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Aus allen Erdteilen.
es lesen würden, und niclit nur die Männer von Fach, Philo
sophen und Ethnologen, wie es doch wahrscheinlich der Fall.
Man bedauert, wie solche Weisheit verloren geht, kurze Zeit
von Gelehrten gelesen und angezweifelt, uni dann die riesige
Gebirgskette der genialen Meinungen und tiefen Ansichten
zu erhöhen, fast ohne Nutzen, ohne positive Förderung. Ob
dies nicht auch ein bischen mit der Methode des Buches
zusammenhängtV Selbst keine strenge Forschung, schliefst es sich
nicht bei dieser an und wird von ihr vielleicht vernach
lässigt, allgemeine, geniale Betrachtungen aber hat man so
viele, dafs die einzelnen nicht beobachtet werden. Merk
würdig ist es, dafs Yierkandt den ihm ähnlichen Franzosen,
den bekannten geistreichen Tarde, nie anführt. Ich erlaube
mir übrigens, auf das von mir im zweiten internationalen
Sociologenkongrefs in Paris Gesagte zu verweisen (Annales du
2. Congrès, 1896).
Ergreifend manchmal ist, was" Yierkandt über die Eigen
schaften und die Gebrochenheit der Vollkultur sagt; man
sollte es in sich aufnehmen und tief überlegen. Schade, dafs
er auf die Frage der Zukunft dieser Vollkultur nur wenig
eingeht. Was kommt nach ihr? wird sie eAvig dauern? Ist
diese starre Zweiteilung der Kultur nicht ein wenig eng und
gefährlich ?
Mehr Baum für die Zukunft würden wir erhalten haben,
wenn der Verfasser sich die dynamische oder genetische, und
nicht nur die statische Seite der Probleme hätte angelegen
sein lassen. Die Entstehungsgeschichte der Kultur hätte uns
wohl über ihre Zukunft belehrt. Die Kulturzustände der
unteren Klassen der Kulturvölker werden nur gelegentlich
beleuchtet, sie gehören zwar der Kultur nicht an, aber sie
stehen doch in einem eigentümlichen Verhältnisse zu ihr,
welches beide nicht unbeeinflufst läfst. Schade, dafs der Ver
fasser nur so wenig darüber mitteilt.
Diese Einseitigkeiten des vortrefflichen, tiefen Buches be
ruhen wohl alle darauf, dafs es Abstraktionen, Typen be
handelt, deren Gewinnung dem Leser nicht vorgeführt wird.
Der ganze Begriff der Kultur ist nicht frisch aus der Wirk
lichkeit gewonnen, sondern ist vielmehr ein philosophisches
Schema. Der Verfasser prüft zwar seine Schablonen an der
Wirklichkeit, aber das ist noch etwas anderes, als aus den
Thatsachen und nur aus denselben Generalisationen abzuleiten.
Das Buch ist tief gedacht, in hohem Grade anregend,
aber zu sehr philosophisch, zu wenig positiv. Der Verfasser
verspricht uns im Vorwort weitere Ausführungen über das
selbe Thema, hoffentlich wird dieses Versprechen in nicht zu
langer Zeit erfüllt. Denn, obwohl nicht ganz zufrieden,
sind wir ihm dennoch sehr dankbar. Das Buch sollte von
keinem Ethnologen und Sociologen ungelesen bleiben.
Haag, Holland. S. Budolf Steinmetz.
A. Kellen: Malmedy und die preufsische Wallonie.
Essen a. d. Buhr, Fredebeul u. Koenen, 1897.
Wiederholt hat der Verfasser das an der belgischen
Grenze gelegene Malmedy besucht, für dessen Entwickelung
als Badeort gegenüber dem benachbarten Spa er warm ein-
tritt. Er giebt geschichtliche Nachrichten über die früher
zur Abtei Stablo gehörige, seit 1815 preufsische Stadt, schil
dert deren anmutige Umgebung und gewerbliche Thätigkeit
und behandelt ausführlicher und unparteiisch die nationalen
Verhältnisse des wallonischen Ortes, welcher der östlichste
Ausläufer des wallonischen Sprachgebietes ist. In der älteren
Litteratur über die Wallonie ist der Verfasser gut zu Hause;
mit Becht werden die vielfach unrichtigen Schilderungen des
Belgiers Descamps gegeifselt, jene des Franzosen Henri Gaidoz
hervorgehoben. Das Verhältnis zwischen Deutschen und
Wallonen ist ein durchaus friedfertiges in Malmedy. Neben
ihrem wallonisch lernen die Einwohner französisch und
deutsch; die beiden Zeitungen des Städtchens erscheinen in
französischer Sprache, bringen aber auch deutsche Ankün
digungen; mit den wallonischen Vereinen in Belgien unter
halten jene in Malmedy rege Verbindung. Die Amtssprache
ist durchweg deutsch, auch im Gemeinderat, wo aber auch die
Mitglieder gelegentlich französich oder wallonisch reden. Die
Protokolle sind nur deutsch. Die deutsche Sprache ist im
Zunehmen; seit 1869 besteht ein deutsches Progymnasium;
die Volksschulen sind deutsch.
