170
Lie Reise des Prinzen Heinrich von Orléans von Tonking nach Vorderindien.
Bald hinter Men - Hua - Ting, am Nachmittage des
26. Mai, führte der Weg des Prinzen jäh zur Höhe auf
einen Pafs von 2600 m. Da erschien plötzlich zu den
Füfsen der Reisenden eine langgestreckte Ebene mit
birgswände hart an die Seeufer heran und erschweren
den Abstieg. Bei dem katholischen Missionspater
Guilcher fand der Prinz mit seinen Begleitern gast
liche Aufnahme und gute Pflege, so dafs sich auch Roux
Fig. 8. Das Thal des Latung-Ho.
grünenden Feldern und Gärten, die freundlich das er
sehnte Talifu umgaben. Gegen Morgen wird die Stadt
von den Fluten des grofsen Sees Er-Hai bespült. Im
Westen senken sich die Gipfel der Tsangberge, die acht
Monate des Jahres mit Schnee verhüllt sind, schroff zu
Thal. Auch im Norden und Süden drängen wilde Ge-
Fig. 10. Mosso-Frau mit ihren Kindern.
von den Strapazen der Expedition, besonders von einer
chronischen Diarrhöe, bald erholen konnte. Bis jetzt
waren seit Hanoi 1700 km zurückgelegt, von denen
mehr als 1300 km ein neues, zum erstenmale von Eu
ropäern begangenes Itinerar darstellten. Die Kenntnis
der Orohydrographie Hinterindiens, die gerade in dieser
Zone so empfindliche Lücken aufwies, war
bedeutend gefördert, und wichtige Beobach
tungen über die Verkehrsstrafsen und Ver
kehrsmittel der schwierigen südchinesischen
Grenzländer und ihrer Bewohner waren ein
geheimst worden.
Erst am 16. Juni brach Prinz Heinrich
wieder aus Talifu auf. Er zog sich zunächst
den Er-Hai entlang, bog dann genau im
26. Breitenkreise nach Westen ab und kam
bald zu dem öfter erwähnten Nebenflufs Yang-
Pi-Kiang. Er überschritt diesen und näherte
sich auf Pässen von 2800 bis 3000 m Seehöhe
von neuem dem Mekong. Da er sich zuletzt
mehr in südwestlicher Richtung bewegte, traf
er den Strom bereits bei Fey-Long-Kiao, etwa
einen halben Grad nördlich von Kreitners
Passage. Auf Anraten der Einwohner kreuzte
er die ungemein schmale Wasserscheide zum
Saluin und stieg mittelst eines 3000 m hohen
Passes in das Thal dieser Parallelader hin
unter. Beide Gewässer sind hier in der