Dr. F. Tetzner: Haus und Hof der Litauer.
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wie Troyon meint, der Verstorbene im Schofse der
Mutter, bis für ihn ein neues Leben begann. Der
Mensch war gleichsam zu seiner Mutter zurückgekehrt,
um wieder geboren zu werden. Und wie das Kind im
Mutterschofse in zusammengekauerter Stellung den
Augenblick erwartet, wo es das Licht der Welt begrüfsen
soll, so mufste der aus diesem Leben Geschiedene im
Schofse der Erden mutter in derselben Stellung liegen,
die er als ungeborenes Kind eingenommen, um der
Stunde gewärtig zu sein, da ihn die höchste Macht zu
einem neuen, besseren Leben rufen würde, welches ewig
dauert.
Es ist ein schöner Gedanke, den Troyon dem Brauche,
die Toten in hockender Stellung zu begraben, zu Grunde
legt, aber ich wage doch nicht, mich seiner Ansicht
anzuschliefsen, weil sie eine Kenntnis der anatomischen
Verhältnisse beim Menschen und ein philosophisches
Denken voraussetzt, die wir bei den Neolithikern kaum
vermuten dürfen. Ich glaube vielmehr, dafs die kühlere
Betrachtungsweise Virchows hier am Platze ist, welcher
sagt, dafs das Kind im Mutterleibe die zusammen
gekauerte Lage annimmt, weil es ihm zu einer anderen
an Raum gebricht und dafs das Bedürfnis der Raum-
resp. Arbeitsersparnis sich auch geltend macht, wenn
Leichen Erwachsener in Erdlöchern oder sogar Thon-
gefäfsen beigesetzt werden. Die hockende Lage ist
zudem manchen Völkern Asiens und Afrikas heute noch
die bequemste und sie kehren auch liegend in dieselbe
zurück.
Doch sei dem, wie ihm wolle, so beweisen die
Gräber der Steinzeit an und für sich schon den Glauben
an eine Fortdauer des Lebens nach dem Tode.
3. Grabhügel. Im historischen Museum Bern
befindet sich ein Fund aus Niederried bei Aarberg. Er
besteht aus einem prachtvollen Beil aus Chloromelanit,
drei anderen Beilen, wovon eines nur fragmentarisch
erhalten, und einem Schaber aus weifslichem Feuerstein.
Diese Objekte sollen nebst Kohle und Asche in einer
Bodenerhöhung gefunden worden sein. v. Bonstetten
glaubt, man sehe in derselben mit Unrecht einen Grab
hügel, da die Steinzeitgräber, die man bisher in der
Schweiz gefunden, keinen Leichenbrand enthalten und
in flacher Erde lägen. Man hat indessen auch ander
wärts ähnliche Vorkommnisse beobachtet.
Östlich von Burgdorf liegen die Gisnauflühen. Ob
der nördlichsten derselben lagen auf dem sanft geneigten
Terrain zwei längliche Hügel, die gegen Ende der
siebenziger Jahre untersucht wurden. Der erste, untere
Hügel war 35 m lang, 24 m breit und 4,5 m hoch. Vom
oberen Hügel schied ihn ein tiefer Graben. Der zweite
Hügel hatte eine Länge von 47 m, eine Breite von 16 m
und eine Höhe von 1,6 m. Er war vom höher gelegenen
Lande ebenfalls durch einen tiefen Graben getrennt.
Bei der Untersuchung ergab sich, dafs der erste Hügel
aus drei Schichten bestand, wovon die beiden unteren
mit Kohlen durchspickt waren. In demselben kamen
Feuersteinmesser, drei Silex - Pfeilspitzen und viele Ab
fälle oder Splitter von Feuerstein ans Tageslicht, ferner
rohe Scherben und ein Steinbeilfragment. Nahezu im
Centrum des Hügels, also in der untersten Schicht, fand
sich der Rest eines Steinbettes.
