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Gottlob Adolf Krause: Beiträge zum Märcheuschatz der Afrikaner.
schwisterpaar lebte. Als sie den Hasen liegen sahen,
träufelten sie ihm einen Tropfen Wasser auf die Hand.
Er leckte es auf, dann blickte er um sich, um zu sehen,
woher das Wasser gekommen, und sah sie und erkannte
sie. Er bat um Wasser und sagte: „Beledu, gieb mir
Wasser zum Trinken.“ Fadschimata sagte, sie würden
ihm keines geben und darauf fingen sie an zu singen:
„Fadschimata, Fadschimata 3 ),
Kuna soi rua, kuna soi mini
Ndan kuna dadi ndan kana sai natscha
Ndan kai natscha
Saide molo Beledu
Kuna soi rua.“
Darauf erhob sich der Hase, um nach Hause zu
gehen. Zu Hause angelangt, ging er zum Könige und
sagte, er habe im Walde Wasser gesehen.
Der König sagte, das ist eine Lüge. Der Hase aber
erwiderte, er möge doch befehlen, dafs Leute hinaus
gingen und sich von der Wahrheit überzeugten.
Als die Leute des Königs ausgezogen waren, gelangten
sie an den Ort, wo die Geschwister waren, sahen hinauf
und erblickten sie.
Der Hase bat um Wasser und sagte: „Beledu, gieb
mir Wasser zum Trinken.“ Dieser aber sagte, sie
würden ihm keines geben. Da sagte er wieder: „Fadschi
mata, gieb mir Wasser zum Trinken.“ Fadschimata
sagte, sie würden ihm keines geben und darauf fingen
sie an zu singen:
„Fadschimata, Fadschimata,
Kuna soi rua kuna soi mini
Ndan kuna dadi ndan kana sai natscha
Ndan kai natscha
Saide molo Beledu
Kuna soi rua.“
Hierauf brachen die Leute auf, um nach Hause zu
gehen.
Als sie hier angelangt waren, trafen sie den König
und sagten ihm, sie hätten Wasser gesehen.
Der König erliefs sofort einen Aufruf und ver
sammelte alle Leute. Als alle versammelt waren, brachen
sie auf, gelangten an den Ort, wo die Geschwister waren
und trafen sie an.
Da hat seine Mutter gebeten und hat gesagt: „Beledu,
gieb mir Wasser zum Trinken.“ Dieser aber sagte, sie
würden ihr keines geben. Da hat sein Vater gebeten
und hat gesagt: „Beledu, gieb mir Wasser zum Trinken.“
Beledu aber sagte, sie würden ihm keines geben. Auch
Fadschimata bat der Vater vergebens um Wasser. Darauf
fingen sie an zu singen:
„Fadschimata, Fadschimata,
Kuna soi rua kuna soi mini
Ndan kuna dadi ndan kana sai natscha
Ndan kai natscha
Saide molo Beledu
Kuna soi rua.“
Der König sagte nun, man sollte ihnen sagen, sie
sollten herabsteigen und einander heiraten. Als sie das
hörten, warfen sie die Kürbisflasche herab und die
Leute hatten nun Wasser, das sie gierig tranken.
Sie aber stiegen herab und hielten ihre Hochzeit.
* *
*
3 ) Dieser Gesang ist ein Gemisch von Wörtern der Haussa-
sprache, des Tschi-Schingini und von Wörtern, die meiner
Quelle unbekannt sind. Die fünfte Zeile lautet: „Es sei denn
die Heirat [mit] Beledu.“ Der Sinn des Ganzen ist: Fadschi
mata sagt, wollt ihr Wasser trinken, Wasser trinken, euch
wohl fühlen, so müfst ihr die Heirat mit Beledu gestatten,
dann werdet ihr Wasser trinken.
2. Das Märchen vom Könige und vom Hasen und
von der Hyäne.
Tetschi tete. Es war einmal ein König, der zog
einen grofsen Hammel auf. Eines Tages ging der Hase
und stahl diesen Hammel. Er schlachtete ihn, zog ihm
das Fell ab, richtete es als Schurzfell her und bewahrte
es in seiner Hütte auf.
Als der König einen Aufruf erliefs, dafs sich alle
Leute an dem bekannten Versammlungsplatz versammeln
sollten, stellte sich heraus, dafs die Hyäne kein Umhänge
fell hatte. Sie ging daher zum Hasen und bat ihn, ihr
eines zu leihen. Der Hase nahm das Fell (des Hammels)
und gab es ihr. Beide brachen nun auf, um sich zum
Versammlungsorte zu begeben.
Als der König sie von weitem kommen sah, erkannte
er das Fell seines Hammels, und wollte sie gefangen
nehmen. Die Hyäne aber merkte es und floh in den
Wald.
Früher lebte die Hyäne in der Stadt, jetzt aber im
Walde und kommt nur nachts in die Stadt, um zu
stehlen.
* *
*
Tetschi tete. Es war einmal ein Ehemann, der hatte
zwei Frauen. Eine von ihnen war eine Hexe, und eine
war keine Hexe. Und er liebte die Hexe sehr.
Wenn die Nacht gekommen war, gingen sie in die
Hütte hinein, um sich zum Schlafen niederzulegen.
Wenn „sich die Nacht teilte“ (um Mitternacht), ging die
Frau hinaus, um zum Orte des Essens (der Hexen) zu
gehen. Wenn die Nacht zu Ende ging, kehrte die Frau
nach Hause zurück und ging in die Hütte hinein.
Der Mann fragte: Wo bist du hingegangen? Die
Frau antwortete, sie sei ausgegangen, um ein Bedürfnis
zu verrichten, worauf der Mann schwieg.
So machten es die Hexen immer. Eines Tages haben
sie ihren Ehemann 4 ) ergriffen, sind heimgegangen und
haben ihn an einen Pfahl gebunden. Von diesem Tage
an wurde der Mann mager.
Da machte sich sein Freund auf, hat ihn begrüfst
und hat gesagt, dafs seine Frau eine Hexe sei. Sein
Freund wollte es nicht glauben und sagte: Das ist eine
Lüge. Sein Freund sagte, er würde wiederkommen,
wenn es würde Nacht geworden sein.
Als die Nacht herbeigekommen war, kam sein Freund
und sie plauderten bis tief in die Nacht hinein (bis die
Nacht „grofs geworden“ war), dann sagte er, dafs er
nach Hause gehen wolle, um ein wenig zu schlafen, er
würde aber wiederkommen und ihn rufen.
Nachdem er ein wenig gewartet hatte, stand er auf,
ging zu ihm und rief ihn. Darauf kam der Ehemann
heraus und sie gingen fort, um an den Ort zu gehen,
wo sie ihn gebunden hatten. Als sie dort angelangt
waren, zeigte er es ihm und sagte: Der Ort, an dem sie
dich gebunden haben, siehe, das hier ist er. Und sein
Freund hat es gesehen.
Da standen sie (die Freunde) aufrecht da und be
trachteten sie (die Hexen). Sie hatten sich alle versam
melt und sangen diesen Gesang:
„Kana dschi taniba
Kana dschi musoro.“
Darauf gingen sie fort, um nach Hause zu gehen,
auch die Hexen zerstreuten sich, die Nacht ging zu Ende
und sie schlachteten ihn nicht.
4 ) Nicht den leiblichen Menschen, sondern seine Seele.
3. Das Märchen von den Hexen.