, 1746 bis 1752.
	        
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