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I u.,.. 1. MiS
Martins Forschungsreise zu den juganschen Ostjaken.
Fig. 3.
Ostjakengrab, von Westen
gesehen.
oder Amerikas zur
Zeit der Entdeckung
lesen. Erst der
Schnaps machte sie
zugängig und, einmal
guter Laune, führten
die Ostjaken ihre
Tänze auf, darunter
den Bärentanz. „Das
Fell des Kopfes und
der Vorderfüfse des
Bären wurde auf den
Boden gelegt und
nun trat ein Mann
heran, der eine
grob aus Birkenrinde
verfertigte und mit einer gewaltigen Nase versehene
Maske anhatte. Mit lebhaften Gebärden und auf der
Dombra (Saiteninstrument) begleitet, trug er trällernd
eine lange Beschreibung vor, in der die Erlegung des
Bären geschildert wird. Drei andere Männer standen
neben den Fellstücken und nickten dem Sänger Beifall zu.
Da der Ostjake die gröfste Ehr
furcht vor dem Bären hat, schliefst
der Sänger seinen Vortrag immer
mit der Bitte um Entschuldigung,
dafs er ihn getötet hat 2 ).“
Auch eine alte Schamanentrommel
vermochte Martin hier zu erwerben,
er lernte die Musikinstrumente
kennen, von denen es drei Arten
giebt (die fünfsaitige Dombra, den
Lebed oder Schwan, bei welchem der
Resonanzboden einem Vogelkörper
gleicht und eine Geige), welche
aber Frauen nicht spielen dürfen.
Auch sah er hier das Brotbacken
aus grobem Roggenmehl, von dem
breite Fladen geformt wurden,
die man auf einer Latte im Feuer
röstete. Bei den folgenden Rus-
kinijurten konnte er wieder eine
Anzahl Eingeborener photogra
phieren (Fig. 2) und messen und
liefs er sich Zeichnungen auf Papier
von ihnen machen, die im allge
meinen jenen der Naturvölker entsprechen, hei denen
aber die Renntiere gut charakterisiert sind. An den
Kajokowijurten beobachtete Martin den Bootbau der
Ostjaken. Er lobt namentlich ihre eleganten, leichten,
aus einem Espenstamm gehöhlten Kähne, die von
den Russen gern gekauft
werden.
Immer weiter aufwärts vor
dringend fand Martin den
Jugan so gefallen, dafs man
sein Boot nur durch Treideln
oder Trecken gegen den
Strom an einem Seile fort
ziehen konnte. An der Mul-
tanowijurte wurde dann die
Umkehr beschlossen, da fast
alle Ostjaken weiter stromaufwärts zum Jahrmarkt nach
Juganskoi gezogen waren und dort ethnographische Aus
beute nicht mehr zu erwarten war. Schnell ging die
Fig. 4. Ostjakensarg
mit weiblicher Leiche.
Fig. 5. Gufsform aus Kiefern
rinde für Zinnzierat.
Rückreise von
statten; bei
den schon auf
der Herreise
besuchten Rus-
kinijurten sah
Martin noch
mals den Bä
rentanz. Jetzt
erlegt man die
Bären mit Flin
ten , aber Bo
gen und Pfeil
sind noch die
liebste Waffe
der Ostjaken.
Der Bogen ist
der Form nach
ein tatarischer
und aufser ihm
erinnern noch
manche Geräte
an die ehema
lige Tataren
herrschaft.
In der Nähe
der Ugotski-
jurte gelang es
Martin auch,
heimlicher
Weise einen
Begräbnis
platz der
Ostjaken zu
untersuchen, welcher verborgen im dichten Nadelwald
abseits vom Ufer des Jugan lag. Es waren etwa 20
Gräber, die, nach den Beigaben zu schliefsen, nur weib
liche Leichen enthielten. Über dem Grabe ist aus
Kiefernstämmen ein jurtenähnliches Gebäude errichtet
von 60 cm Höhe, 2 1 /* m Länge und l 1 /* m Breite. Das
Dach war mit Birkenrinde gedeckt; an der Westseite
eine kleine Thüröffnung. In dem Häuschen (Fig. 3) lag
ein umgekehrter Schlitten und Frauenschneeschuhe. Im
sandigen Boden fand sich dann, 60 cm tief, der mit
Matten umwickelte Sarg aus groben Brettern. Die
Leiche (Fig. 4), 1,47 m lang, lag ausgestreckt mit den
Armen an der Seite. Der Kopf gegen Westen mit dem
Gesicht nach unten, ruhte auf einem Pelz. Darüber
mehrere Tücher, eins von Seide. Zur Seite des Kopfes
ein Rindenkorb mit Mehl. Eingehüllt war die Leiche
in einen Wollenrock, der reich gestickt und mit Zinn
zieraten geschmückt war, welche die Ostjaken selbst in
hölzernen Formen (Fig. 5) giefsen. Andere Grabbei
gaben waren noch ein metallener Schrein, der zur Auf
bewahrung von Kostbarkeiten dient, ein Teller aus
Fig. 6. Heilige Ceder auf der Cederninsel.
2 ) Diese Bärenverehrung reicht bis zu den Aino. Eine
Abbildung ostjakiscber Tänze mit der Birkenmaske im Globus
Band 63, S. 126 in der Abhandlung von Sengstake über die
Ostjaken.
Fig. 7. Baksakini-Sommerjurte aus Birkenrinde.