Gottlob Adolf Krause: Beiträge zum Märebenschatz der Afrikaner.
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4. Das Märchen vom Schakal 36 ).
Das ist das Märchen vom Schakal, welcher einem
Haushunde begegnete.
„Hund“, sagte er zu ihm, „was habt ihr denn eigent
lich bei den Menschen gefunden, seit ihr mit ihnen zu
sammen im Hause wohnt?“
„Vielerlei Schlauheit haben wir erhalten“, antwortete
der Hund.
„Wieviel Schlauheiten besitzest du?“ fragte der
Schakal.
„Meine Schlauheiten“, erwiderte der Hund, „von
denen eine von der anderen verschieden ist, sind im
ganzen zwölf. Wenn du in die Enge getrieben wirst
und wendest irgend eine von ihnen an, so bist du in
Sicherheit.“
„Oh! du hist glücklich“, sagte der Schakal. „Was
uns betrifft, so leben wir draufsen im Walde und faul
lenzen. Ich habe nur eine einzige Schlauheit.“
„Du hast also gar nichts“, versetzte der Hund ver
ächtlich.
Seitdem war längere Zeit vergangen. Eines Tages
sah der Schakal den Haushund.
„Hund“, sagte er zu ihm, „gehen wir und lassen
wir uns wahrsagen, damit wir die Neuigkeiten der Welt
erfahren und wissen, woran wir sind.“
Der Hund stimmte zu und sie gingen in einen
dichten Wald. Indem sie sich durch kleine lichte
Stellen hindurchzwängten, gelangten sie vor eine Woh
nung. Der Ort war dicht mit Knochen besäet. Mit
Mühe gelang es ihnen, hindurchzukommen und in eine
kleine Empfangshütte einzutreten, in der Schaffelle zum
Sitzen auf der Erde ausgebreitet waren und kleine
Bücher umherlagen. Der Malam 37 ), welcher der Besitzer
derselben war, hatte sich in das Innere der Wohnung
zurückgezogen.
„Wir bleiben hier, bis er herauskommt“, sagte der
Schakal. Als sie eine Zeitlang gewartet hatten, kam
eine kleine Hyäne und sagte: „Oh! der Malam hat
Gäste erhalten“, und setzte sich. Dann kam eine andere
und noch eine und so fort, bis es gegen zwanzig kleine
Hyänen waren. Der Hund fing an zu zittern, als die
Hyänen immer zahlreicher wurden und ihm näher auf
den Leib rückten.
Endlich kam der Malam heraus. Welche Über
raschung ! Eine Hyäne war der Malam. Der Hund
sah die Hyäne und die Hyäne sah den Hund. Der
Hund hatte grofse Furcht.
„Hund“, sagte der Schakal, „heute ist der Tag der
Schlauheiten.“
„Weisst du es nicht“, entgegnete der Hund, „für
mich giebt es heute nur zweierlei: Furcht und Weinen 38 ).“
„Willkommen zum Essen 39 )!“ sagte der Malam zu
ihnen.
„Wir sind gekommen, Malam“, sagte der Schakal,
„um uns wahrsagen zu lassen.“
„Es ist gut“, erwiderte der Malam und sah nach.
„Wohlan“, fuhr er nach einer Weile fort, „die Neuigkeit
hat sich gefunden.“
„Nun, was für eine ist es?“ fragte der Schakal.
„Hier ist die Thür zum Hereinkommen, aber es
fehlt die zum Hinausgehen.“
3G ) Oder Wildhund, im Haussa „dila“.
37 ) Priester oder Gelehrter. Der Schakal führt den Bei
namen „malamin dadschi“, d. i. der Priester des Waldes.
38 ) Das Original drückt sich etwas anders aus. Es scheint,
dafs hei den Afrikanern die peristaltische Darmbewegung
durch plötzlichen Schreck und grofse Furcht so stark erhöht
wird, dafs die Wirkung sich unmittelbar geltend macht.
