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Full Text: Globus, 72.1897

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K. Rhamm: Noch einmal der Ursprung der Slaven. 
diesem und der Küste sitzenden Danakil sind der 
abessinischen Herrschaft nie unterworfen gewesen. Über 
den südlichsten Ausläufer dieses Volkes — das Sultanat 
Haussa — beansprucht Menelik freilich die Oberhoheit. 
Das italienische Gebiet reicht an der Küste des 
Rothen Meeres bezw. des Golfs von Aden von Ras Kasar 
bis zur Südgrenze des ehemaligen Sultanats Raheita. 
Doch ist es bis heute nicht gelungen, die Grenze zwischen 
diesem und der französischen Kolonie Obok vertraglich 
festzulegen. Dort, an der Grenze Oboks, hat das eigent 
liche Erythräa, das Land am Mare Erythräum, ein Ende; 
man hat sich aber vielfach daran gewöhnt, unter dieser 
Beziehung das ganze italienische Afrika zusammen 
zufassen, wie denn auch die Ausgaben für die Benadir- 
küste im Haushalt für Erythräa erscheinen. 
Über das Hinterland der englischen Kolonie an der 
Somaliküste hat sich Italien mit England durch den Ver 
trag vom 5. Mai 1894 auseipandergesetzt. Die Benadir- 
küste hat es durch Vertrag vom 12 . August 1892 vom 
Sultan von Sansibar auf zunächst 25 Jahre ermietet. 
Auch gegen die Somali- und Benadirküste (streng ge 
nommen ist letztere ein Teil der ersteren) macht sich 
die erstaunliche Expansionskraft des abessinischen 
Reiches geltend. Seine Grenze soll nach Meneliks 
neuestem und von Italien zugestandenem Verlangen auf 
180 englische Meilen längs der Küste des Indischen 
Oceans laufen und daher den Juba hart nördlich Bardera 
treffen. Lugh, seit Dezember 1895 eine geographische 
und händlerische Station Italiens, fällt also an Abessinien. 
Indes soll der Ort vor Bedrängung durch die abessinischen 
Horden bewahrt bleiben. 
Den ersehnten Zugang zum Meere hat Abessinien 
also bislang weder im Norden noch im Süden zu ge 
winnen vermocht. 
Noch einmal der Ursprung der Slaven. 
(Entgegnung.) 
Von K. Rhamm. 
Meine Besprechung der Schrift von L. Niederle I 
„0 Puvodu Slovanu“ (Globus, Bd. LXXI, S. 317 bis 
319) bat zwei bezügliche Zuschriften an die Zeitschrift 
zur Folge gehabt, von denen die eine dem Verfasser 
(L. Niederle „Über den Ursprung der Slaven“) angehört, 
die andere dem Freiherrn v. Hormuzaki („Zur Frage 
über den Ursprung der Slaven“). Wenn ich dieselben 
nicht unerwidert lassen möchte, so mufs ich betonen, 
dafs ich ebenso hier wie bei meiner früheren Besprechung 
nur auf die Hauptsachen eingehen kann. Was zunächst 
den Beitrag des Herrn v. Hormuzaki betrifft, so steht 
der Verf. im wesentlichen auf meiner Seite, indem er die 
Möglichkeit einer Veränderung des Knochengerüstes in 
einer so kurzen Zeit ablehnt, er unterscheidet sich je 
doch von meiner Auffassung dadurch, dafs er die Er 
klärung der von Herrn Niederle behaupteten Verände 
rungen in der Erscheinung des Schädels im Verhältnis 
der heutigen und der vorgeschichtlichen Bevölkerung 
der alten Slavenheimat in einem von de Lapouge und 
0. Ammon entwickelten Gesetze der „natürlichen Aus 
lese“ („selection sociale“) sucht, das, wie er meint, mir 
unbekannt geblieben sei. Dies ist jedoch nicht der 
Fall, nur kann ich mich noch nicht von seiner Richtig 
keit und, selbst diese in gewissen Grenzen angenommen, 
davon überzeugen, dafs ihr eine so weittragende Bedeu 
tung zuzuerkennen sei. Dafs die Deckschicht eines 
kastenmäfsig abgeschlossenen Stammes sich im Laufe 
der Zeit zu Gunsten der Grundbevölkerung mehr und 
mehr verdünnen mufs, ist eine Thatsache von fast allge 
meiner Gültigkeit, die niemand leugnen wird, der nur 
einen Blick auf die Geschichte des Adels in Europa ge 
worfen hat und insoweit habe ich nichts gegen das Ge 
setz einzuwenden. Dafs aber dieser gewissermafsen 
ethnologische Vorgang, nachdem eine vollständige Ver 
schmelzung und Mischung beider Elemente eingetreten 
ist, sich auch auf das anthropologische Gebiet übersetzen 
sollte, ist ein Satz, von dessen Richtigkeit mich nur die 
strengste, als alter Jurist möchte ich sagen, juristische 
Beweisführung überzeugen könnte 1 ). Auf keinen Fall 
*) Gegen eine derartige Erweiterung des Gesetzes habe 
ich das äufserste Mifstrauen, schon deshalb, weil die Gefahr 
nahejliegt', dafs man überall, wo man einen Vorgang auf 
streng wissenschaftlichem Wege nicht erklären kann, das „Ge 
setz“ aus der Tasche zieht und folgendes einfache Exempel 
endlich könnte das bezügliche Gesetz für unsere Frage 
in Anwendung kommen, da in den einfachen und unent 
wickelten Verhältnissen des inneren Rufslands für das 
Eingreifen eines derartigen Gesetzes für jene Zeiten 
alle Voraussetzungen fehlen; vor allem die Unter 
scheidung städtischer und ländlicher Bevölkerungen. 
