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Gottlob Adolf Krause: Beiträge zum Märchenschatz der Afrikaner.
Das Ganz- oder Halbdunkel hat etwas Schauerliches.
Der heifse brennende Ofen mit seinem Rauch erinnert
an die Hölle (pekla), mit der man volksetymologisch den
Pikoll zusammenzubringen sucht. In den Eckbalken
der Pirtis wohnt der Weins, hier kann man ihn citieren,
am Ofen kann man ihn ans Feuer drücken. Die Klein
häuser haben die Pirte gleich im Hause (Fig. 4). Kein
Mädchen wagt sich des Nachts in das Dörrhaus. Häufig
findet sich vor dem Scheunenthor der Wagenschuppen
(pelaga).
H. Futterraum (darzine, darzinale). In preufsisch
Litauen sind Scheune und Futterraum vereint und bieten
die Tenne. In russisch Litauen ist der Futterraum
kleiner (darzinale ist Diminutivum) und dient zur Auf
bewahrung von Klee, Heu, Stroh.
J. Stall (twartai). Ein einzelner kleiner Stall heifst
jetzt noch twartas, welchen Ausdruck Donalitius im Sinne
einer einfachen Umzäunung oder Hürde, eines Flecht
werkes für Kleinvieh gebraucht. In Samogitien bezeichnet
twartai die Gesamtheit der Stallungen, wie trobas die
der Gemächer. Der Grundrifs gleicht der einer afrika
nischen Tembe, deren Hofraum hier der Düngerraum
(laidaras) bildet. Die eine Seite beherbergt die Pferde,
die andere die Kühe, die dritte Kleinvieh, das in D nicht
untergebracht ward, die vierte Seite enthält Futter und
Wirtschaftsgegenstände.
Beiträge zum Märclieiischatz der Afrikaner.
In Afrika ges ammelt und aus afrikanischen Sprachen übersetzt
von Gottlob Adolf Krause.
II.
II. Vier Märchen der Haussawa.
1. Das Märchen von Auta, dem Nesthäkchen.
Das ist das Märchen von einem Manne und einer
Frau, welche zwei Kinder hatten, einen Jungen und
ein Mädchen. Das Mädchen hiefs Tafari 14 ), der Knabe
Auta 15 * ).
Sie lebten lange zusammen, bis der Vater eines Tages
von einer tödlichen Krankheit befallen wurde. Da rief
er seine Frau zu sich.
„Wenn ich tot sein werde“, sagte er zu ihr, „so
bringe diesen Knaben nicht zum Weinen, denn siehe,
ich habe grofse Reichtümer.“
Der Vater starb. Man lebte wieder lange bei
sammen, bis auch die Mutter von einer tödlichen Krank
heit ergriffen wurde.
„Wenn ich tot sein werde“, sagte sie zur Tochter,
„so bringe diesen Knaben nicht zum Weinen.“ Darauf
starb sie.
Einige Zeit danach machte der Knabe „ihing“ 1G ).
„Was giebt es, Auta?“ fragte sie ihn.
„Ich will alle Rinder meines Vaters schlachten“,ant
wortete er.
„Was willst du mit ihnen machen?“
„Ich will ihr Fleisch den Leuten geben.“
„Und wir? Weifst du denn nicht, dafs wir dann
keine Milch zum Trinken und kein Fleisch zum Essen
haben werden?“
„Und du, weifst du denn nicht, was Mutter und
Vater sagten, als sie im Sterben lagen? Sie sagten, du
solltest mich nicht zum Weinen bringen.“
„Es ist gut. Schlachte nur.“
Er schlachtete nun alle Rinder und verteilte ihr
Fleisch. Einige Tage später wollte er wieder zu weinen
anfangen. Auf ihre Frage, was er wünsche, sagte er
ihr dasselbe inbetreff der Kamele und dann schlachtete
er alle Kamele seines Vaters. Wieder fing er an zu
weinen und verbrannte die Geldspeicher 17 ).
Es dauerte nicht lange und er machte wieder „ihing“.
„Was giebt es“, fragte sie.
„Ich will die Getreidespeicher verbrennen.“
„Was werden wir dann essen?“
14 ) Das ist „die erste“.
l0 ) Das ist „der letzte“.
lü ) Nachahmung des Lautes, den Kinder ausstofsen, wenn
sie zu weinen anfangen wollen.
17 ) Kaurimuscheln.
„Weifst du denn nicht, was Mutter und Vater vor
ihrem Tode sagten ? Sie sagten, du solltest mich nicht
zum Weinen veranlassen.“
„Fs ist gut“, sagte sie.
Als es Nacht geworden war, öffnete sie einen Speicher,
nahm ausgedroschenes Getreide weg und verbarg
es in einem hohlen Affenbrotbaume. Am nächsten
Morgen verbrannte er das übrige vollständig.
Wenn er in der nächsten Zeit ausgegangen war, um
spazieren zu gehen, ging sie, nahm ein wenig Getreide
und machte daraus das Essen zurecht, das sie ihm vor
setzte, wenn er nach Hause kam. Das dauerte eine
Weile, dann fiel es ihm auf und er fragte sie eines
Tages:
„Woher erhältst du denn das Getreide?“ sagte er.
„Ich mahle für die Leute und als Lohn geben sie
mir eine Handvoll Mehl. Daraus mache ich das Essen.“
„Ich habe aber in diesem Hause keine Spur vom
Mahlen gesehen.“
„Wenn du ausgegangen bist, gehe ich zu den anderen
und mahle dort.“
„So ist es“, erwiderte er.
Als es Nacht geworden war, nahm er Asche und
band sie in ihr Tuch (Kleid) und machte dann eine
kleine Öffnung in dasselbe. In derselben Nacht noch
ging sie aus, um Getreide zu holen, da sie fürchtete, er
würde am nächsten Morgen nicht ausgehen wollen.
Während sie ging, rieselte die Asche aus dem Tuche
heraus bis hin zum hohlen Affenbrotbaume.
Am nächsten Morgen folgte er der Aschenspur bis
zum hohlen Affenbrotbaume. Hier sah er das Getreide
und kehrte zurück zu ihr und wollte anfangen zu
weinen.
„Was denn“? fragte sie.
„Ich will das Getreide im hohlen Affenbrotbaume
verbrennen.“
„Weifst du denn nicht, dafs wir dann sterben müssen?“
„Und weifst du denn nicht, dafs Mutter und Vater
zu dir gesagt haben, du solltest mich nicht zum Weinen
bringen?“
„Es ist gut. Verbrenne es!“
So verbrannte er es. Darauf sagte sie, dafs sie nicht
mehr in dieser Stadt bleiben könnten. Sie brachen auf
und gingen nach einer anderen Stadt und stiegen in
einem Hause ab. Die Leute des Hauses waren auf das
Feld gegangen und Tafari folgte ihnen dahin, um ihnen
zu helfen, damit sie ihr Lohn gäben. Zu Auta sagte