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Full Text: Globus, 72.1897

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Graf Zeppelin-Ebersberg: Was ist der allgemeine Grund und Zweck der Pfahlbauten? 
bedeckte Ebene hinaus und kann als Pyramidentempel 
ersten Ranges bezeichnet werden. Er besteht aus einer 
viereckigen, unten 60 und oben 18 qm, und 24 m hohen, 
terrassierten Pyramide, die im Winkel von 50° ansteigt, 
während die Treppen, die von allen vier Seiten hinauf 
führen und etwas über die Basis der Pyramide hinaus 
treten, etwas weniger steil sind. Die Pyramide besteht 
aus neun Stufen von 2 1 / 2 bis 2 3 /4 111 Höhe, wie dies aus 
der Abbildung im Panorama zu ersehen ist. 
Die Hauptfront liegt im Norden, und neunzig 13,5m 
breite Stufen , deren Balustraden oben in grofsen 
Schlangenköpfen enden, führen zu derselben empor. 
Der Tempel nimmt den Gipfel der Pyramide so voll 
ständig ein, dafs vorn nur eine etwa 3 m, an den 
übrigen Seiten sogar nur halb so breite Esplanade übrig 
bleibt. 
Die Mauern sind mit Ausnahme des unteren, etwas 
nach innen eingezogenen Teiles senkrecht und 7,5 m 
hoch. Die Anordnung der Gemächer ist aus dem Plan 
(Fig. 1) ersichtlich. Der nördliche Haupteingang ist 
über 6 m breit und durch zwei massive, gefederte 
Schlangensäulen in drei Abschnitte geteilt, ähnlich wie 
dies in der links auf dem Bilde (Fig. 7) sichtbaren 
Westansicht des Tempels der Tiger und der Schilde der 
Fall ist. Man gelangt durch die Eingänge in ein 
Vestibül, das die ganze Breite des Bauwerks einnimmt. 
Aus dem Vestibül gelangt man durch eine breite Thür 
in einen mittleren Raum, in dessen Mitte zwei viereckige 
Säulen stehen, die Holzbalken stützen, auf denen die 
Wölbung ruht. Die drei anderen äufseren Thüren führen 
in einen Korridor, der die Süd-, Ost- und Westseite 
umgiebt. Vorzüglich erhalten, ist dieser herrliche Pyra 
midentempel ein glänzendes Beispiel der grofsen Be 
fähigung der Mayabaumeister, sowohl was Konstruktion 
als auch was architektonischen Geschmack anbelangt. 
Ein wenig links vom Haupttempel (bei B) liegt der 
Spielplatz oder das Gymnasium. Es besteht aus einer 
Gruppe von vier selbständigen Bauwerken, die so an 
geordnet sind, dafs sie einen Raum von 137 m Länge 
und 36,5 m Breite einschliefsen. Die Längsseiten be 
stehen aus einfachen, aber kolossalen, 84 m langen, über 
10 m dicken und über 7V 2 m hohen Mauern, deren 
Aufsenflächen aus behauenen Steinen bestehen. Zwei 
mächtige Steinringe sind einander gegenüber in Ö 1 /^ m 
Höhe etwa in der Mitte der Mauern angebracht, die 
wahrscheinlich irgend welche Beziehungen zu den Ball 
spielen haben, welche die Mayas, wie viele andere 
Stämme, so aufserordentlich gern spielten. Während 
die westliche Mauer nun ohne jede weitere Verzierung 
ist, lehnen sich an die östliche Mauer die Überreste 
zweier Tempel an, die mit zu den belangreichsten in 
Chichen-Itza gerechnet werden dürfen. In der Nähe 
ihres südlichen Endes ist die Mauer, nach Osten zu, zu 
einer Terrasse von 12 qm verbreitert, welche die Mauer 
auch um 1 bis 1,5 m überragt und einen Tempel mit 
zwei Gemächern trägt, während an den Fufs der Terrasse 
ein kleiner Tempel mit einem Gemache angebaut ist. 
