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Full Text: Globus, 72.1897

Brix Förster: Die englisch-französischen Streitfragen in Westafrika, 
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Frankreichs, Nigeria durch eine Linie von Say nach 
der Goldküste im Westen zu begrenzen, einfach als zu 
beengend verwarf. Auch in Frankreich mufs damals 
der Plan zur Gewinnung des ganzen westafrikanischen 
Sudan noch nicht zur vollen Reife gediehen sein. 
Das geschah erst, als Frankreich am Golf von 
Guinea zwei weitere koloniale Stützpunkte, nämlich die 
Elfenbeinküste und Dahome, entwickelungsfähig ge 
macht hatte. 
Von Grofs-Bassam aus, an der Elfenbeinküste, 
arbeitete man, im Rücken der englischen Goldküste, 
den Eroberungen im südlichen Nigerbogen, quer ost 
wärts nach Kong, entgegen; von Dahome aus gedachte 
man direkt in das unangetastete Interessengebiet der 
Kärtchen zur Erläuterung der englisch-französischen Landstreitigkeiten 
im Hinterland von Guinea. 
Die Frage liegt nahe: wie kommt es, dafs Frank 
reich bei dieser offen zu Tage getretenen Tendenz 
Deutschland ein so tüchtiges Stück, wie Gambaga und 
Dagomba, mitten in seiner Interessensphäre, bei dem 
Togoabkommen einräumte? Mir scheint es nicht 
unwahrscheinlich, dafs Frankreich hauptsächlich die 
Absicht verfolgte, südlich der Say- Barua -Linie und 
rechts vom Niger festen Fufs zu fassen, nämlich in 
Gurma, um die englische Auffassung von der Wirkungs 
sphäre der Say-Barua-Linie in Bezug auf das rechte 
Nigerufer illusorisch zu machen. Gurma, in Gedanken 
schon mit dem französischen Mossi und Massina ver 
kittet, soll der Krystall sein, an welchen Splitter von 
Gando und zuletzt ganz Borgu naturgemäfs anschiefsen. 
Das kulturell ganz armselige Gurma er 
schien für das politisch wirksame Vor 
rücken gegen die englische Küste so wich 
tig, dafs Frankreich gern bereit war, die 
Rechnung mit dem weit kostbareren 
Gambaga und dem fetten Monodreieck an 
Deutschland zu begleichen. 
Das Feld der englisch-französi 
schen Streitigkeiten liegt bis zum 
12. Parallel teils im Hinterlande der Gold 
küste, in Mossi, Gurunsi, Daboja und 
Dagarta (Wa), teils im Hinterlande von 
Lagos, in Borgu und Bussang. Die 
Streitigkeiten entstanden durch das ein 
seitige, rücksichtslose Vorgehen der Fran 
zosen. Zur Rechtfertigung vor Europa 
stützten sie sich, je nach Gelegenheit, ent 
weder auf die Hinterlandstheorie oder auf 
Verträge mit den Eingeborenen oder auf 
den Vollzug wirklicher Besitzergreifung 
(„effective occupation“). Nach der Hinter 
landstheorie gehört in die Interessen 
sphäre einer europäischen Macht der Raum 
zwischen zwei Linien, welche von zwei 
Endpunkten einer Küstenkolonie landein 
wärts wirklich gezogen oder verlängei't 
gedacht sind. Ein europäisches Abkommen 
über die Auffassung und Ausdehnung des 
„Hinterlandes“ besteht nicht, so viel mir 
bekannt. Die praktische Anwendung dieser 
Theorie mufs unvermeidlich zu Konflikten 
führen. Denn wenn z. B. eine Kolonie 
ihre Interessensphäre von Westen nach 
Osten und eine andere die ihrige von 
Süden nach Norden ausdehnt, so müssen 
sich beide im fernen Binnenlande einmal 
durchkreuzen. Bei der Goldküste, Togo 
(bis vor kurzem), Dahome und Lagos fehlt 
Engländer am rechten Nigenifer hineinzugreifen, um die nöi’dliche Begrenzung. Die mei’idionalen Grenzen 
eine ununterbrochene Verkehrsstrafse zwischen Timbuktu von Togo, Dahome und Lagos hören nach Vereinbarung 
und dem Guineabusen anzubahnen. Wie es Frankreich bei dem 9. Parallel auf. Sollte es den einzelnen 
gelang, Sierra Leone von seinem Hinterlande abzusperren, Kolonieen deshalb verwehrt sein , nördlich dieser Linie 
so hat es gegenwärtig die Absicht, auch das Hinterland in dem brachliegenden Kolonisationsgebiete sich aus 
der Goldküste und von Lagos auf einen möglichst “ 0 w — 
schmalen Küstenstreifen einzuzwängen. 
England hat, wie es scheint, die planmäfsig aggressive 
westafrikanische Politik Frankreichs nicht rechtzeitig 
erkannt. Hätte es die Endziele derselben gleich bei den 
ersten Schritten durchschaut, so hätte es 1892 und 1895 
bei den Verhandlungen über die Grenzregulierung Sierra 
Leones den Nacken gesteift und wäre nicht so zuvor 
kommend gegen französische Wünsche gewesen. Erst 
im vergangenen und noch mehr in diesem Jahre blitzte 
die Einsicht auf, dafs seine Lebensinteressen an der 
Goldküste und am Niger von Frankreich bedroht werden. 
zubreiten? Wenn nicht verwehrt: nur innerhalb der 
senkrecht zur Küste führenden Meridiane, oder, durch 
geographische oder politische Verhältnisse bestimmt, 
auch fächerartig? 
Einen unumstöfslichen, völkerrechtlich begründeten 
Landanspruch gewährt die Hinteidandstheorie nicht. 
Mossi, Gurunsi und Dagarta verlangt Frankreich als 
Hinterland vom französischen Sudan, England dagegen 
als Hinterland der Goldküste. Borgu und Bussang 
sehen die Engländer als das Hinterland der Say-Barua- 
Linie und zugleich als das Hinterland von Lagos an, 
während die Franzosen beide Landschaften, wie auch
	        
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