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Full Text: Globus, 72.1897

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Aus allen Erdteilen. 
es lesen würden, und niclit nur die Männer von Fach, Philo 
sophen und Ethnologen, wie es doch wahrscheinlich der Fall. 
Man bedauert, wie solche Weisheit verloren geht, kurze Zeit 
von Gelehrten gelesen und angezweifelt, uni dann die riesige 
Gebirgskette der genialen Meinungen und tiefen Ansichten 
zu erhöhen, fast ohne Nutzen, ohne positive Förderung. Ob 
dies nicht auch ein bischen mit der Methode des Buches 
zusammenhängtV Selbst keine strenge Forschung, schliefst es sich 
nicht bei dieser an und wird von ihr vielleicht vernach 
lässigt, allgemeine, geniale Betrachtungen aber hat man so 
viele, dafs die einzelnen nicht beobachtet werden. Merk 
würdig ist es, dafs Yierkandt den ihm ähnlichen Franzosen, 
den bekannten geistreichen Tarde, nie anführt. Ich erlaube 
mir übrigens, auf das von mir im zweiten internationalen 
Sociologenkongrefs in Paris Gesagte zu verweisen (Annales du 
2. Congrès, 1896). 
Ergreifend manchmal ist, was" Yierkandt über die Eigen 
schaften und die Gebrochenheit der Vollkultur sagt; man 
sollte es in sich aufnehmen und tief überlegen. Schade, dafs 
er auf die Frage der Zukunft dieser Vollkultur nur wenig 
eingeht. Was kommt nach ihr? wird sie eAvig dauern? Ist 
diese starre Zweiteilung der Kultur nicht ein wenig eng und 
gefährlich ? 
Mehr Baum für die Zukunft würden wir erhalten haben, 
wenn der Verfasser sich die dynamische oder genetische, und 
nicht nur die statische Seite der Probleme hätte angelegen 
sein lassen. Die Entstehungsgeschichte der Kultur hätte uns 
wohl über ihre Zukunft belehrt. Die Kulturzustände der 
unteren Klassen der Kulturvölker werden nur gelegentlich 
beleuchtet, sie gehören zwar der Kultur nicht an, aber sie 
stehen doch in einem eigentümlichen Verhältnisse zu ihr, 
welches beide nicht unbeeinflufst läfst. Schade, dafs der Ver 
fasser nur so wenig darüber mitteilt. 
Diese Einseitigkeiten des vortrefflichen, tiefen Buches be 
ruhen wohl alle darauf, dafs es Abstraktionen, Typen be 
handelt, deren Gewinnung dem Leser nicht vorgeführt wird. 
Der ganze Begriff der Kultur ist nicht frisch aus der Wirk 
lichkeit gewonnen, sondern ist vielmehr ein philosophisches 
Schema. Der Verfasser prüft zwar seine Schablonen an der 
Wirklichkeit, aber das ist noch etwas anderes, als aus den 
Thatsachen und nur aus denselben Generalisationen abzuleiten. 
Das Buch ist tief gedacht, in hohem Grade anregend, 
aber zu sehr philosophisch, zu wenig positiv. Der Verfasser 
verspricht uns im Vorwort weitere Ausführungen über das 
selbe Thema, hoffentlich wird dieses Versprechen in nicht zu 
langer Zeit erfüllt. Denn, obwohl nicht ganz zufrieden, 
sind wir ihm dennoch sehr dankbar. Das Buch sollte von 
keinem Ethnologen und Sociologen ungelesen bleiben. 
Haag, Holland. S. Budolf Steinmetz. 
A. Kellen: Malmedy und die preufsische Wallonie. 
Essen a. d. Buhr, Fredebeul u. Koenen, 1897. 
Wiederholt hat der Verfasser das an der belgischen 
Grenze gelegene Malmedy besucht, für dessen Entwickelung 
als Badeort gegenüber dem benachbarten Spa er warm ein- 
tritt. Er giebt geschichtliche Nachrichten über die früher 
zur Abtei Stablo gehörige, seit 1815 preufsische Stadt, schil 
dert deren anmutige Umgebung und gewerbliche Thätigkeit 
und behandelt ausführlicher und unparteiisch die nationalen 
Verhältnisse des wallonischen Ortes, welcher der östlichste 
Ausläufer des wallonischen Sprachgebietes ist. In der älteren 
Litteratur über die Wallonie ist der Verfasser gut zu Hause; 
mit Becht werden die vielfach unrichtigen Schilderungen des 
Belgiers Descamps gegeifselt, jene des Franzosen Henri Gaidoz 
hervorgehoben. Das Verhältnis zwischen Deutschen und 
Wallonen ist ein durchaus friedfertiges in Malmedy. Neben 
ihrem wallonisch lernen die Einwohner französisch und 
deutsch; die beiden Zeitungen des Städtchens erscheinen in 
französischer Sprache, bringen aber auch deutsche Ankün 
digungen; mit den wallonischen Vereinen in Belgien unter 
halten jene in Malmedy rege Verbindung. Die Amtssprache 
ist durchweg deutsch, auch im Gemeinderat, wo aber auch die 
Mitglieder gelegentlich französich oder wallonisch reden. Die 
Protokolle sind nur deutsch. Die deutsche Sprache ist im 
Zunehmen; seit 1869 besteht ein deutsches Progymnasium; 
die Volksschulen sind deutsch. 
