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Full Text: Globus, 72.1897

Dr. Aug. Andrae: Hausinschriften aus Friesland. 
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Kennzeichen, wen sie repräsentieren soll. In Dale- 
karlien heilst sie jultutta oder auch blofs tutta, was so 
viel als Puppe bedeuten soll. Anderwärts wird sie 
jungfru, Jungfrau, genannt, und wurde zu Ehren der 
Jungfrau Maria gebacken. Ursprünglich wird sie wohl 
der Freja, der guten Mutter = gomana, der Frau des 
guten Vaters, gofar Thor, geweiht gewesen sein. 
Wir haben über die Formen der Julbrote gesprochen 
und versucht, ihre sinnbildliche Bedeutung festzustellen, 
wollen aber zum Schlüsse noch einige Sitten erwähnen, 
die mit ihnen im Zusammenhänge stehen. 
Im ganzen Norden war es üblich, den Weihnachts 
tisch, der als Hausaltar galt, die Festzeit über bis 
Heilige - Dreikönig unberührt stehen zu lassen. Der 
selbe war nicht etwa als Festgabe und zur Freude 
für das Hausgesinde hingestellt, galt vielmehr den 
Schutzgeistern des Hauses, den Verstorbenen, welche 
in dieser Zeit die Ihrigen besuchten, und wohl auch den 
Göttern. Frigg soll in der Weihnachtsnacht herum 
gewandert und Thor vom Himmel herniedergestiegen 
sein. Die den Göttern hingestellten Gaben gewannen 
durch die Berührung mit denselben wunderbare Kraft und 
seltene Eigenschaften. Die berührten oder verzehrten 
Speisen nahmen nie ab, sondern erneuerten sich immer 
wieder, und wer von diesen Speisen genofs, nahm einen 
Teil Gottheit in sich auf. Das Julbrot, welches auch 
diese Kraft besafs, teilte sich nicht blofs den Menschen, 
sondern auch den Tieren und der Fruchtbarkeit mit. 
Es war Sitte, dafs die Hausmutter am Weihnachtsabend 
in den Stall ging und den Kühen ein Stück dieses 
Brotes reichte, indem sie sagte: „Es ist Jul, Kuhchen 
mein.“ Der Hausvater setzte wiederum den Pferden 
vom Julöl = Bier vor, welches vorher durch ein Kreuzes 
zeichen gesegnet worden. Noch in späteren Zeiten 
mufste für die Verstorbenen eine gefüllte Bierkanne 
auf dem Weihnachtstische stehen, dieses Bier hiefs 
„änglaölet“ = (Engelsbier). 
Das übriggebliebene Julbrot wurde stets in einem 
Saathaufen vergraben. Daher wurde, wenn möglich, Jul 
brot bis zur Zeit der ersten Feldarbeit auf bewahrt und 
alsdann auf dem Felde vom Hausvater, vom Knechte 
und vom Zugtiere verspeist. Die Überbleibsel wurden 
aufs Feld gestreut. Oft mufste dieses Brot auch als 
Heilmittel bei Krankheiten dienen. 
Was den Einflufs des Julbrotes auf das Wachstum 
betrifft, so sei die Tiroler Sitte erwähnt, dafs die Frau, 
welche das Weihnachtsbrot knetet, mit den mit Teig be 
hafteten Händen und Armen die Fruchtbäume umfassen 
mufs. In Smäland streut man Julbrotkrumen um die 
selben. Ernst Moritz Arndt erzählt, dafs unter den 
schwedischen Soldaten Stücke dieser Brote, ehe sie in 
den Krieg zogen, verteilt wurden. 
Wir haben in all dem Vorhergegangenen zu be 
weisen gesucht, dafs unsere jetzigen Julbrote auf vor 
christliche Zeiten zurückzuführen sind, und dafs sie Stell 
vertreter der blutigen Opfer gewesen. 
Hausinschriften a us Friesland. 
Gesammelt von Dr. Aug. Andrae. Weener (Ostfriesland). 