Nur flüchtig berührt der Verfasser die statistisch-nationalen
Verhältnisse, die doch wesentlich zur richtigen Beurteilung
der beiden Nationalitäten beitragen, und die auf S. 24 mit
geteilten Ziffern über die Wallonen stimmen nicht mit den
amtlichen Angaben. Auch Dronke in seinem Aufsatze über
die preufsische Wallonie (Ausland 1890), welcher Kellen ent
gangen ist, hat keine näheren Angaben, die aber seit 1827
vorhanden sind. Es läfst sich danach sagen, dafs die Zahl
der wallonisch redenden Preufsen nur in sehr geringem
Mafse, jedenfalls bedeutend weniger als die deutsche Bevöl
kerung zugenommen hat. Die Zahl der Wallonen im Begie-
rungsbezirke Aachen betrug damals 9859, wobei auch die
aufserhalb der Wallonie lebenden mitgerechnet sind. Im Jahre
1861 hatte das geschlossene wallonische Gebiet (3 Quadrat
meilen) 10 738 Einwohner, unter denen 886 Deutsche wohnten.
Im ganzen preufsischen Staate lebten am 1. Dezember 1890
11 058 Wallonen, von denen aber etwa 1200 aus Belgien
stammten. Der Kreis Malmedy zählte 9090 Wallonen und
im geschlossenen wallonischen Sprachgebiete (Stadt Malmedy
und 11 Dorfgemeinden) wohnten von diesen 8969. Die schul
statistischen Aufnahmen der Jahres 1891 zeigen eine langsame
Zunahme der deutschen Sprache. B. Andree.
Prof. l)r. W. Detmer: Botanische Wanderungen in
Brasilien. Beiseskizzen und Vegetationsbilder. Leipzig,
Veit u. Co., 1897.
Der Wert dieses Buches liegt in den Vegetationsbildern,
die der Verfasser, Professor der Botanik in Jena, selbstver
ständlich mit voller Sachkenntnis, aber auch mit Liebe und
in einer dem Nichtbotaniker verständlichen Form entwirft.
Was die tropische Vegetation von Bahia im Norden bis San
Paulo und Espirito-Santo im Süden an der brasilianischen
Ostküste darbietet, ist geschildert worden. Dabei sind auch
die wichtigen Kulturpflanzen und ihre wirtschaftliche Be
deutung nicht aufser Acht gelassen. An diesen Kern des
Buches schliefsen sich Schilderungen von Land und Leuten,
wie sie der Verfasser auf seiner Fahrt in den gröfseren
Küstenstädten sowie einigen Ausflügen in das Innere kennen
lernte. H. V.
Aus allen Erdteilen.
Abdruck nur mit Quellenangabe gestattet.
— Der Feldzug der englischen Niger-Kompanie gegen
Nupe und Ilorin (vergleiche Globus, Bd. 71, Nr. 6, S. 96)
hat einige spärliche geographische Früchte getragen;
Leutnant Seymour Vandeleur, ein Teilnehmer der
Expedition, berichtete darüber in der Londoner Geograph.
Gesellschaft am 31. Mai. Bekanntlich begann der Marsch
der 500 Mann Truppen und 900 Träger unter Major Arnold
am 6. Januar 1897 von Lokodja am Niger in nordwestlicher
Biclitung über Sura nach Kabba. Die Gegend ist wellig,
oft von engen Thälern durchschnitten und von dichten
Wäldern bedeckt, und erhebt sich bis zur Höhe von 520 m
ü. d. M. Das Klima erwies sich im Gegensatz zu der Fieber
luft an der Küste ungemein erfrischend und gesund. Süd
östlich in der Nähe von Kabba zeigt sich der Boden sehr
fruchtbar und gut angebaut mit Tabak, Yams und Baum
wollstauden. Kabba selbst zählt kaum 5000 Einwohner. Von
hier aus ging es über eine niedrige Wasserscheide hinab zum
Niger, nach Egbom (nahe östlich von Igbagi auf der Kiepert-
schen Karte von Äquatorialwestafrika). Nördlich von dieser
Strecke des Nigers dehnt sich eine dichtbevölkerte Landschaft
mit sanften Erhebungen aus, ein geradezu ideales Schlacht
feld. Überraschend ist der Anblick der Stadt Bi da. Hohe
Wälle umschliefsen einen Wirrwarr von engen Strafsen, aus
denen sich mächtige Moscheen, Schulgebäude und Bibliotheken
erheben. Die Bewohner verfertigen berühmte Lederarbeiten
(Sättel, Säbelscheiden und Pantoffeln) und verstehen sich
sogar auf Glasindustrie. Doch angenehm ist der Aufenthalt
in Bida nicht: 36° C. am Tage und 25° C. während der Nacht
und dabei Mosquitos und andere Insekten in entsetzlichen
Massen ! Kaum war daher die Stadt erobert und ein Friedens
vertrag abgeschlossen, so zog die englische Truppe ab nach
Geba (Jebba) am Niger und rückte gegen Ilorin vor. Die
Landschaft Ilorin grenzt im Süden an Ibadan, im Norden
an Borgu (oder Bussang). Die kahle, ausgetrocknete Gegend
in der Nähe des Niger verwandelt sich, je weiter man nach
dem Süden vordringt, in eine anmutige, parkähnliche Land
schaft. Die Stadt Ilorin bedeckt ein beträchtliches Areal; ihr
Umfang beträgt über 14 km. Am 19. Februar verliefs die
englische Truppe die Stadt und traf am 25. Februar in Lo
kodja ein.
Für die politische Machtstellung der Niger-Kompanie ist
dieser kurze Feldzug von grofser Bedeutung. Nupe wurde