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Full Text: Globus, 72.1897

Dr. F. Tetzner: Haus und Hof der Litauer. 
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wie Troyon meint, der Verstorbene im Schofse der 
Mutter, bis für ihn ein neues Leben begann. Der 
Mensch war gleichsam zu seiner Mutter zurückgekehrt, 
um wieder geboren zu werden. Und wie das Kind im 
Mutterschofse in zusammengekauerter Stellung den 
Augenblick erwartet, wo es das Licht der Welt begrüfsen 
soll, so mufste der aus diesem Leben Geschiedene im 
Schofse der Erden mutter in derselben Stellung liegen, 
die er als ungeborenes Kind eingenommen, um der 
Stunde gewärtig zu sein, da ihn die höchste Macht zu 
einem neuen, besseren Leben rufen würde, welches ewig 
dauert. 
Es ist ein schöner Gedanke, den Troyon dem Brauche, 
die Toten in hockender Stellung zu begraben, zu Grunde 
legt, aber ich wage doch nicht, mich seiner Ansicht 
anzuschliefsen, weil sie eine Kenntnis der anatomischen 
Verhältnisse beim Menschen und ein philosophisches 
Denken voraussetzt, die wir bei den Neolithikern kaum 
vermuten dürfen. Ich glaube vielmehr, dafs die kühlere 
Betrachtungsweise Virchows hier am Platze ist, welcher 
sagt, dafs das Kind im Mutterleibe die zusammen 
gekauerte Lage annimmt, weil es ihm zu einer anderen 
an Raum gebricht und dafs das Bedürfnis der Raum- 
resp. Arbeitsersparnis sich auch geltend macht, wenn 
Leichen Erwachsener in Erdlöchern oder sogar Thon- 
gefäfsen beigesetzt werden. Die hockende Lage ist 
zudem manchen Völkern Asiens und Afrikas heute noch 
die bequemste und sie kehren auch liegend in dieselbe 
zurück. 
Doch sei dem, wie ihm wolle, so beweisen die 
Gräber der Steinzeit an und für sich schon den Glauben 
an eine Fortdauer des Lebens nach dem Tode. 
3. Grabhügel. Im historischen Museum Bern 
befindet sich ein Fund aus Niederried bei Aarberg. Er 
besteht aus einem prachtvollen Beil aus Chloromelanit, 
drei anderen Beilen, wovon eines nur fragmentarisch 
erhalten, und einem Schaber aus weifslichem Feuerstein. 
Diese Objekte sollen nebst Kohle und Asche in einer 
Bodenerhöhung gefunden worden sein. v. Bonstetten 
glaubt, man sehe in derselben mit Unrecht einen Grab 
hügel, da die Steinzeitgräber, die man bisher in der 
Schweiz gefunden, keinen Leichenbrand enthalten und 
in flacher Erde lägen. Man hat indessen auch ander 
wärts ähnliche Vorkommnisse beobachtet. 
Östlich von Burgdorf liegen die Gisnauflühen. Ob 
der nördlichsten derselben lagen auf dem sanft geneigten 
Terrain zwei längliche Hügel, die gegen Ende der 
siebenziger Jahre untersucht wurden. Der erste, untere 
Hügel war 35 m lang, 24 m breit und 4,5 m hoch. Vom 
oberen Hügel schied ihn ein tiefer Graben. Der zweite 
Hügel hatte eine Länge von 47 m, eine Breite von 16 m 
und eine Höhe von 1,6 m. Er war vom höher gelegenen 
Lande ebenfalls durch einen tiefen Graben getrennt. 
Bei der Untersuchung ergab sich, dafs der erste Hügel 
aus drei Schichten bestand, wovon die beiden unteren 
mit Kohlen durchspickt waren. In demselben kamen 
Feuersteinmesser, drei Silex - Pfeilspitzen und viele Ab 
fälle oder Splitter von Feuerstein ans Tageslicht, ferner 
rohe Scherben und ein Steinbeilfragment. Nahezu im 
Centrum des Hügels, also in der untersten Schicht, fand 
sich der Rest eines Steinbettes. 