Nur flüchtig berührt der Verfasser die statistisch-nationalen 
Verhältnisse, die doch wesentlich zur richtigen Beurteilung 
der beiden Nationalitäten beitragen, und die auf S. 24 mit 
geteilten Ziffern über die Wallonen stimmen nicht mit den 
amtlichen Angaben. Auch Dronke in seinem Aufsatze über 
die preufsische Wallonie (Ausland 1890), welcher Kellen ent 
gangen ist, hat keine näheren Angaben, die aber seit 1827 
vorhanden sind. Es läfst sich danach sagen, dafs die Zahl 
der wallonisch redenden Preufsen nur in sehr geringem 
Mafse, jedenfalls bedeutend weniger als die deutsche Bevöl 
kerung zugenommen hat. Die Zahl der Wallonen im Begie- 
rungsbezirke Aachen betrug damals 9859, wobei auch die 
aufserhalb der Wallonie lebenden mitgerechnet sind. Im Jahre 
1861 hatte das geschlossene wallonische Gebiet (3 Quadrat 
meilen) 10 738 Einwohner, unter denen 886 Deutsche wohnten. 
Im ganzen preufsischen Staate lebten am 1. Dezember 1890 
11 058 Wallonen, von denen aber etwa 1200 aus Belgien 
stammten. Der Kreis Malmedy zählte 9090 Wallonen und 
im geschlossenen wallonischen Sprachgebiete (Stadt Malmedy 
und 11 Dorfgemeinden) wohnten von diesen 8969. Die schul 
statistischen Aufnahmen der Jahres 1891 zeigen eine langsame 
Zunahme der deutschen Sprache. B. Andree. 
Prof. l)r. W. Detmer: Botanische Wanderungen in 
Brasilien. Beiseskizzen und Vegetationsbilder. Leipzig, 
Veit u. Co., 1897. 
Der Wert dieses Buches liegt in den Vegetationsbildern, 
die der Verfasser, Professor der Botanik in Jena, selbstver 
ständlich mit voller Sachkenntnis, aber auch mit Liebe und 
in einer dem Nichtbotaniker verständlichen Form entwirft. 
Was die tropische Vegetation von Bahia im Norden bis San 
Paulo und Espirito-Santo im Süden an der brasilianischen 
Ostküste darbietet, ist geschildert worden. Dabei sind auch 
die wichtigen Kulturpflanzen und ihre wirtschaftliche Be 
deutung nicht aufser Acht gelassen. An diesen Kern des 
Buches schliefsen sich Schilderungen von Land und Leuten, 
wie sie der Verfasser auf seiner Fahrt in den gröfseren 
Küstenstädten sowie einigen Ausflügen in das Innere kennen 
lernte. H. V. 
Aus allen Erdteilen. 
Abdruck nur mit Quellenangabe gestattet. 
— Der Feldzug der englischen Niger-Kompanie gegen 
Nupe und Ilorin (vergleiche Globus, Bd. 71, Nr. 6, S. 96) 
hat einige spärliche geographische Früchte getragen; 
Leutnant Seymour Vandeleur, ein Teilnehmer der 
Expedition, berichtete darüber in der Londoner Geograph. 
Gesellschaft am 31. Mai. Bekanntlich begann der Marsch 
der 500 Mann Truppen und 900 Träger unter Major Arnold 
am 6. Januar 1897 von Lokodja am Niger in nordwestlicher 
Biclitung über Sura nach Kabba. Die Gegend ist wellig, 
oft von engen Thälern durchschnitten und von dichten 
Wäldern bedeckt, und erhebt sich bis zur Höhe von 520 m 
ü. d. M. Das Klima erwies sich im Gegensatz zu der Fieber 
luft an der Küste ungemein erfrischend und gesund. Süd 
östlich in der Nähe von Kabba zeigt sich der Boden sehr 
fruchtbar und gut angebaut mit Tabak, Yams und Baum 
wollstauden. Kabba selbst zählt kaum 5000 Einwohner. Von 
hier aus ging es über eine niedrige Wasserscheide hinab zum 
Niger, nach Egbom (nahe östlich von Igbagi auf der Kiepert- 
schen Karte von Äquatorialwestafrika). Nördlich von dieser 
Strecke des Nigers dehnt sich eine dichtbevölkerte Landschaft 
mit sanften Erhebungen aus, ein geradezu ideales Schlacht 
feld. Überraschend ist der Anblick der Stadt Bi da. Hohe 
Wälle umschliefsen einen Wirrwarr von engen Strafsen, aus 
denen sich mächtige Moscheen, Schulgebäude und Bibliotheken 
erheben. Die Bewohner verfertigen berühmte Lederarbeiten 
(Sättel, Säbelscheiden und Pantoffeln) und verstehen sich 
sogar auf Glasindustrie. Doch angenehm ist der Aufenthalt 
in Bida nicht: 36° C. am Tage und 25° C. während der Nacht 
und dabei Mosquitos und andere Insekten in entsetzlichen 
Massen ! Kaum war daher die Stadt erobert und ein Friedens 
vertrag abgeschlossen, so zog die englische Truppe ab nach 
Geba (Jebba) am Niger und rückte gegen Ilorin vor. Die 
Landschaft Ilorin grenzt im Süden an Ibadan, im Norden 
an Borgu (oder Bussang). Die kahle, ausgetrocknete Gegend 
in der Nähe des Niger verwandelt sich, je weiter man nach 
dem Süden vordringt, in eine anmutige, parkähnliche Land 
schaft. Die Stadt Ilorin bedeckt ein beträchtliches Areal; ihr 
Umfang beträgt über 14 km. Am 19. Februar verliefs die 
englische Truppe die Stadt und traf am 25. Februar in Lo 
kodja ein. 
Für die politische Machtstellung der Niger-Kompanie ist 
dieser kurze Feldzug von grofser Bedeutung. Nupe wurde
	        
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