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Dr. F. Carlsen: Benin in Guinea und seine rätselhaften Bronzen
Fig. 9. Bronzeplatte aus Benin mit Tierdarstellungen.
oberen Leichen heraus und fanden unter ihnen einen
noch lebenden Knaben. Aus einer anderen Leichengrube
wurde ein Weib mit zwei Kindern gerettet.“
Was die Bevölkerung betrifft, so wurde deren
Zugehörigkeit zu den Yorubastämmen angenommen.
Indessen hat der frühere Gouverneur von Lagos, Sir
Alfred Moloney, das irrtümliche dieser Ansicht be
wiesen 2 ). Die Benins sprechen eine vom Yoruba ganz
verschiedene Sprache, wie ein Vergleich des Vokabulars
ergiebt:
Yoruba
Benin
Eins . . . .
pushu
Zwei . . . .
. eta
geva
Fünf . . . .
. arun
ihisin
Zehn . . . .
. ewa
ijigbe
Yamwurzel .
. isu
eyan
Mann ....
. okunrin
opayah
Stadt ....
. ilu
ebaro
Willkommen
. kuabo
bokian.
Sich selbst nennen die Bewohner von Benin Eddos;
an der Küste sind sie als Awonrin oder Awhawnrin be
kannt. Mit den Tappas, die 13 Tagereisen landeinwärts
wohnen, sollen die Benins desselben Stammes sein. Das
Land zerfällt in eine Anzahl verschiedener Provinzen
oder Distrikte, deren Namen Moloney aufführt, und die
unter Statthaltern stehen, welche der König ernennt und
die ihm verantwortlich sind. Unter den Industrieen
führt Moloney die Salzbereitung aus Pflanzenasche, die
vortrefflichen Eisen- und Kupferwaren und die Baum-
wollzeugweberei an.
Ich komme nun zu dem wichtigsten, wenigstens in
ethnographischer Beziehung wichtigsten Ergebnisse der
Eroberung Benins, bei dem man abermals das Wort aus-
rufen mufs: Immer etwas Neues aus Afrika! Denn
seit Karl Mauch und nach ihm Bent die Ruinen von
Zimbabje in Südafrika beschrieben, an welche man das
2 ) Proceedings of the geographical Society 1890, p. 606.
Salomonische Opfer anknüpft, haben wir keine interes
santere Entdeckung ethnographischer Art aus Afrika
kennen gelernt, als die merkwürdigen alten Bronze
güsse, die als Kriegsbeute von Benin jetzt nach London
gelangt sind.
Schon lange wufste man, dafs bei den Negern der
Guineaküste eine ziemlich kunstreiche Behandlung der
Erze und Metalle im Schwange war. Ich spreche nicht
vom Eisen, denn dieses wird ja bei den meisten Neger
völkern vorzüglich verarbeitet; aus freier Hand, mit
sehr ursprünglichen Geräten werden die feinsten Messer,
Lanzen, Schwerter, Pfeilspitzen geschmiedet. Aber im
Formen und Giefsen haben es die Guineaneger am
weitesten gebracht, auch verstehen sie es, verschiedene
Legirungen herzustellen, wie denn z. B. in Kamerun
Ringe Vorkommen, die aus einer Mischung von Kupfer,
Antimon und Blei bestehen. Schon ältere Reisende 3 )
berichten, dafs die Eingeborenen an der Goldküste die
erfindungsreichsten Goldschmiede seien, welche Ringe,
Ketten und Broschen herstellten, die europäischen
Juwelieren zur Ehre gereichen würden. „Sie formen das
Gold in jederlei Gestalt, als Vögel, Tiere, kriechende
Geschöpfe.“ Der ältere englische Reisende Bowdich hat
am Volta während seines Zuges nach Aschanti 4 ) das
Gufs- und Formverfahren geschildert. Danach werden
die Modelle von Tieren, Menschen u. s. w. aus erwärmtem
Wachs mit einem Modellierholz hergestellt; das fertige
Modell umgieht man mit feuchtem Thon, der alsdann
an der Sonne getrocknet wird. Man schmilzt durch
Erwärmen nun das Wachs heraus und giefst an seine
Stelle das in
kleinen Tiegeln
geschmolzene
Gold hinein.
Nach dem Erkal
ten zerschlägt
man die Thon
form und erhält
so den fertigen
Gufs. Auch das
Färben der Gold
figuren ver
stehen die Gui
neaneger nach
Bowdich; sie
wenden nach
ihm Salzwasser,
Ockererde und
dergl. an. Aus
Gold gegossene
Figuren, Ringe,
welche nach dem
letzten Aschan
tikriege in das
Britische Mu
seum gelangten,
bestätigen voll
auf, dafs es sich
um einen ver
gleichsweise ho
hen Grad tech
nischer Fertig-
3 ) Cruikshank,
Eighteen years on
the Gold Coast.
London 1853. II.,
269.
4 ) Mission from
Cap Coast Castle Fig. 8. Bronzeplatte aus Benin, mit
to Ashantee. europäischen Köpfen.