Noch besseren Aufschlufs über die oben berührte
Frage nach dem Vorkommen von Brandgräbern in der
Steinzeit erbalten wir durch Grabhügel im Gebiete der
zürcherischen Gemeinden Oberweningen und Schöfflis-
dorf, auf der Egg nördlich der Lägern. Sechs derselben
wurden von Dr. Ferd. Keller untersucht. Der erste war
von bedeutendem Umfange, aber, gleich den übrigen,
wenig hoch. In der Mitte des Hügels fand man Steine,
Scherben und Kohlen; auf dem Urboden lagen die
Überreste eines verbrannten Leichnams. Einige Stücke
der Hirnschale seien von „Kupferoxyd“ grün gefärbt
gewesen. „Es war dies die einzige Spur von Metall in
all den sechs aufgedeckten Hügeln.“ Im zweiten
Hügel kamen Kohlen und Scherben von einem etwa 15 cm
hohen, flachbodigen Töpfchen zum Vorschein. Im dritten
Hügel stiefs man auf eine Kohlenstätte, „in welcher sich
verkohlte Scheite und Äste so erhalten hatten, dafs
man ganze Stücke derselben herausziehen konnte“. Der
vierte Hügel barg Steine, Kohlen, drei kleine Töpfe und
zwei Feuersteinstücke. Das eine der Gefäfse zeigt das
für unsere Kupferzeit charakteristische Schnurornament,
das andere das Stichornament, das wir im „Kupfer
pfahlbau“ Vinelz ebenfalls häufig antreffen. Im fünften
Hügel kam eine Thonschale zum Vorschein; der sechste
Hügel ergab keine Funde.
Die Grabhügel von Oberweningen und Schöfflisdorf
gehören offenbar dem Ende der Steinzeit an, der Kupfer
periode.
Wir können das Resultat unserer Untersuchung über
die neolithischen Gräber kurz zusammenfassen und
sagen: In der jüngeren Steinzeit wurden die Toten
entweder in Höhlen unter Felsvorsprüngen, oder in
kleinen Steinkisten in freier Erde begraben. Gegen
Ende der Epoche aber kam, wenigstens in der deutschen
Schweiz, die Sitte auf, die Leichen der „reinigenden
Kraft des Feuers“ zu unterwerfen und über dem zu
sammengesunkenen Scheiterhaufen einen Grabhügel zu
errichten.
Es spricht der Erdgeist in Goethes Faust:
„In Lebensfluten, im Thatensturm
Wall’ ich auf und ab,
Webe bin und her!
Geburt und Grab,
Ein ewiges Meer,
Ein wechselnd Weben,
Ein glühend Leben,
So schaff ich am sausenden Webstuhl der Zeit
Und wirke der Gottheit unsterbliches Kleid!“
Haus und Hof der L i t a u e r.
Von Dr. F. Tetzner.
1. Das Wohnhaus. Das einfachste und altertüm- Dafs dieser einfachen Form eine noch einfachere
lichste litauische Wohnhaus diesseits und jenseits der vorausging, die keine Zwischenwände besafs, ist aus
Grenze ist dreiteilig. Das Rechteck des Grundrisses ist natürlichen Gründen anzunehmen, zumal die alten Schrift-
der Länge nach so geteilt, dafs die Thür in der Mitte steiler, Hennenberger, Prätorius, Lepner u. A., nicht
der Vorderseite in die Hausflur (a) führt, auf der sich ausdrücklich die Scheidewände hervorheben, die Schultz
der Herd (b) befindet. Rechts führt eine Thür in die 1832 erwähnt. — Reinlichkeitssinn und Bequemlich-
Wohnstube (c stuba, istuba, jizba), links eine solche keit geboten, den rauchigen Herd von der Wohnstube
in die Kammer (d kamare, kumburis). Die Wohnstube hat zu trennen , in der die wertvolleren Hausgeräte aufbe-
ein Fenster auf der Hausthürseite, die Kammer ist finster. | wahrt wurden. Die Vorratskammer aber mufste schon
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Globus LXXII. Nr 16.