39 ) d. h. zum Gegessenwerden.
„Sage uns noch mehr Neuigkeiten“, fuhr der Scha
kal fort.
„Hier ist der Tod, aber es fehlt die Pflege.“
„Nun!“ sagte der Schakal, „Gott verdamme den
Hund! Siehst du“, wandte er sich dann an diesen, „du
wolltest nicht auf das hören, was ich dir sagte. Jetzt
aber haben wir eine Neuigkeit vollständig erhalten.“
„Was hast du zu ihm gesagt?“ fragte der Malam.
„Ich sprach von den dreifsig Ziegen, die wir für
dich mitgebracht haben. Ich sagte, wir wollten sie
gleich mitbringen, der Hund aber sagte, wir sollten sie
noch etwas Zizyphus 40 ) fressen lassen.“
„Bringt sie schnell her!“ sagte der Malam.
„Hund“, sagte der Schakal, „steh auf und hole sie!“
Der Hund ging fort und gelangte ins Freie. Er lief
so schnell, wie er konnte. Man sah nur Staub. Dann
wurde es ganz still.
„Der Hund bleibt aber lange aus“, sagte endlich der
Malam.
„Es wird das Beste sein, wenn du ihm nachgehst“,
erwiderte der Schakal.
Der Malam erhob sich und ging hinaus und auch
er fing zu laufen an. Der Schakal wartete eine Weile,
dann ging auch er hinaus und lief eilig auf einem
anderen Wege davon, bis er mit dem Hunde wieder
zusammentraf.
„Aber du hast viele Schlauheiten“, sagte der Hund
zum Schakal, „das sind mehr als tausend.“
Der Schakal wälzte sich vor Lachen und lachte
laut auf.
„Das ist ja nicht wahr“, sagte er abwehrend, „weisst
du es denn nicht, das hier war nur eine. Die vielen
hast du.“
Da schämte sich der Hund und lief davon.
III. Ein Märchen der Dagbamba.
Das Märchen vom Chamäleon und der Spinne.
Dies sind Märchen. Es war ein Chamäleon und
eine Spinne, ihre Stadt war die gleiche. Nun hatte das
Chamäleon eine Feldhacke, welche das Feld sehr schnell
beackerte. Wenn es dieselbe zur Hand nahm, so konnte
es das Ackern von fünf Tagen an einem einzigen Tage
ackern 41 ). Man wunderte sich darüber.
Nun besafs der König eine sehr schöne Jungfrau.
Er rief alle Bauern zusammen und sagte ihnen, dafs sie
an dem und dem Tage sich einfinden sollten, um sein
Feld zu bestellen. Wer von ihnen am meisten ackern
würde, der sollte die Jungfrau erhalten.
Als die Spinne das gehört hatte, ging sie nach
Hause, schlich sich zum Chamäleon und stahl dessen
Erdhacke und verbarg sie.
Nun kam der festgesetzte Tag heran und alle gingen
auf das Feld, um zu ackern, nur die Spinne blieb zu
Hause. Ob sie denn nicht auch aufs Feld ginge, wurde
sie von allen gefragt. Sie sagte, sie sollten das nur
sein lassen und ackern gehen; wenn sie sich erheben
würde, dann würde sie mehr ackern, als die anderen alle.
Als nun die Sonne in der Mitte des Himmels stand,
erhob sich die Spinne, nahm die Feldhacke und ging
aufs Feld. Weit hinter den anderen zurück bückte sie
sich und fing an zu hacken. Schnell erreichte sie die
anderen, sie überholte sie und hackte weiter, bis das
Feld zu Ende war. Das Chamäleon hatte bekannt
40 ) Im Haussa „magarija“.
41 ) Dieser Anfang lautet im Dagbanne so:
Solma mbongo. Gumakjugu ni patinara butinga jini.
Ka gumakjugu mala okuli; ka di kora joma joma. Oji
zangli oniko daba anu kobu dalia jini.