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Bücherschau.
Biicherscliau.
Prof. Dr. G. Yolkens: Der Kilimandscharo. Darstel
lung der allgemeinen Ergebnisse eines fünfzehnmonatigen
Aufenthalts im Dschaggalande. Mit 11 Yollbildern, 28 Text
bildern uud 1 Karte. Berlin, Geographische Verlagshand
lung Dietrich jBeimer, 1897.
Der Verf. des vorliegenden Buches hat 1893 mit dem
Geologen Dr. Lent die deutsche wissenschaftliche Station am
Kilimandscharo (Marangu) gegründet und im Aufträge der
preufsischen Akademie der Wissenschaften 15 Monate lang
im Kilimandscharogebiet botanische Studien betrieben. Das
Schwergewicht des Buches liegt deshalb in den Schilderungen
der dortigen Vegetationsverhältnisse, aber daneben enthält es
eine solche Fülle von feinen Beobachtungen und treffenden
Urteilen anderer Art, dafs fast jede Hüifswissenschaft der
Geographie daraus Bereicherung schöpfen kann. Am wenig
sten gewinnt aus dem Buch vielleicht die Geologie und
Geodäsie für die Kenntnis des Kilimandscharogebietes und
Ostafrikas überhaupt, aber diese Disciplinen waren ja das
eigentliche Arbeitsfeld des Dr. Lent, dessen Arbeiten, nach
allem, was wir davon kennen, die des Prof. Volkens auf das
glücklichste ergänzt haben würden, wenn Lent ein längeres
Wirken in Ostafrika beschieden gewesen wäre: Er wurde im
September 1894 in der Kilimandscharolandschaft Bombo von
den Eingeborenen ermordet, als Volkens bereits nach Europa
zurückgekehrt war. Es ist eine der schönsten Stellen im
Volkensschen Buch, wo der Verf. dem verlorenen treuen
Kameraden einen warmherzigen Nachruf widmet (S. 177).
Doch geht auch im Volkensschen Buch unser Wissen
vom geologischen und orographischen Bau des Kilimandscharo
nicht leer aus. Mit am wichtigsten in dieser Beziehung ist
seine Beschreibung eines grofsen „runden Seitenplateaus“,
das Volkens mit Lent und Leutnant Johannes in 3400 m
Höhe am Nordwestfufs des Kibo entdeckt hat. Nach seiner
Darstellung scheint es mir unzweifelhaft, dafs dieses „runde
Seitenplateau“ als ein dritter grofser Krater des Kilima
ndscharo anzusehen ist, der mit dem Kibo und dem Mawensi auf
einer Eruptionsspalte steht. Die zweite für die Orographie
des Gebirges sehr wichtige Mitteilung bezieht sich auf die
von mir so benannte „Schirakette“ im Westen des Kilima
ndscharo. Während ich nämlich von Süden, von unten her
diese langgestreckten steilen Bergwände als einen selbständigen
Höhenzug angesehen hatte, fanden die drei Beisenden, die
von Norden her kamen, dafs es nur ein ungeheurer einseitiger
Absturz von 2000 m und mehr Höhe ist, der oben unmittel
bar in die westlichen Gelände des Kilimandscharo übergeht.
Ich habe nach der Volkensschen Schilderung den Eindruck,
dafs wir es hier mit einer riesigen jüngeren Bruchbildung
zu tliun haben, und dafs mit ihr in genetischem Zusammen
hänge die grofse, von mir entdeckte Westkluft des Kibo-
kegels steht.
Aus dem Fufs der letzteren sah ich von Madschame aus
einen grofsen Gletscher herauskommen, und da ich vom
Kibogipfel die Eisströme des Gipfelkraters in den Oberteil
der Westkluft münden sah, durfte ich annehmen, dafs der
grofse Gletscher am Fufse der Kluft aus jenen regeneriert
sei. Volkens sah nun die Steilwände der Kluft selbst eisfrei,
und wohl deshalb behauptet er, obwohl er den Fufs der
Kluft nicht gesehen hat, dafs der von mir dort gesehene
grofse Gletscher nicht vorhanden sei. Darin irrt er; die
Sache ist vielmehr offenbar so, dafs das Eis des Gipfelkraters aus
etwa 5800 m Höhe in die Schlucht mündet, über die steilen
Wände, wo es sich nicht halten kann, hinabstürzt und unten
zu einem neuen Gletscher regeneriert, der, vermehrt durch
die Firnmassen des Schluchtkessels, am Fufs der Kluft nach
Süd westen heraustritt, wo er tiefer bergab reicht als alle
übrigen Gletscher des Kilimandscharo. Dies zeigt auch eine
von mir am Fernrohr ausgeführte Zeichnung deutlich.
Unter Volkens botanischen Untersuchungen sind für die
Geogi'aphie des Kilimandscharo besonders wertvoll alle die,
welche sich auf die Gliederung der Vegetationszonen und ihre
physiologische Beschaffenheit beziehen. Dahin gehört z. B.
seine lebendige Schilderung des oberen Kilimandscharo
urwaldes, in dem er nur den in extremer Klimazone stehen
gebliebenen altersschwachen Best eines vormals weit nach
unten ausgedehnten und dort von den Eingeborenen ausge
rotteten Gürtelwaldes sieht (S. 298 ff.); dahin gehört seine
treffende Unterscheidung des Steppenlandes in Grasflur, Obst
gartensteppe , Akaziensteppe, Dumsteppe, Strauchsteppe,
Suaedasteppe, je nach den vorwiegenden Charakterpflanzen
(S. 260 ff.); dahin die klare Auseinandersetzung über den
Ackerbau der Eingeborenen und über die Aussichten für
europäischen Plantagenbau, von welchem wegen der vor
herrschenden Bevölkerung und der ungleichmäfsigen Tempe
ratur alle specifisch tropischen Pflanzen, wie Kakao, Tabak,
Pfeffer, Zimmt, Vanille, Kaffee, Zuckerrohr, Baumwolle etc.
von vornherein ausgeschlossen sind (S. 110 ff.).
