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Full Text: Globus, 72.1897

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Die Reise des Prinzen Heinrich von Orléans von Tonking nach Vorderindien. 
Fig. 12. Ein „Dobong“. 
schungen der französischen Missionare, wie des 
englischen Reisenden Cooper. Dem Prinzen war es also 
geglückt, den so lange noch verschlossenen Stromabschnitt 
von Uisi abwärts nach Tscha-Yang endgültig festzulegen. 
Leider kann von Schiffahrt und Verkehr auf dem oberen 
Mekong niemals die Rede sein. Von Tsiamdo in Tibet, 
unter ßD/a 0 nördl. Br., bis in die Gegend von Xieng- 
Hong, fast 10° südlicher, ist der Flufs bei jeder 
zeit reichlicher Wasserfälle und erstaunlicher Tiefe der 
artig von Engen, Strudeln, Felsriffen und Katarakten 
durchsetzt, dafs er für den Handel — statt eines Segens 
— das schwerste Hindernis bedeutet. Die vereinzelten, 
oft höchst wagehalsigen Vorstöfse der französischen 
Kanonenboote im Bereich des 20. und 21. Parallels 
haben trotz kleiner Gelegenheitserfolge den ungestümen 
Charakter des Mekong nur bestätigt. Mit solchen Kraft 
stücken, die sich, laut eigener Aussage der Schiffsführer, 
nicht anders als „unter gewissen Umständen“ wieder 
holen lassen, wird nie ein brauchbarer Handelsweg er 
öffnet werden. 
In Hsiao-Uisi fand Prinz Heinrich einen katholischen 
Missionar, der hier seit Jahresfrist zur Unterstützung 
eines älteren und leidenden Amtsbruders stationiert war. 
Nach dessen Tode stand er allein unter der fanatischen 
Bevölkerung, die mehr als einmal sein Leben bedrohte 
und sein Dasein zu einem fortgesetzten Mar 
tyrium machte. Die hinterlistigen Lissu bewiesen 
auch der Karawane gegenüber ihre Niedertracht. 
Aus dem dichten Gebüsch hoch an der Berglehne 
liefsen sie plötzlich schwere Felsblöcke auf die 
langsam dabin wandernden Fremden herabrollen, 
die sich solches Überfalles gar nicht versahen. Bald 
nachher brach unvermittelt der Pfad am rechten 
Stromufer ab, und der Prinz sah sich wohl oder 
übel zu dem gefährlichen Übergang auf das linke 
Ufer genötigt. Fast drei Tage dauerte es, ehe 
Menschen, Tiere und Gepäck in elenden Einbäumen 
über die unheimlich fortschiefsenden Wasser trans 
portiert waren. 
Nach diesen Mühen eilten der Prinz und Roux 
durch die Lamaserie Kampu nordwärts voran, um 
möglichst schnell die französische Mission in 
Tseku, 28° nördl. Br., zu erreichen. In Yetsche 
machten sie die Bekanntschaft eines Häuptlings 
der Mosso-Lissu, die vor 200 Jahren in diesen 
Bergländern ein ausgedehntes Reich besafsen. 
Aber die Tibetaner entrissen ihnen die westliche, 
die Chinesen die östliche Hälfte ihres 
Besitzes und drängten sie in die 
wilden Thäler des oberen Yangtse- 
Kiang und Mekong zurück. Von 
den 24 Häuptlingen, die zur Zeit 
über die zerstreuten und decimierten 
Mosso gebieten, ist der Fürst von 
Yetsche oder der Yetsche-Mokua 
der mächtigste. Sein Einflufs er 
streckt sich westlich bis in das 
Quellgebiet des Irawadi hinein, wo 
alljährlich seine Abgesandten er 
scheinen und für ihren Herrn die 
fälligen Abgaben eintreiben. 
Die Mosso (Fig. 10) haben ein 
hartes, schwer auszusprechendes 
Idiom mit mehrsilbigen Wörtern. 
Statt der Schrift benutzen sie eigen 
artige Hieroglyphen ; wie bei unseren 
Rebus werden mehrere Zeichen, so 
viele ihrer zu einer Redensart 
oder zu einem Satz gehören, mit 
einem viereckigen Rahmen umzogen. In dem Volks 
munde der Nachbarn gelten die Mosso-Lissu als ab 
gefeimte Gauner und Diebe. Ein Sprichwort sagt: „Ein 
Tibetaner betrügt drei Chinesen; aber ein Mosso betrügt 
drei Tibetaner.“ Gleich ihren südlichen Verwandten 
pflegen sie Ackerbau und Jagd, und als grofse Jäger 
sind sie auch grofse Trinker. Bei festlichen Gelegen 
heiten vereinigt sich die gesamte Dorfeinwohnerschaft 
um einen mächtigen Bottich, worin ein Branntwein aus 
vergorenem Reis gekocht wird. Ein jeder füllt sein 
Bambusgefäfs und setzt sich zu der Person — Manne 
oder Frau —, der er seine besondere Zuneigung kund 
geben will. Beide Trinker neigen alsdann die Köpfe 
derart gegeneinander, dafs die Mundwinkel zusammen- 
stofsen, führen das Gefäfs an die Lippen und leeren es 
auf einen Zug. Die Höflichkeit verlangt, dafs man 
seinem Partner den gröfsten Teil des Inhalts zukommen 
läfst. Wird der Gefeierte bezecht und fällt zur Erde, 
so beweist das nur, dafs man vollkommen „komment- 
mäfsig“ gehandelt. 
Vor Tseku mufste die Karawane des Prinzen wieder 
auf das rechte Ufer des Mekong geschafft werden. Aber 
kaum war der Führer sicher in der Mission untergebracht, 
so erkrankte er heftig an Bronchitis und Fieber. Da 
das Leiden längere Ruhe und Erholung nötig machte, 
Eig. 13. Alte Tibetanerin mit L ihren Schweinen.
	        
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