Bücherschau.
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die religiösen Verhältnisse schildernden Abhandlungen gab
auch v. Siebold gewissenhaft, was zu seiner Zeit möglich
war, doch ist auch heute dieser Abschnitt ganz überholt.
Viel bleibender, inhaltreicher und von höherem Wert für uns
sind die Kapitel über Landwirtschaft, Gewerbe und Handel.
Hier ist die wichtige Geschichte des niederländischen Handels
mit Japan eingefügt. Den Schlufs machen die schon er
wähnten Nebenländer, die Siebold nicht aus eigener An
schauung kennen lernte oder (wie das verschlossene) Korea,
nicht betreten durfte. Er gab daher die damals äufserst
wichtigen, für einige Teile einzigen, Berichte nach zuverlässigen
japanischen Quellen und Reisenden. R. Andree.
Iwanowskij , A. A. Ararat. (Otdelnyj ottisk iz „Zemle-
vedenija“, 1897 g., kn. I—II.) — Der Ararat. (Separat
abdruck aus „Zemlevedenije“, Jahrg. 1897, Heft 1 und 2.)
8°. 42 S. mit Abbildungen. Moskau 1897.
Den Anlafs zu dieser Schrift hat eine Besteigung des
Grofsen und Kiemen Ararats durch den Verfasser im Sommer
1893 gegeben. Es ist dies dieselbe Expedition, die im „Globus“
1894, Bd. 66, Nr. 20, nach dem Berichte A. W. Pastuchows
beschrieben ist; nur ist dort irrtümlich als Jahr der Be
steigung 1883 angegeben, während es 1893 lieifsen mufs. Im
„Globus“ selbst ist als einer der Teilnehmer an der Besteigung
der „Laborant der Moskauer Universität A. A. Iwanowskij“
genannt. In seiner eigenen Schrift sagt Iwanowskij von sich,
er sei 1893 von der Archäologischen Gesellschaft in Moskau
nach Transkaukasien gesandt worden, um dort Altertums
forschungen zu machen, und sei erst bei seinem Verweilen
im Araxthal dazu gekommen, den Ararat zu besteigen. Als
seine Begleiter giebt er an: den Militärtopographen A. W.
Pastuchow, den Studenten W. W. Butyrkin, den Beamten
0. J. Tamm und sieben Kosaken (im „Globus“ sind neun an
gegeben). Im „Globus“ sind auch einige der Abbildungen
(nach Pastuchow) wiedergegeben, die sich in der Iwanowskij-
schen Schrift finden.
In der Beschreibung der Besteigung, die man im Zusam
menhang im „Globus“ nachlesen wolle, beschränkt sich
Iwanowskij mehr auf seine persönlichen Erfahrungen; er
beschreibt die malerischen Momente und die Gefahren , mit
denen die Besteigung verbunden ist, zuweilen unter Beifügung
lyrischer Reflexionen. Eine nicht geringe Gefahr bilden nach
ihm die fortwährend am Bergabhang niedergehenden Steine
und Felsklumpen, die sich manchmal zu förmlichen Kano
naden gestalten. Von Interesse ist die Bemerkung, dafs
Pastuchow 1895 den Ararat wieder bestiegen und gefunden
hat, dafs das von ihm dort liinterlassene Minimalthermometer
—34,1° und das Maximalthermometer —{—3,9° C. zeigte.
Rücksichtlich des Kleinen Ararats bestätigt Iwanowskij,
dafs sich auf dem Gipfel desselben wirklich, wie schon einige
Reisende (der Armenier Mesrop Tachidian, der Direktor des
Museums in Tiflis, G. J. Radde, der Kreishauptmann von
Etschmiadsin, E. F. Chanagow) behauptet haben, Gräber
befinden. Sie liegen in beträchtlicher Anzahl zwischen den
Felsen und sind mit steinernen, teils horizontal, teils vertikal
stehenden Platten bedeckt. Die Platten erinnern nach Iwa
nowskij sehr an die Grabmäler der transkaukasischen Tataren.