Als Geleitswort möchte ich die kurze Bemerkung 
vorausschicken, dafs nachstehende, während eines kurzen 
Aufenthaltes in Holland aufgezeichnete Inschriften, ganz 
abgesehen von dem allgemein interessierenden Inhalt, 
vielleicht schon deshalb eine Stelle in dieser deutschen 
Zeitschrift beanspruchen dürften, weil sie in einer 
Sprache abgefafst sind, welche einem Teile unseres 
Vaterlandes früher recht vertraut war und auch teil 
weise noch ist. Die Verbindung mit Holland verdrängte 
in Ostfriesland, dieses ist gemeint, rasch das Plattdeutsche 
und setzte an dessen Stelle das Holländische. In dieser 
Sprache sind nun auch die alten ostfriesischen Inschriften 
bis in das 18. Jahrhundert hinein abgefafst, allerdings 
manchmal mit plattdeutschen Elementen vermischt. Der 
Inhalt der holländischen Inschriften war natürlich auch 
von Einflufs. Eine grofse Rolle spielt in diesen ost 
friesischen Inschriften der Neid und Hafs der „Niders“ 
und „Haters“ — ein Lieblingsthema der Inschriften 
überhaupt —, so dafs ein Haus mit einer solchen 
Inschrift in Ostfriesland geradezu ein „Ilatershuus“ 
genannt wird. So liest man in dem ostfriesischen 
Flecken Oldersum an einem „Hatershuus“: 
Och Nider laet din Nidet sin. Wat Godt mi gvnt 
dat is min 
As Godt behaget so ist beter benidet als beklaget. 
ANO. 1567 
Treten wir nunmehr unsere kleine holländische 
Inschriftenreise an, so fällt uns auch in Groningen am 
Groote Markt gleich ein solches „Hatershuus“ auf mit 
der Inschrift: 
DIE MY BENIDEN ENDE NIEDT ENGEVEN SE 
MOETEN MY LIDEN EN LATEN MY LEVEN. ALST 
GODT BEHAGET BETER BENIT ALS BECLAGET 
hinter dem Worte behaget ist die Bemerkung eingefügt: 
AED 
A№ 
1633 
REN 
A№ 
1887 
(d. h. aedificata gebaut, renovata erneuert). 
Gegen die Lüge und Klatschsucht des Nächsten, der 
sich vor allen Dingen zuerst „an seine eigene Nase 
fassen“ und „vor seiner Thür fegen“ sollte, richtet sich 
die nächste Hausinschrift: 
WAT WORT ER MEENIG MENSCH 
GESCIIONDEN EN BELOGEN 
VAN SO VEEL KARELAARSQ 
DIE SELVE NIET VEEL DOGEN 
НЕТ WAS ТЕ WENSCIIEN 
DAT ALLE MENSCHEN 
HAAR SELVE EERST BEKEREN 
EER DAAT SIE QUAAT 2 ) 
НЕТ SIE VROEG OF LAAT VAN 
EEN ANDER QUAM ТЕ SPREKEN 
Diese Inschrift ist in Versen abgefafst, gröfstenteils 
in Alexandrinern, dem Ilauptversmafs der Franzosen, 
das auch in Holland Eingang gefunden hat. Das Haus, 
an dem eine Jahreszahl nicht zu entdecken war, stammt 
wohl aus dem 17. Jahrhundert. 
Ein anderes altes Haus zeigt die wenigen Worte: 
ICK. KICK. NOCH. INT 
über welchen ein Kopf angebracht ist, wahrscheinlich 
der des Schutzpatrons, der „noch hin sieht“, dafs Haus 
und Strafse nichts Böses trifft. 
Am Ossen Markt steht ein mit Köpfen, Fratzen, 
Wappen und dergl. reich verziertes Haus, an dem sofort 
folgende Inschriften auffallen: 
HY IIEEFT WEL GEBOVT DIE OP GODT VERTROVT 
0 Kerls. 
2 ) Böses.
	        
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