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Glaves Reise vom Tanganjikasee zum Kongo.
Fig. 15. Sklavenknabe (westlich vom Tanganjikasee) auf
einem geschnitzten Stuhle. Dabei ein Fetisch.
Photographie von Glave.
den Eingeborenen, die er als Wachenzi, Wilde, be-
zeicbnete.
Am Neujahrstage 1895 ward der Lulindi erreicht,
ein Nebenflufs des Kongo. Hier beobachtete Glave zu
erst, dafs die Eingeborenen ihre Messer in
Lederscheiden an der rechten Schulter
trugen. Flinten waren noch selten, dagegen
Speere häufig. Her nächste Ort, der be
treten wurde, war Alt-Kasongo, das in
Ruinen liegt. Einst war es die blühende
Hauptstadt der arabischen Sklavenhändler,
wenig östlich vom Kongo auf zwei Hügeln
gelegen, die durch ein Thal getrennt waren.
Ringsum dehnten sich ungeheure Pflan
zungen aus; hierher strömte das meiste
Elfenbein Mittelafrikas, ungeheure Sklaven
scharen, und hausten reiche Araber. „Amost
important town, certainly the largest I have
yet seen in Africa“, schreibt Glave. Jetzt
lagen die aus Luftziegeln errichteten Häuser
und Harems der Araber in Ruinen, längs
einer 10 m breiten Strafse, die nun aber
schon mit Gras und Kraut verwachsen war.
Nur wenige Leute lebten noch hier; alles
ist fortgezogen nach Neu-Kasongo, das
vier Stunden weiter westlich von den Bel
giern angelegt wurde. Diese schon 15 000
Seelen, fast lauter Sklaven, zählende Stadt
wurde am 3. Januar betreten und damit war
der Kongo - Lualaba erreicht. Sie scheint
tüchtig aufzublühen und hat einen regen
Marktverkehr. Glave verfolgte das rechte
oder östliche Ufer des Stromes und gelangte
bald nach dem auf baumloser Ebene stehen
den , zuerst durch Livingstone bekannt ge
wordenen Nyangwe, wo ihm eine grofse
Herde langhörniger Rinder auffiel, die durch
die Belgier eingeführt waren. Alles war
hier in bester Ordnung, namentlich die
schönen Pflanzungen und auf einer kleinen
Insel im Kongo waren fünf Hektar mit Reis
bepflanzt. Der Markt war gut besucht; in einem
Monat gelangten 15 Tonnen Kautschuk zur Einlieferung,
auch viel Elfenbein wurde eingebracht und in hohen
Tragkörben schleppten die Eingeborenen die in der
Nähe fabrizierten Töpferwaren herbei (Fig. 16).
So sehr nun auch Glave die Fortschritte lobt und
anerkennt, welche das weite Land zwischen dem Tan
ganjikasee und dem Kongo unter der Herrschaft der
Belgier erfahren hat — er läfst zumal die katholischen
Missionen in einem hellen Lichte erscheinen —, so fehlt
es doch nicht an Schattenseiten. Ohne Brutalität scheint
es auf keiner Station abzugehen, das Prügeln ist überall
eingeführt und auch anderwärts sind überall Anzeichen
eines rohen Auftretens gegen die Eingeborenen zu Tage
getreten. Wie weit dieses nötig und durch die Um
stände geboten, soll hier nicht berührt werden. Aber
die Thatsachen müssen zur Kennzeichnung der Zustände,
wie sie jetzt herrschen, mitgeteilt werden. Das Schlimmste
von allemist das Auftreten der schwarzen Sol
daten im Dienste des Kongostaates, hier steht also
Neger gegen Neger. Undaus welchem Holze diese Truppe
im allgemeinen geschnitzt ist, ergiebt sich auch aus der
kürzlich aus der Region des Weifsen Nils bekannt ge
wordenen Rebellion derselben gegen ihre weifsen Herren.
In Rua, westlich vom Tanganjika, erfuhr Glave, wie
der Stationsvorsteher von Kabambarre „Sklaven be
freite“. Sie werden aus ihren Dörfern geholt und auf
die Stationen verteilt, wo sie Soldaten werden oder Ar
beiten leisten müssen. Von ihren Familien weggerissen
und gefesselt, weil sie sonst entlaufen wären, zwang
man sie zum Militärdienst, während die elternlosen
Kinder dann den Missionen zur Erziehung überlassen
Fig. 16. Verkäufer von Töpferwaren auf dem Markte
von Nyangwe.