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Nordenskiölds Süfswasserbohrungen in hartem krystallinis'chem Gestein.
dem wir die Worskla auf einer Fähre überschritten
haben, geht es durch ein sandiges Gebiet, die Dünenzone
des linken Ufers. Dann folgen ausgedehnte Salzwiesen,
unterbrochen von einzelnen dürren Salzstellen, welche
durch ihre weifse Kruste weithin auffallen, und wo
fliefsendes Wasser durchläuft, stehen Pappeln und
Weiden. Allmählich erreichen wir die zweite Terrasse 10 ),
welche hier nicht deutlich abgesetzt ist. Sie ist meist
beackert, zeigt aber stellenweise, und zwar namentlich
vor dem Fufse der dritten Terrasse, auch wieder ansehn
liche Salzwiesen und dürre Salzstellen. Die dritte,
oberste Terrasse fällt überall steil gegen die zweite ab,
wir erreichen die Höhe auf dieser Fahrt nicht — wir
würden dort Tschernosemäcker treffen. Abwärts fahren
wir gegen Malaja Perjeschtschepina. Hier geht es von
der zweiten zur ersten Terrasse steil hinab, wir treffen
am Fufse des Abhanges einen Salzsumpf mit Röhricht,
dann folgen Dünen, welche zum Teil vollständig kahl
sind, darauf wieder salzige Wiesen und Sümpfe und
dann eine zweite Dünenzone, welche einen aus Eichen
und Kiefern gemischten Wald mit reicher Flora trägt.
Diese Waldzone, welche auch Ellernbrüche einschliefst,
reicht dann jenseits der Eisenbahn bis an die Ufer
wiesen der Worskla.
In den zuletzt beschriebenen Landschaften, in wel
10 ) Die hypsometrische Karte des Gouvernements Poltawa
von Tillo zeigt diese Verhältnisse nicht deutlich, denn die
Isohypsen laufen oft mitten über ganz ebene Flächen, weil
die Ebenen nicht horizontal liegen, sondern gegen Südwesten
geneigt sind.
chen die linken Ufer der Flüsse terrassenförmig an-
steigen, liegen schon auf der zweiten Terrasse Kurhane,
und zwar nicht selten unmittelbar neben den Ort
schaften. Zweimal sah ich am Fufse eines solchen
Hünengrabes eine Gruppe neuer, mit Holzkreuzen ge
schmückter Gräber.
Die Ansicht, welche ich über die Vegetation des
südrussischen Steppengebietes gewonnen habe, ist kurz
folgende. Die Formationen der Wälder, Prunusge-
sträuche, Äcker, Wiesen, Dünen, Salzfelder und Ge
wässer sind nicht wesentlich verschieden von den
homologen Formationen anderer mitteleuropäischer Ge
biete, namentlich auch Mittel- und Süddeutschlands.
Die Stipafelder (echten Steppen) und Caraganagesträuche
sind in Parallele zu stellen mit den Hochgebirgsforma-
tionen der mitteleuropäischen Gebirge, und ihre ende
mischen Arten sind denen dieser Gebirge analog zu
erklären. Die Steppenflora hat sich während der Eiszeit
gleichzeitig mit der alpinen entwickelt, diese fand später
im Gebirge Zuflucht, jene konnte in der Ebene fort-
bestehen und sich dem heutigen Klima anpassen, weil
sie auf einem Boden stand, der das Eindringen des
Waldes nur äufserst langsam gestattete. Der Ackerbau
wird die eigentümliche Formation der Steppen bald
ganz verdrängt haben, die einzelnen Arten der Steppen
flora aber halten sich an geeigneten Standorten auch
ferner.
Zum Schlüsse will ich nicht unterlassen, den Herren
Olichowski und Lewandowski, sowie insbesondere Tan-
filjew meinen Dank für ihre freundliche Unterstützung
und Begleitung auszusprechen.