Näheres darüber gedenkt er demnächst in dem Berichte über
seine archäologischen Untersuchungen in Transkaukasien in |
den Jahren 1893—1896 zu veröffentlichen. Seine Bemerkungen
über die Blitzröhren auf dem Kleinen Ararat finden sich
schon im „Geographisch-Statistischen Wörterbuch des Rus
sischer! Reiches“, herausgegeben von P. Semenow (1. Bd.
s. v. Ararat. Petersburg, 1863) und das, was er über den
Krater des ehemaligen Vulkans auf diesem Berge sagt, ist
durch die genaue Beschreibung dieses Kraters von A. Arzruni
(in „Verhandlungen der Gesellschaft für Erdkunde , 1895)
überholt.
Die Reisebeschreibung des Verfassers nimmt nur die letzte,
dritte Abteilung der Schrift ein. In der ersten Abteilung
setzt er auseinander, wie es gekommen ist, dafs der Ararat
(erst seit dem 10. Jahrhundert) für den Berg gilt, auf dem
die Arche Noahs stehen geblieben sei. Er hält sich dabei an
die Forschungen von E. G. Weidenbaum, die deutsch wieder
gegeben sind in H. Hofmann, „Der Grofse Ararat und die
Versuche zu seiner Besteigung“ (in Mitteilungen des Vereins
für Erdkunde in Leipzig, 1884); dann folgt eine Beschreibung
der Besteigungen des Ararats, die erst möglich wurden, als
der Teil Armeniens mit dem Ararat 1828 zu Rufsland kam.
Die zweite Abteilung behandelt die Beschaffenheit der
beiden Ararate, ihre vulkanische Bildung und ihre frühere
vulkanische Thätigkeit; ferner die Erdbeben in Transkaukasien,
die Ursachen des Erdbebens im Jahre 1840, die Erdrutschungen
im Gebiete des Ararats, die Höhe der Schneelinie, die Glet
scher desselben, die Ursache seiner Wasserlosigkeit und seiner
Armut an Vegetation.
Nur in Bezug auf die Gletscher sei eine Bemerkung
gestattet. Referent kann sich genau erinnern, dafs vor fünf
bis sechs Jahren ein Kenner des Kaukasus, Baron v. Ungern-
Sternberg, mit Eifer dagegen auftrat, dafs es auf dem Grofsen
Ararat Gletscher gäbe. Dem gegenüber sagt das schon an
geführte „Geograph.-Statist. Wörterbuch des Russ. Reiches“
über den Grofsen Ararat: „In beiden Thälern (dem Thale des
Heiligen Jakob und dem Thale auf der Südseite, das sich
nach Bajaset zu herabsenkt) gehen von der Schneehöhe des
Ararats wirkliche Alpengletscher abwärts.“ In dem Artikel
des „Globus“ (nach Pastuchow) ist auch von Gletschern die
Rede. Iwanowskij berichtet (S. 22 u. 23): „An Gletschern
i giebt es auf dem Grofsen Ararat nach der neuen Ein-Werst-
| Karte des Militärtopographischen Bureaus des Militärbezirks
! Kaukasien 4 erster Ordnung (nicht blofs einen, wie Abich
' meinte), und nicht weniger als 26 zweiter Ordnung. Von
den gröfsten Gletschern des Ararats senken sich zwei nach der
Nordseite hinab, das ist der Gletscher des Heiligen Jakob,
und ein zweiter, der sich nordwestlich nach dem See Kop-göl
zu richtet, sowie zwei südliche, einer in der Richtung nach
[ der persischen Stadt Maku, und ein zweiter nach der tür
kischen Festung Bajaset zu. Am bedeutendsten und am
j meisten erforscht ist der Gletscher des Heiligen Jakob . . .“
Was soll man diesen Angaben gegenüber zu der Behauptung
des Herrn Baron v. Ungern-Sternberg sagen? Vielleicht liegt
| die Lösung des Widerspruchs in dem Begriffe „Gletscher“,
dem möglicherweise die Schneeformationen des Ararats nicht
ganz entsprechen. Diese Frage wird nur ein mit den Orts
verhältnissen vertrauter Geologe genau entscheiden können.
