Dr. Aug. Andrae: Hausinschriften aus Friesland.
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Kennzeichen, wen sie repräsentieren soll. In Dale-
karlien heilst sie jultutta oder auch blofs tutta, was so
viel als Puppe bedeuten soll. Anderwärts wird sie
jungfru, Jungfrau, genannt, und wurde zu Ehren der
Jungfrau Maria gebacken. Ursprünglich wird sie wohl
der Freja, der guten Mutter = gomana, der Frau des
guten Vaters, gofar Thor, geweiht gewesen sein.
Wir haben über die Formen der Julbrote gesprochen
und versucht, ihre sinnbildliche Bedeutung festzustellen,
wollen aber zum Schlüsse noch einige Sitten erwähnen,
die mit ihnen im Zusammenhänge stehen.
Im ganzen Norden war es üblich, den Weihnachts
tisch, der als Hausaltar galt, die Festzeit über bis
Heilige - Dreikönig unberührt stehen zu lassen. Der
selbe war nicht etwa als Festgabe und zur Freude
für das Hausgesinde hingestellt, galt vielmehr den
Schutzgeistern des Hauses, den Verstorbenen, welche
in dieser Zeit die Ihrigen besuchten, und wohl auch den
Göttern. Frigg soll in der Weihnachtsnacht herum
gewandert und Thor vom Himmel herniedergestiegen
sein. Die den Göttern hingestellten Gaben gewannen
durch die Berührung mit denselben wunderbare Kraft und
seltene Eigenschaften. Die berührten oder verzehrten
Speisen nahmen nie ab, sondern erneuerten sich immer
wieder, und wer von diesen Speisen genofs, nahm einen
Teil Gottheit in sich auf. Das Julbrot, welches auch
diese Kraft besafs, teilte sich nicht blofs den Menschen,
sondern auch den Tieren und der Fruchtbarkeit mit.
Es war Sitte, dafs die Hausmutter am Weihnachtsabend
in den Stall ging und den Kühen ein Stück dieses
Brotes reichte, indem sie sagte: „Es ist Jul, Kuhchen
mein.“ Der Hausvater setzte wiederum den Pferden
vom Julöl = Bier vor, welches vorher durch ein Kreuzes
zeichen gesegnet worden. Noch in späteren Zeiten
mufste für die Verstorbenen eine gefüllte Bierkanne
auf dem Weihnachtstische stehen, dieses Bier hiefs
„änglaölet“ = (Engelsbier).
Das übriggebliebene Julbrot wurde stets in einem
Saathaufen vergraben. Daher wurde, wenn möglich, Jul
brot bis zur Zeit der ersten Feldarbeit auf bewahrt und
alsdann auf dem Felde vom Hausvater, vom Knechte
und vom Zugtiere verspeist. Die Überbleibsel wurden
aufs Feld gestreut. Oft mufste dieses Brot auch als
Heilmittel bei Krankheiten dienen.
Was den Einflufs des Julbrotes auf das Wachstum
betrifft, so sei die Tiroler Sitte erwähnt, dafs die Frau,
welche das Weihnachtsbrot knetet, mit den mit Teig be
hafteten Händen und Armen die Fruchtbäume umfassen
mufs. In Smäland streut man Julbrotkrumen um die
selben. Ernst Moritz Arndt erzählt, dafs unter den
schwedischen Soldaten Stücke dieser Brote, ehe sie in
den Krieg zogen, verteilt wurden.
Wir haben in all dem Vorhergegangenen zu be
weisen gesucht, dafs unsere jetzigen Julbrote auf vor
christliche Zeiten zurückzuführen sind, und dafs sie Stell
vertreter der blutigen Opfer gewesen.
Hausinschriften a us Friesland.
Gesammelt von Dr. Aug. Andrae. Weener (Ostfriesland).
Als Geleitswort möchte ich die kurze Bemerkung
vorausschicken, dafs nachstehende, während eines kurzen
Aufenthaltes in Holland aufgezeichnete Inschriften, ganz
abgesehen von dem allgemein interessierenden Inhalt,
vielleicht schon deshalb eine Stelle in dieser deutschen
Zeitschrift beanspruchen dürften, weil sie in einer
Sprache abgefafst sind, welche einem Teile unseres
Vaterlandes früher recht vertraut war und auch teil
weise noch ist. Die Verbindung mit Holland verdrängte
in Ostfriesland, dieses ist gemeint, rasch das Plattdeutsche
und setzte an dessen Stelle das Holländische. In dieser
Sprache sind nun auch die alten ostfriesischen Inschriften
bis in das 18. Jahrhundert hinein abgefafst, allerdings
manchmal mit plattdeutschen Elementen vermischt. Der
Inhalt der holländischen Inschriften war natürlich auch
von Einflufs. Eine grofse Rolle spielt in diesen ost
friesischen Inschriften der Neid und Hafs der „Niders“
und „Haters“ — ein Lieblingsthema der Inschriften
überhaupt —, so dafs ein Haus mit einer solchen
Inschrift in Ostfriesland geradezu ein „Ilatershuus“
genannt wird. So liest man in dem ostfriesischen
Flecken Oldersum an einem „Hatershuus“:
Och Nider laet din Nidet sin. Wat Godt mi gvnt
dat is min
As Godt behaget so ist beter benidet als beklaget.
ANO. 1567
Treten wir nunmehr unsere kleine holländische
Inschriftenreise an, so fällt uns auch in Groningen am
Groote Markt gleich ein solches „Hatershuus“ auf mit
der Inschrift:
DIE MY BENIDEN ENDE NIEDT ENGEVEN SE
MOETEN MY LIDEN EN LATEN MY LEVEN. ALST
GODT BEHAGET BETER BENIT ALS BECLAGET
hinter dem Worte behaget ist die Bemerkung eingefügt:
AED
A№
1633
REN
A№
1887
(d. h. aedificata gebaut, renovata erneuert).
Gegen die Lüge und Klatschsucht des Nächsten, der
sich vor allen Dingen zuerst „an seine eigene Nase
fassen“ und „vor seiner Thür fegen“ sollte, richtet sich
die nächste Hausinschrift:
WAT WORT ER MEENIG MENSCH
GESCIIONDEN EN BELOGEN
VAN SO VEEL KARELAARSQ
DIE SELVE NIET VEEL DOGEN
НЕТ WAS ТЕ WENSCIIEN
DAT ALLE MENSCHEN
HAAR SELVE EERST BEKEREN
EER DAAT SIE QUAAT 2 )
НЕТ SIE VROEG OF LAAT VAN
EEN ANDER QUAM ТЕ SPREKEN
Diese Inschrift ist in Versen abgefafst, gröfstenteils
in Alexandrinern, dem Ilauptversmafs der Franzosen,
das auch in Holland Eingang gefunden hat. Das Haus,
an dem eine Jahreszahl nicht zu entdecken war, stammt
wohl aus dem 17. Jahrhundert.
Ein anderes altes Haus zeigt die wenigen Worte:
ICK. KICK. NOCH. INT
über welchen ein Kopf angebracht ist, wahrscheinlich
der des Schutzpatrons, der „noch hin sieht“, dafs Haus
und Strafse nichts Böses trifft.
Am Ossen Markt steht ein mit Köpfen, Fratzen,
Wappen und dergl. reich verziertes Haus, an dem sofort
folgende Inschriften auffallen:
HY IIEEFT WEL GEBOVT DIE OP GODT VERTROVT
0 Kerls.
2 ) Böses.