Nordenskiölds Sitfswasserbolirungen
Hierüber berichtet Sir Clements R. Markham im
Geographical Journal vom November 1897 folgender-
mafsen: Baron Nordenskiölds Bohrsystem nach frischem
Wasser in den Granitfelsen Schwedens ist nun seit zwei
Jahren mit dem Ergebnis ausgeführt, dafs 44 Brunnen
fertig gestellt sind. Dies ist nicht allein eine Frage
von gröfserem oder geringerem Erfolg im Wasserfinden,
sondern es hängt damit auch die Entdeckung einer
neuen und wichtigen geologischen Grundlehre zusammen,
die zu wichtigen wirtschaftlichen und hygienischen Er
gebnissen führt.
Die Schwierigkeit, gutes Trinkwasser an vielen
Lootsenstationen und Leuchttürmen, die auf Felsinseln
längs der schwedischen Küste liegen, zu erlangen,
führte Nordenskiöld zuerst dazu, die Sache in Er
wägung zu ziehen. Er erinnerte sich einer Beobach
tung seines verstorbenen Vaters, Nils Nordenskiöld,
dafs in die finnischen Minen, die an der Küste liegen
und sich bis unter die See erstrecken, niemals Salz-
wasser eindringe, obwohl dieselben immer mehr oder
weniger leck seien, was die Bergleute mit „vattensjuka“
(d. h. wasserkrank) bezeichnen. Er erinnerte sich
weiter an eine Beobachtung, die er selbst während der
Expeditionen nach Spitzbergen in den Jahren 1861 und
1864 gemacht hatte. Sie findet sich in seiner „Skizze
der Geologie von Spitzbergen“ (Stockholm 1867) und
lautet folgendermafsen: „Die Schichten des Kalk
gebirges , welches in der Hinlopenstrafse mit pluto-
nischen Felsmassen abwechselt, sind beinahe wagerecht.
Dagegen sind die tertiären Schichten in Kings-Bucht
und Kap Staratschin ganz gefaltet, obwohl kein Erup
tivgestein in der Nähe entdeckt werden konnte. Die
Faltung an diesen Stellen mufs folglich einen anderen
in hartem krystalliniscliem Gestein.
Grund haben und es scheint mir, dafs man dem Einflufs
eruptiver Massen auf Faltung, Hebung und Verwerfung,
Erscheinungen, die überall auf der Erdkruste beobachtet
werden können, im allgemeinen zu grofse Bedeutung
beimifst. Wie es bei unzähligen anderen geologischen
Erscheinungen der Fall ist, so erfolgt auch diese sehr
wahrscheinlich, weniger infolge einer heftigen Störung,
als infolge einer beinahe unbemerkbaren, aber nichts
destoweniger unaufhörlich einwirkenden Kraft. Der
obere Teil der Erdkruste ist natürlich periodischen
Temperaturänderungen unterworfen, die in Stockholm
z. B. in einer Tiefe von 21 bis 24 m auf 0,01° C. steigt.
Wenn die Erdrinde zusammenhängend wäre, und die
Volumveränderung, die durch die Temperaturänderungen
hervorgerufen wird, nicht die Grenzen der Spannkraft
des Gesteins überschreiten würde, so würde sie keinen
störenden Einflufs ausüben. Da aber in gröfserem oder
geringerem Grade in allen Gebirgen Klüfte und Spalten
Vorkommen, so werden dieselben sich bei einer niedrigen
Temperatur erweitern, aber enger werden, sobald die
Temperatur steigt. Wenn aber, wie es oft der Fall sein
mag, die durch eine niedrige Temperatnr erweiterten
Spalten mit chemischen oder mechanischen Sedimenten
angefüllt werden, wird natürlich ein kräftiger seitlicher
Druck erfolgen, sobald die Temperatur wieder steigen
und das Gestein ausdehnen wird; auf diese Weise
wird jede Temperaturveränderung eine leichte Ver
schiebung der Schichten hervorrufen. Wenn wir nun
in Betracht ziehen, dafs diese Wirkung jahraus jahrein
in derselben Richtung erfolgt und dafs die ausgedehnte
Bewegung von vielen Hundert Meilen der Erdkruste
nur Faltungen an irgend einem kleinen Flecken hervor
ruft, wo die Widerstandsfähigkeit am geringsten ist, so