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Dr. F. Tetzner: Haus und Hof der Litauer.
deshalb abgesondert werden, weil sieb in der Hausflur
zugleich das Kleinvieh aufhielt. Solche einfache Häuser
(Fig. 1) kommen noch heutigen Tages vor, im germani-
der rein litauischen Kownoer
hat Bezzenberger,
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Gegend.
der in ibm eine Ver-
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Abänderungen dieses Hauses
einigung oder Zu-
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treten frühzeitig ein. Die dunkle
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Kammer erhielt z. B. eine Ein-
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gangsthür von aufsen, später
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sich ein Koffer (k). Der mit Haken versehene Ofen ist
mit einer Ofenbank umgeben.
Eine andere Ansicht über die Entstehung des litau
ischen Wohnhauses
Fig. 1. Grundrifs des
einfachen litauischen
Wohnhauses.
(Gröfse ca. 7 X 4 m.)
a Hausflur; b Herd;
c Stube; d Kammer.
Fenster. Schliefslich wurden
durch eine Querteilung die Zim
mer einzeln nochmals geteilt und
Stuben und Kammern bekamen
mehr Fenster, vorn, seitlich,
hinten. Schliefslich wurde in
vielen Gegenden eine Vorflur
vor der Hausthür angesetzt und die Wohnseite (c in
Fig. 1), die kleiner als die andere (d) war, erscheint
meist in gleicher Gröfse. Das so entstandene neue Haus
(Fig. 2) mit oder ohne Vorflur (a 2 ) kann als heutige
Grundform des litauischen Hauses gelten, erneute Tei
lungen c und c 1 längs oder quer sind häufig (z. B.: c 2 ,
c 3 ). Von der Wohnstube (c) ist eine Kammer abgetrennt
worden. Die Vorratskammer (d) ist jetzt sogenannte
kleine Stube oder Altsitzerwohnung und der davon ab
geschiedene Teil (d 1 ) dient für die Vorräte. Der hintere
Teil der Hausflur aber ist Küche geworden. Neben dem
Herd befindet sich ein von der Küche aus zu heizender
Ofen (e), der die Wohnstube und die Kammer erwärmt,
und oft auch noch ein solcher, der die kleine Stube,
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Fig. 2. Grundrifs des geteilten gröfseren
Wohnhauses.
(Donalitius: namas, namai; Nordlit. butas;
Hochlit. namai, nama; Schani, trobas.)
a Hausflur (priemene, pryange, priesiednis);
a 1 Küche (kukne); a 2 Hausvorflur (gonkas,
prybutis, prynumis); b Ummauerter Herd (pelens);
cWohnstube (D.: stuba, Sch.: troba, H.: grynicze,
Russ.: jizba; feine Wohnstube: pakajus); e, f Ofen
(peczius), g Bett (Iowa), h Tisch (stalas), i feste
Bank (suolas), k Koffer (skrinale), 1 bewegliche
Bank (zaslanas), m Stuhl (krase), Sessel (sedelka);
c 1 Stubenkammer (uzpeezkine, bakawoje,
baksze); c 2 Fremdenzimmer (alkerus); c 3 Brot-
kämmer (czpirzarne), zugleich mit Backofen;
d Kleine Stube (prieszininke, Altsitzerstube);
d 1 Milchkammer (penene) oder Fleischkammer
(mesine).
vielleicht auch den davon abgetrennten Teil heizt. Das
Hausgerät der Wohnstube fand ich oft so verteilt, dafs
der Stubenthür gegenüber Betten (g), an der Vorder
seite aber feste Bänke (i) mit dem Tisch (h) und davor
Stühle und bewegliche Bänke standen; rechts befindet
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e 3 C
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c 2 (.
gen drei Häusern:
Rauchhaus (namas)
und Wohnhaus
(stuba) und Mahl
raum = Wirt- Fig. 3. Haffhaus,
schaftsraum (mal- a Hausflur; a 2 Halle mit Säulen; b Herd;
j \ • ii c Stube; c 1 Stubenkammer, c, c 3 Kammern;
/ 1 ' , 1 e Ofen, n Stall; o Vorratsraum, Futter-
Dieses Wohnhaus kammer; pKobe; q Vorratsraum, Schuppen,
führte in den vorigen
Jahrhunderten die Bezeichnung namas, Donalitius ge
braucht sie an erster Stelle. Wenn ich Lepner recht ver
stehe, der ein halbes Jahrhundert vor Donalitius schrieb,
meint auch er mit namas das Wohnhaus; ebenso Szyrwid
(f 1631) und die Instruktion der Kaufschulzen 1604.
Deutsch sagt die letztere dafür Rauchhaus. Der Name
ist von dem offenen Herd hergenommen, der das ganze
Haus erwärmte und, da eine Esse fehlte, — durch
räucherte. Solche Rauchhäuser als Wohnhäuser finden
sich in preufsisch Litauen heute selten, doch sind sie
nicht ganz verschwunden, besonders in den Haffgegenden
und bei den Kuren. Die pommerschen Kaschuben
haben auch daran festgehalten. Schon zu des Donalitius
Zeiten verband man indes mit dem Namen namas nicht
mehr den Begriff „Rauchhaus“, sondern „Haus“, „Ge
bäude“, „Gemach“. Gerade an den alten Tolminkemer
Häusern ist gut zu beobachten, wie zu des Dichters
Zeiten in jener Gegend aus der Einzahl namas die
Mehrzahl namai ward. Die Kultivierung Litauens
unter Friedrich Wilhelm I. und seinem grofsen Sohne
erstreckte sich über alles. Die herbeigerufenen an
reichere Ausstattung ge-
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wöhnten Deutschen, Salz
burger, Schweizer, Nas
sauer, Franzosen haben
ihr gutes Teil beigetragen,
die Häuser schmucker,
schöner, mehrteiliger zu
machen. Man ging nicht
mehr in sein Gemach,
sondern in seine Ge
mächer. Und Donali
tius gebraucht für Haus
öfter den Plural als den
Singular; der Plural
wurde herrschend. Er
war schon zuvor von
Bretkunas u. A. in diesem
Sinne für Wohnhaus an
gewendet worden. Jetzt geschieht dies noch zuweilen in
der Prökulser Gegend und in der Telscher; hier aber
meint man am liebsten damit ein Haus mit allen seinen
Anhängseln oder Anbauten und gebraucht das Wort
auch für den Begriff „Häuser“.
Im russischen Litauen hat man auch noch das Wort
namas, und da hat es die alte Bedeutung Rauchhaus
behalten. In diesem Rauchhaus befindet sich der Herd
ohne Esse. Hier wird das Viehfutter, besonders das
Schweinefutter bereitet. Fässer mit Rüben und Kar
toffeln u. dergl. stehen darin. Das Wohnhaus aber
Fig. 4. Schoner Haus,
a Tenne (klonas); b Ofen in der
Pirte; c Wohnstube; c 1 Stuben
kammer; d Dörrhaus (Pirte);
d 1 Kaff- und Spreuraum (peludis,
trakine); e Banse (galas); f Ställe.