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Full Text: Globus, 72.1897

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Martins Forschungsreise zu den juga'nschen Ostjaken. 
Mg. 1. Ostjakische junge Mädchen aus Juganskoi. 
welcher durch seine Kenntnisse und weiten Verbin 
dungen unter den Ostjaken dem Reisenden ungemein 
förderlich wurde und nur dessen Einflüsse war es zuzu 
schreiben, dafs die Ostjaken sich messen und photo 
graphieren liefsen. Als echte Naturmenschen hatten sie 
vor derlei Beschäftigungen grofsen Abscheu, zumal das 
Gerücht ging, Martin wolle sie zu Soldaten ausheben 
und ihre Kinder fressen. Indessen zuletzt kam ein 
freundschaftliches Verhältnis zu Stande, dem die reichen 
ethnographischen Ergebnisse der Reise zu danken sind. 
Die anthropologischen Ergebnisse sollen später veröffent 
licht werden. Einige interessante Typen (Fig. 1 und 2) 
teilt aber Martin schon im vorliegenden Werke mit. 
Wie das alte Kirchenbuch der schon am Ende des 
16. Jahrhunderts getauften Ostjaken am Jugan beweist, 
betrug 1790 die Einwohnerzahl von Juganskoi 946 
Seelen; sie war 1889 nur wenig, auf 1081 gestiegen. 
Der Ort ist aber zu Zeiten belebter, wenn die Ostjaken 
des Stromes sich zum Sommerjahrmarkt versammeln, teils 
um dann ihre Erzeugnisse abzusetzen und sich zu be 
trinken, teils um dann die Steuern zu bezahlen. Alles geht 
durch die Hände des genannten Tituwski, dem sämtliche 
Ostjaken verschuldet sind und der das gesamte erbeutete 
Pelzwerk der Ostjaken in Empfang nimmt. Dafür er 
halten sie Mehl, Thee, Salz und andere unentbehrliche 
Sachen auf Kredit. Der Verkauf von Branntwein an 
die Ostjaken ist freilich verboten, im Geheimen erhalten 
sie aber trotzdem den Göttertrank. Die Händler lassen 
sich für einen Schnaps ein Eichhörnchenfell zahlen. 
Zur Zeit des Sommerjahrmarktes liegen die ostjakischen 
Fahrzeuge mit Dächern aus Birkenrinde dicht am Strande 
des Flusses. Die Frauen beschäftigen sich mit dem 
Zubereiten der Speisen, mit Nähen, dem Anfertigen von 
Fäden aus Sehnen; die Männer 
thun nichts, als sich betrinken 
und ihren Rausch ausschlafen, die 
älteren Kinder belustigen sich 
mit Spielen, bei denen das 
Schiefsen mit Bogen und Pfeil 
obenan steht. 
Von Juganskoi fuhr Martin 
den von Süden her mündenden 
Jugan aufwärts, um bei den 
fast frei vom russischen Einflüsse 
lebenden Ostjaken seine Studien 
zu machen. Bei Hochwasser war 
der Jugan an seiner Mündung 
V 2 Werst breit; seine Länge 
schätzt Martin auf nahezu 1000 
Werst (= 940 km; Länge des 
Rheins 1160 km). Er soll aus 
dem Bärensee der Barahinzischen 
Steppe kommen und ist noch 
wenig erforscht. Wo ihn Martin 
befuhr, hatte er niedrige Ufer, 
die sich höchstens bis zu 15 m 
hohen Sandplateaus erheben und 
dicht mit Cedern, Kiefern, Fich 
ten, Eiben, Birken, Ebereschen, 
Espen und Weiden bestanden 
sind. Von den früheren statt 
lichen Cedernwäldern sind nur 
noch Reste vorhanden, die durch 
Waldbrände in den fünfziger 
Jahren gröfstenteils vernichtet 
sind. Bei Hochwasser bildet der 
Jugan unzählige Arme, in trocke 
nen Sommern ist er aber sehr 
wasserarm und wenig befahren. 
Mit derDemianka, einem rechten Nebenflüsse des Irtisch, 
steht der Jugan im Frühling bei Hochwasser in Ver 
bindung und es sollen sogar jugansche Ostjaken auf 
diesem Wege nach Tobolsk gereist sein. 
Die Reise auf dem Jugan begann am 27. Juni und 
dauerte bis zum 10. Juli, an welchem Tage die Rückkehr 
nach Juganskoi erfolgte. Auf ziemlich weite Entfernung hin 
lagen die Jurten der Ostjaken, bald einzeln, bald mehrere 
zusammen am Ufer des Stromes, der für Fischfang, 
Handel und Schiffahrt ihre Lebensader bildet. Bei den 
Raksakinij urten, wo Martin sich auf hielt, benahmen 
sich die Eingeborenen anfangs so scheu vor dem fremden 
weifsen Mann, wie wir dieses von den Wilden Afrikas 
Fig. 2. Ostjaken aus den Ruskini-Jurten.
	        
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