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Full Text: Globus, 72.1897

Dr. A. Bielenstein: Das lettische Wohnhaus in der Mitte des 19. Jahrhunderts. 
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und derselben wurde vorgebeugt durch ein gewölbtes 
Schutzdach. In der älteren Zeit, aber auch noch bis in 
dieses Jahrhundert, z. B. in der Gegend von Doblen 
(Kurland), wurde dieses Schutzdach ganz wie sonst ein 
Gewölbe über schmalen Holzscheiten oder Latten gebaut. 
Auf das provisorische Holzgewölbe legte man eine 
Schicht Lehm. In den weichen Lehm drückte man 
Tannenäste, wie man sie zu Zaunspricken braucht (lett. 
wabas), und darüber kam wieder eine Schicht Lehm. 
Die Tannenäste gaben dem Lehm einen Halt; wenn 
dieser trocken geworden war, wurde die provisorische 
Holzunterlage weggenommen, und die Feuerwärme 
machte das Lehmgewölbe vollkommen hart und dauer 
haft. Drei Ecken dieses Schutzdaches ruhten auf den 
beiden genannten Mauern e — e , die vierte Ecke auf 
einem Holzpfosten /, der frei im Flur stand. Solche 
Funken auffangende Schutzdächer über der Feuerstätte 
scheinen nicht bei vielen Völkern verbreitet gewesen 
zu sein. Hufs wurm berichtet im „Eibofolke“, dafs die 
Inselschweden dergleichen gehabt, genau so, wie wir sie 
eben beschrieben, und zwar, dafs sie dieses Funkendach 
von Holz und Lehm über der Feuerstätte aufgehängt 
haben. Auch bei den Letten findet es sich aufgehängt. 
Bancalari in seiner „Hausforschung“ aus den Ostalpen 
(1893) bezeugt S. 22 , dafs die Steiermärker noch heute 
über der alten Kochstelle im Flur ein Funkendach aus 
Holz und Lehm, einen „Feuerhut“, zum Schutz der 
hölzernen Oberlage haben. 
Der Lette nennt sein gewölbtes Funkendach röwis 
oder röwe. Der Ehste hat dasselbe Wort roow für die 
selbe Sache, ich vermag aber nicht zu sagen, ob das 
Fig. 4. Küche mit Mantelschornstein. 
Fig. 6 . Flurinneres nebst Kochraum. 
Wort von den finnischen Völkern zu den lettischen, oder 
von diesen zu jenen gekommen ist. Thomsons „Berö- 
ringer“ schweigen darüber. 
Unter der Funkendachwölbung in der Ecke des 
Flurs sammelte sich natürlich der Rauch, ehe er sich 
zum Dach emporziehen konnte. Schwerlich war das 
die Ursache dafür, dafs die ganze Kochstelle niedriger 
lag, als der Estrich des Flurs, also in einer Vertiefung 
des Fufsbodens, zu der man auf etwa zwei Stufen 
hinabstieg. Die alten Leute geben als Grund für die Ver 
tiefung der Kochstelle an, dafs man dadurch das Haus 
vor Feuersgefahr mehr sichern zu können gemeint habe. 
Ein weiterer Fortschritt war es, wenn die Kochstelle, 
mochte sie auch noch immer in der Ecke des Flurs, wie 
eben zuvor beschrieben ist, bleiben, doch noch eine 
dritte Schutzmauer, innerhalb des Flurs, erhielt, welche 
gleich den schon genannten Schutzmauern die Höhe der 
Hauswand erreichte. Die vierte Seite der Kochstelle 
nach der vorderen Hausthür zu pflegte noch offen zu 
bleiben. Das Ende der zum Teil aus grofsen Feld 
steinen (erratischen Blöcken) bestehenden, etwa 2 Fufs 
starken Mauer in der Mitte des Flurs bekam einen 
Halt durch zwei senkrechte Holzpfosten. Fig. 5, 
welche den Rifs des Wohnhauses in Schkawas darstellt, 
zeigt diese Pfosten (g g) auf den Ecken des Mauerendes 
eingemauert. Es ist das ein interessantes Zeugnis für 
die Art, wie ein Volk in uralter Zeit einer Mauer aus 
mehr oder weniger rundlichen Feldsteinen und Lehm 
eine Festigkeit zu geben gewufst hat, die bei einer 
Mauer aus Bruchsteinen oder Ziegeln und Kalk von 
selbst vorhanden ist. Auf den drei Mauern pflegte man 
nun das Funkendach schon aus Ziegelsteinen (unge 
brannten, die jeder sich selbst fertigte) zu wölben. Der 
Rauch fand seinen Weg zum Dach hinaus noch immer 
ohne Schornstein, und die Leute räucherten Fleisch und 
Speck selten unter dem Funkendache, wo es zu heifs 
war, sondern meistens über demselben unter dem Dache 
in dem kalt gewordenen Rauch.
	        
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