Skip to main content
Page Banner

Full Text: Globus, 72.1897

186 
Die Reise des Prinzen Heinrich von Orléans von Tonking nach Vorderindien. 
genauer von 25° 50' bis 26° 12' nördl. Br., vorüber 
gehend an den Saluin begab, hat diese incognita terra 
um ein Geringes vermindert. Es wurde aber damit aufs 
Neue erwiesen, dafs alle diese Stromabschnitte unfrag 
lich ein und derselben grofsen Ader angehören, und dafs 
man heute nicht mehr daran denken darf, den hoch 
Die Bewohner der Gegend waren Lutse und Lissu. 
Die ersteren unterschieden sich durch ihre Sprache und 
den auffallend kleinen Wuchs — das Mittel aus zehn 
Messungen ergab 1,56 m — von allen bisher gesehenen 
Völkern. Bei Tionra bemerkten die Franzosen mehrere 
Frauen von geradezu zwerghafter Gestalt. Trotzdem 
Fig. 14. Pik Francis Garnier, 4300 m. 
sind die Leute kräftig und gewandt und bringen es 
häufig zu langer Lebensdauer. Der Lutsehäuptling von 
Tomalo (Fig. 15) machte sich der Expedition recht 
nützlich; er sorgte, wenn auch erst nach mehrtägigem 
Zögern, für frische Träger und Lebensmittel und wurde 
deswegen in vollem Staate photographisch verewigt. 
Wie die Pässe im Osten Tomalos bis 4000 m ansteigen, 
so mufsten auch im Westen gleich hohe Übergänge ge 
nommen werden, ehe der Prinz die Wasserscheide 
zwischen Saluin und Irawadi erstieg. Der Sekebach, 
an dem man bergan schritt, zeigte bald morastige Ufer 
und Neigung zur Sumpfbildung. Dann folgte noch ein 
schroffer Aufstieg von 500 m, und die trennende Kette 
war erklommen. Die Instrumente gaben 3800 m Er 
hebung an. 
Da jetzt die Nebel fielen, so wurde nach allen Seiten 
der Ausblick auf die umgebende ungeheure Gebirgswelt 
frei. Fern im Norden dehnte sich ein breites, menschen 
leeres Schneemassiv mit erhobenen Gipfeln endlos vor 
den Fremden aus. Nur die wuchtig eingerissene Scharte 
des Kiu-Kiang oder Turongflusses liefs sich deutlich 
durch das Berggewirr verfolgen. Auch im Westen und 
Südwesten zogen sich die Ketten dicht geschart in langen 
Reihen längs der Mittagskreise hin. Aber es dauerte 
noch fast zwei Tage, ehe die Expedition die Ufer des 
Kiu-Kiang betreten konnte und damit zu den Wohn 
sitzen des Kiutse Volkes gelangte. Nach den franzö 
sischen Beobachtungen sollen die Kiutse mit den vor 
her beschriebenen Lutse desselben Stammes sein. Das 
beweisen Sprache, Lebensart und Tracht; nur geben 
sich die Kiutse in allem roher und wilder als ihre öst 
lichen Verwandten. Selbst die Frauen laufen halb nackt 
und mit völlig ungeordneten Haaren umher, schmücken 
sich aber bis zum Überflufs mit Halsbändern aus bunten 
nach Tibet vorgreifenden Oberlauf des Saluin oder, wie 
er dort heifst, des Loutse-Kiang mit dem Irawadi in 
Verbindung zu setzen. Diesen Fehler begeht z. B. noch 
die Tibetkarte der Londoner geographischen Gesellschaft 
von 1894, die den Flufs etwa in der Höhe von Tseku 
bei der Lamaserie Tschotong entspringen läfst. 
Bei Tschotong liegt der Wasserspiegel des Saluin 
nach Roux’Bestimmungen 1593 m über dem Meere; aber 
schon halbwegs nach Tasu, wo der Prinz auf Tomalo 
abbog, wurden nur noch 1525 m gemessen. So gewaltig 
vermindert sich auf kurze Entfernungen das Gefälle! 
Fig. 15. Der Häuptling von Tomaio.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.