Dies hat Herr v. Hormuzaki, wie mir scheint, über 
sehen 2 ). 
macht: Die bezügliche Bevölkerung war ehedem langköpfig, 
ist jetzt kurzköpfig; die Langköpfe waren selbstverständlich 
Arier, folglich mufsten sie nach dem „Gesetz“ verschwinden. 
Ein redendes Beispiel für die Gemeingefährlichkeit des „so 
cialen Gesetzes“ zeigt uns ein in der Innsbrucker Festschrift 
„Beiträge zur Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte in 
Tirol“, Innsbruck 1894, veröffentlichter Briefwechsel zwischen 
Ammon und dem Dr. Tappeiner über die Frage des Zusammen 
hanges der heutigen — kurzköpfigen — Bätier mit den alten 
— langköpfigen — Etruskern, in welchem letzterer, der einen 
solchen Zusammenhang auf Grund jener anthropologischen 
Verschiedenheiten leugnet, von Ammon auf sein „Gesetz“ und 
die Möglichkeit einer im Laufe der Jahrhunderte erfolgten 
inneren Umwandlung verwiesen wird. Dies Gesetz ist in der 
That souverän! Die armen Schädelmesser! Sie haben nur 
mehr die Wahl zwischen dem Schwerte Niederles und dem 
Dolche Ammons! Und wie pafst denn zu dem „Gesetze“ die 
Beobachtung, dafs in Welschtirol die Stadtbezirke von Trient, 
Roveredo und Riva gerade die niedrigste Ziffer der Lichtheit 
zeigen (Wiener Anthropologische Mitteilungen 1894, Sitzungs- 
Bericht, S. 81), w T obei bemerkt wird, dafs ähnliche „rätsel 
hafte“ Verhältnisse auch für die bayerischen und die Mehrzahl 
der österreichischen Stadtbezirke aufgedeckt sind. Allerdings 
hat ja Ammon auch für die badischen Städte nur ein Vor 
wiegen dolichocephaler Neigungen feststellen können, nicht 
aber eine gröfsere Lichtheit, aber es ist doch undenkbar, 
dafs sich die zwei Kennzeichen des germanischen (und ari 
schen ?) Typus in ihrem Zusammenhang mit der geistigen 
Veranlagung gerade umgekehrt verhalten! 
2 ) Das Buch von de Lapouge ist mir allerdings unbekannt. 
Wenn ich jedoch das Ganze nach der von Herrn von Hormu 
zaki mitgeteilten Probe beurteilen soll, so kann ich mir 
keine grofse Erwartungen davon machen. Man höre! Nach 
de Lapouge soll sich die Bevölkerung Frankreichs auf Grund 
jenes Gesetzes in den letzten zwei Jahrhunderten dermafsen 
verändert haben, dafs die heutigen französischen Kanadier, 
deren Vorfahren vor jener Zeit ausgewandert sind, nicht 
mehr mit den heutigen Franzosen sich vergleichen lassen, 
sondern nur mit den Gräberfunden. Wenn eine solche Ver 
schiedenheit sich nicht schon dadurch erklärt, dafs jene Aus 
wanderer , wenn ich nicht irre, hauptsächlich aus der Nor 
mandie (und Bretagne) hervorgegangen sind, so würde ich 
doch eher meine Zuflucht in einer Abartung auf dem fremden 
amerikanischen Boden nehmen, die eine — rein zufällige — An
	        
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