Die Schrift schliefst mit einer dankenswerten Zusammen
stellung der Litteratur über den Ararat in der russischen
und in anderen Sprachen. T. Pech.
l)l’. Julius Bröring: Das Saterland. Eine Darstellung
von Land, Leben, Leuten in Wort und Bild. 1. Teil.
Mit Titelbild und 12 Abbildungen. Oldenburg, Gerhard
Stalling, 1897.
In ebenso gründlicher als sachkundiger Weise hat
Theodor Siebs in der Zeitschrift der Gesellschaft für Volks
kunde 1893 die friesischen Bewohner des Saterlandes im
Oldenburgisclren nach den verschiedensten Seiten hin ge
schildert und er ist damit gelehrten Ansprüchen gerecht
geworden, obgleich ja noch vieles zur Ergänzung sich
nachtragen liefs. An weitere Kreise, wiewohl auch nicht
wissenschaftlicher Grundlage entbehrend, wendet sich der
( Verf. der vorliegenden Schrift, in dem wir bei seiner
genauen Sachkenntnis ein Landeskind vermuten. Voraus
hat er vor Siebs die landeskundliche Schilderung und
auch bezüglich der Volkskunde bringt er Ergänzungen.
| Selbst in dem abgelegenen Sateidand weichen schnell die
! alten Sitten und Gebräuche. „Ist schon die saterländische
j Sprache dem Aussterben näher gerückt, so kann dies mit
noch gröfserem Rechte von den ursprünglichen Sitten und
Gebräuchen des Saterlandes behauptet werden“ (S. 75). Ver-
geblich bemühte sich der Verf. auch (S. 141), noch eine voll
ständige „alte“ saterländische Frauentracht im Lande selbst
aufzufinden und nur mit Hülfe von Stücken aus dem Olden
burger Museum vermochte er eine saterländische Friesin in
jener Tracht darzustellen. Sie besitzt aber wenig Originelles
und mufs, wie fast alle deutschen Volkstrachten, als Über
bleibsel der allgemeinen Trachten des 18. Jahrhunderts auf-
gefafst werden. R. Andree.
F. Höck: Grundzüge der Pflanzengeographie. Unter
Rücksichtnahme auf den Unterricht an höheren Lehran
stalten verfafst. 189 Seiten mit 50 Abbild, u. 2 Karten.
Breslau, Ferd. Hirt, 1897.
Das Buch soll dem Lehrer zur Vorbereitung für den Unter
richt, dem lernbegierigen Schüler zur selbständigen Weiter
bildung helfen. Anregend für Anfänger ist das Buch wohl, da
Verf. überall hervorhebt, dafs über die meisten Fragen der
Pflanzengeographie noch Meinungsverschiedenheiten Vor
kommen. Sogar die auf der Übersichtskarte dargestellten
Florenreichsgrenzen sind als „etwaige“ bezeichnet. Eine
festere Grundlage für die Darstellung wäre erreichbar und
für den Schulgebrauch geradezu notwendig gewesen. Aber
man merkt überall, sobald es über Schleswig-Holstein und
Brandenburg hinausgeht, Unsicherheit, obwohl der Verf.
eine sehr umfassende Belesenheit erkennen läfst. Bei der Dar
stellung der aufserdeutsclien Länder kommt dieser Mangel
weniger in Betracht, da das Buch ja zunächst mehr anregend
als belehrend wirken soll, aber wenn der Schüler seine
eigene Heimat falsch geschildert findet — und das wird in
Ostpreufsen, Mittel- und Süddeutschland und den Rheinlanden
jeder finden, der offene Augen hat —, dann verliert er das