Nicht minder richtig und wohlbegründet ist das Urteil
des Verfassers über den verliältnismäfsig geringen wirtschaft
lichen Wert unseres ganzen ostafrikanischen Schutzgebietes
im Vergleich mit unserer Kamerunkolonie (S. 367 ff.), über
die sehr wichtige Transport- und Verkehrsmittelfrage, bei
deren Erörterung er sich mit Becht gegen kostspielige Bahn
bauten ausspricht, die wegen der in der Klima- und Boden
beschaffenheit liegenden Unmöglichkeit des Anbaues wert
voller Massenprodukte unrentabel bleiben müssen, und ebenso
richtig den Betrieb mit Lasttieren empfiehlt (S. 365 ff.). Sehr
bemerkenswert und zutreffend ist ferner das Urteil des Verf.
über den Charakter und die notwendige Behandlungsweise
der Wasuaheli (S. 53 ff.), über den Unterschied in der
Tliätigkeit der protestantischen und katholischen Missionen,
von denen die ersteren in idealem Sinne das Hauptgewicht
auf das „Predigen des Wortes“, die letzteren in zweck-
mäfsigerer Weise auf die „Erziehung zur Arbeit“ legen
(S. 105 ff.), über die Politik, die wir am Kilimandscharo zur
Aufrechterhaltung der Ordnung und Schaffung eines höheren
Kulturstandes einzuschlagen haben (S. 72, 132) und anderes
mehr.
Es klingt wie ein Kuriosum, erweckt aber doch ernst
hafte Bedenken, wenn Volkens mitteilt, dafs beim Bau der
neuen Militärstation in Moschi allein für den Transport der
Wellblechplatten von der Küste zum Kilimandscharo 50 000 M.
Trägerlohn bezahlt worden sind. Der deutsche Beichssäckel
ist freilich grofs, aber eine nutzbringendere Verwendung jener
Summe hätte gerade in Ostafrika sehr nahe gelegen.
Am wenigsten erfreulich an dem Volkensschen Buch ist
seine Karte. Sie ist, wie eine Kritik in der Münchener All
gemeinen Zeitung sagt, „lediglich ein Auszug, eine etwas
schematisch gezeichnete Kopie der Meyerschen Karte im
selben Mafsstab von 1:250 000“. Zudem enthält sie keine
einzige Höhenzahl. Aber auch von den im Volkensschen
Text beschriebenen orographischen Berichtigungen und Neu
heiten ist auf der Karte nichts zu finden, mit Ausnahme des
„grofsen Seitenplateaus“ im Nordwesten und einer An
deutung der Verwerfung oberhalb Schira. Diesem Mangel
sollte doch bei einem Neudruck in erster Linie abgeholfen
werden.
Die Abbildungen in dem Buche sind fast alle sehr gut;
am besten wohl die Darstellungen der Charakterpflanzen der
verschiedenen Vegetationszonen (S. 91, 98, 165 ff.), am wenig
sten gut die Zeichnungen des nördlichen Mawensi und des
nordwestlichen Kibo, die viel zu stark überhöht sind und gar
keine Vorstellung von der majestätischen Grofsartigkeit
dieses Hochgebirges geben. Einfache Konturzeichnuugen
wären hier viel zweckmäfsiger gewesen. Vorzüglich ist das
Kuhnertsche Titelbild und die Wiedergabe des energievollen
Porträts des Dr. Carl Lent (S. 56).
Die ganze Ausstattung des Buches ist bei dem billigen
Preise so tadellos, wie man es von den Verlagswerken der
Dietrich Beimersclien Buchhandlung gewöhnt ist.
Leipzig. Dr. Hans Meyer.
Siegfried Gentlie: Der Persische Meerbusen. Ge
schichte und Morphologie. Inaug.-Dissert. Marburg, 1896.
Mit einer Tiefenkarte und zwei Tafeln.
Diese Abhandlung über ein Meeresgebiet, welches in den
gangbaren Handbüchern der Länder- und auch der Meeres
kunde in mancher Hinsicht vernachlässigt erscheint, ist
zweifellos eine ungewöhnlich sorgfältige und tüchtige Leistung
und mit um so gröfserer Freude zu begrüfsen, weil der Verf.
nicht allein als durchgebildeter Geograph sich erweist,
sondern auch gleichzeitig infolge jahrelanger philologischer
Studien und Beisen nach dem Orient die in hohem Grade
hier eine Bolle spielende sprachliche und historische Seite
des Gegenstandes zu beherrschen vermag.
Beferent möchte die Leser des „Globus“ auf Abschnitt I
hinweisen, in welchem in interessanter Weise die Welt
stellung und die handelsgeschichtliche Bedeutung des
Persischen Golfes dargestellt wird; man liest iin Zusammen
hang , wie von den ältesten Überlieferungen der Menschheit
an dies Meeresgebiet eine ungemein wichtige Stellung im
Verkehr zwischen Indien und dem Mittelmeer einnahm, wie
die Araber im Altertum die wirtschaftlichen Beherrscher