Links auf dem Bilde der Fig. 7 sehen wir die West 
ansicht dieses Tempels, der den Namen „Tempel der 
Tiger und Schilde“ führt, und leider schon zum 
gröfsten Teil eingestürzt ist. Der Eingang nahm die 
ganze Breite des Tempels ein und war durch zwei 
Schlangensäulen in drei Teile getrennt, durch die man 
einen Vorraum betrat, der, wie aus handschriftlichen 
Notizen Th. Malers hervorgeht, vormals mit reichen 
Malereien geschmückt war, die nun gänzlich ver 
schwunden sind. Im Hintergemache dagegen sind noch 
Reste von Malereien erhalten, die Theobert Maler auch 
glücklich kopieren konnte und die vielleicht später zur 
Veröffentlichung gelangen werden. Eine ganz vortreff 
liche Anschauung der Schlangensäulen dieses Tempels 
giebt Fig. 8. Sie sind jetzt noch 2,13 m hoch und 
sorgfältig mit Skulpturen, wie Schuppen, Federn und 
anderen Dingen bedeckt. Die Augapfel der Schlangen 
wurden aus weifsen Seemuscheln hergestellt. Die Köpfe 
sind mit Ausnahme der Zungen , die jetzt fehlen, aus 
einem Stück gearbeitet. Die Zungen waren vermittelst 
eines Zapfens am Unterkiefer befestigt. Die Fangzähne 
sind grofs und knollenartig dargestellt. Wie Maler 
hervorhebt, hat er bis jetzt Schlangensäulen und 
Schlangenpfeiler nur an den Tempeln von Chichen-Itza 
gefunden, sonst aber in gar keinen anderen Ruinen 
städten von Yucatan. Im fernen Tollan (Tula), der 
Hauptstadt des Toltekenreiches, gab es ähnliche Säulen. 
Auch der aus einem Gemache bestehende Tempel an 
der Basis der Terrasse ist sehr verfallen. Nur die 
Hinterwand bis zum Scheitel der Wölbung und die 
Reste von zwei viereckigen Säulen, welche die Vorder 
front trugen, sind erhalten. Die erhaltenen Teile sind 
aber um so wichtiger, da sie über und über mit Relief 
bildern bedeckt sind, die Prozessionen merkwürdig 
kostümirter Personen darstellen, die zum Teil noch die 
brillanten Farben zeigen, mit denen sie ursprünglich 
gemalt waren. Es sind wahrscheinlich Teilnehmer eines 
Kriegstanzes, die dort abgebildet sind, da die Personen 
Waffen tragen und Tiger und Schilde bei den Dekora 
tionen zahlreich verwandt sind. Zwischen den beiden 
Säulenüberresten steht auch noch die Figur eines Tigers, 
der vielleicht als Symbol oder auch nur als Sitz gedient 
haben mag. 
Die kleinen Bauwerke, die den Spielplatz an seinem 
Nord- und Südende begrenzen, sind nicht besonders 
wichtig. Das nördliche ist ein kleiner Pyramidentempel 
mit einem Gemache und runden Säulen, das südliche, 
gröfsere Bauwerk ist sehr stark verfallen. Die Lage 
beider ist aus dem Plan (Fig. 1) ersichtlich. 
Was ist der allgemeine Grund und Zweck der Pfahlbauten? 
Von Eberhard Graf Zeppelin-Ebersberg. 
Mit der Herstellung der im vorigen Jahre erschie 
nenen neuen Bodenseekarte durch die fünf Bodensee 
uferstaaten ist bekanntlich auch eine Reihe auf das 
Bodenseegebiet bezüglicher historisch - geographischer, 
hydrographischer, naturwissenschaftlicher und anthropo- 
geographischer Untersuchungen verbunden worden, deren 
Ergebnisse unter dem Titel „Bodenseeforschungen“ als 
Beilagen zu den Schriften des Vereins für Geschichte 
des Bodensees und seiner Umgebung veröffentlicht und 
in ihrer Gesamtheit eine ziemlich vollständige Bodensee 
monographie bilden werden. Mir ist hierbei u. a. die 
Bearbeitung der Besiedelung der Bodenseegegend 
übertragen worden. Selbstverständlich war ich dadurch 
veranlafst, mich auch eingehender mit den Pfahl 
bauten zu beschäftigen, die ja hier eine besonders 
bedeutsame Rolle spielen. Bei dieser Beschäftigung 
fiel es mir nun auf, in der ganzen umfangreichen Pfahl- 
bautenlitteratur zwar eine überaus grofse Anzahl von 
allerhand möglichen und unmöglichen Hypothesen über 
den Grund und Zweck der Pfahlbauten, so gut wie
	        
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