Noch besseren Aufschlufs über die oben berührte 
Frage nach dem Vorkommen von Brandgräbern in der 
Steinzeit erbalten wir durch Grabhügel im Gebiete der 
zürcherischen Gemeinden Oberweningen und Schöfflis- 
dorf, auf der Egg nördlich der Lägern. Sechs derselben 
wurden von Dr. Ferd. Keller untersucht. Der erste war 
von bedeutendem Umfange, aber, gleich den übrigen, 
wenig hoch. In der Mitte des Hügels fand man Steine, 
Scherben und Kohlen; auf dem Urboden lagen die 
Überreste eines verbrannten Leichnams. Einige Stücke 
der Hirnschale seien von „Kupferoxyd“ grün gefärbt 
gewesen. „Es war dies die einzige Spur von Metall in 
all den sechs aufgedeckten Hügeln.“ Im zweiten 
Hügel kamen Kohlen und Scherben von einem etwa 15 cm 
hohen, flachbodigen Töpfchen zum Vorschein. Im dritten 
Hügel stiefs man auf eine Kohlenstätte, „in welcher sich 
verkohlte Scheite und Äste so erhalten hatten, dafs 
man ganze Stücke derselben herausziehen konnte“. Der 
vierte Hügel barg Steine, Kohlen, drei kleine Töpfe und 
zwei Feuersteinstücke. Das eine der Gefäfse zeigt das 
für unsere Kupferzeit charakteristische Schnurornament, 
das andere das Stichornament, das wir im „Kupfer 
pfahlbau“ Vinelz ebenfalls häufig antreffen. Im fünften 
Hügel kam eine Thonschale zum Vorschein; der sechste 
Hügel ergab keine Funde. 
Die Grabhügel von Oberweningen und Schöfflisdorf 
gehören offenbar dem Ende der Steinzeit an, der Kupfer 
periode. 
Wir können das Resultat unserer Untersuchung über 
die neolithischen Gräber kurz zusammenfassen und 
sagen: In der jüngeren Steinzeit wurden die Toten 
entweder in Höhlen unter Felsvorsprüngen, oder in 
kleinen Steinkisten in freier Erde begraben. Gegen 
Ende der Epoche aber kam, wenigstens in der deutschen 
Schweiz, die Sitte auf, die Leichen der „reinigenden 
Kraft des Feuers“ zu unterwerfen und über dem zu 
sammengesunkenen Scheiterhaufen einen Grabhügel zu 
errichten. 
Es spricht der Erdgeist in Goethes Faust: 
„In Lebensfluten, im Thatensturm 
Wall’ ich auf und ab, 
Webe bin und her! 
Geburt und Grab, 
Ein ewiges Meer, 
Ein wechselnd Weben, 
Ein glühend Leben, 
So schaff ich am sausenden Webstuhl der Zeit 
Und wirke der Gottheit unsterbliches Kleid!“ 
Haus und Hof der L i t a u e r. 
Von Dr. F. Tetzner. 
1. Das Wohnhaus. Das einfachste und altertüm- Dafs dieser einfachen Form eine noch einfachere 
lichste litauische Wohnhaus diesseits und jenseits der vorausging, die keine Zwischenwände besafs, ist aus 
Grenze ist dreiteilig. Das Rechteck des Grundrisses ist natürlichen Gründen anzunehmen, zumal die alten Schrift- 
der Länge nach so geteilt, dafs die Thür in der Mitte steiler, Hennenberger, Prätorius, Lepner u. A., nicht 
der Vorderseite in die Hausflur (a) führt, auf der sich ausdrücklich die Scheidewände hervorheben, die Schultz 
der Herd (b) befindet. Rechts führt eine Thür in die 1832 erwähnt. — Reinlichkeitssinn und Bequemlich- 
Wohnstube (c stuba, istuba, jizba), links eine solche keit geboten, den rauchigen Herd von der Wohnstube 
in die Kammer (d kamare, kumburis). Die Wohnstube hat zu trennen , in der die wertvolleren Hausgeräte aufbe- 
ein Fenster auf der Hausthürseite, die Kammer ist finster. | wahrt wurden. Die Vorratskammer aber mufste schon 
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Globus LXXII. Nr 16.
	        
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