Dr. A. Bielenstein: Das lettische Wohnhaus in der Mitte des 19. Jahrhunderts.
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und derselben wurde vorgebeugt durch ein gewölbtes
Schutzdach. In der älteren Zeit, aber auch noch bis in
dieses Jahrhundert, z. B. in der Gegend von Doblen
(Kurland), wurde dieses Schutzdach ganz wie sonst ein
Gewölbe über schmalen Holzscheiten oder Latten gebaut.
Auf das provisorische Holzgewölbe legte man eine
Schicht Lehm. In den weichen Lehm drückte man
Tannenäste, wie man sie zu Zaunspricken braucht (lett.
wabas), und darüber kam wieder eine Schicht Lehm.
Die Tannenäste gaben dem Lehm einen Halt; wenn
dieser trocken geworden war, wurde die provisorische
Holzunterlage weggenommen, und die Feuerwärme
machte das Lehmgewölbe vollkommen hart und dauer
haft. Drei Ecken dieses Schutzdaches ruhten auf den
beiden genannten Mauern e — e , die vierte Ecke auf
einem Holzpfosten /, der frei im Flur stand. Solche
Funken auffangende Schutzdächer über der Feuerstätte
scheinen nicht bei vielen Völkern verbreitet gewesen
zu sein. Hufs wurm berichtet im „Eibofolke“, dafs die
Inselschweden dergleichen gehabt, genau so, wie wir sie
eben beschrieben, und zwar, dafs sie dieses Funkendach
von Holz und Lehm über der Feuerstätte aufgehängt
haben. Auch bei den Letten findet es sich aufgehängt.
Bancalari in seiner „Hausforschung“ aus den Ostalpen
(1893) bezeugt S. 22 , dafs die Steiermärker noch heute
über der alten Kochstelle im Flur ein Funkendach aus
Holz und Lehm, einen „Feuerhut“, zum Schutz der
hölzernen Oberlage haben.
Der Lette nennt sein gewölbtes Funkendach röwis
oder röwe. Der Ehste hat dasselbe Wort roow für die
selbe Sache, ich vermag aber nicht zu sagen, ob das
Fig. 4. Küche mit Mantelschornstein.
Fig. 6 . Flurinneres nebst Kochraum.
Wort von den finnischen Völkern zu den lettischen, oder
von diesen zu jenen gekommen ist. Thomsons „Berö-
ringer“ schweigen darüber.
Unter der Funkendachwölbung in der Ecke des
Flurs sammelte sich natürlich der Rauch, ehe er sich
zum Dach emporziehen konnte. Schwerlich war das
die Ursache dafür, dafs die ganze Kochstelle niedriger
lag, als der Estrich des Flurs, also in einer Vertiefung
des Fufsbodens, zu der man auf etwa zwei Stufen
hinabstieg. Die alten Leute geben als Grund für die Ver
tiefung der Kochstelle an, dafs man dadurch das Haus
vor Feuersgefahr mehr sichern zu können gemeint habe.
Ein weiterer Fortschritt war es, wenn die Kochstelle,
mochte sie auch noch immer in der Ecke des Flurs, wie
eben zuvor beschrieben ist, bleiben, doch noch eine
dritte Schutzmauer, innerhalb des Flurs, erhielt, welche
gleich den schon genannten Schutzmauern die Höhe der
Hauswand erreichte. Die vierte Seite der Kochstelle
nach der vorderen Hausthür zu pflegte noch offen zu
bleiben. Das Ende der zum Teil aus grofsen Feld
steinen (erratischen Blöcken) bestehenden, etwa 2 Fufs
starken Mauer in der Mitte des Flurs bekam einen
Halt durch zwei senkrechte Holzpfosten. Fig. 5,
welche den Rifs des Wohnhauses in Schkawas darstellt,
zeigt diese Pfosten (g g) auf den Ecken des Mauerendes
eingemauert. Es ist das ein interessantes Zeugnis für
die Art, wie ein Volk in uralter Zeit einer Mauer aus
mehr oder weniger rundlichen Feldsteinen und Lehm
eine Festigkeit zu geben gewufst hat, die bei einer
Mauer aus Bruchsteinen oder Ziegeln und Kalk von
selbst vorhanden ist. Auf den drei Mauern pflegte man
nun das Funkendach schon aus Ziegelsteinen (unge
brannten, die jeder sich selbst fertigte) zu wölben. Der
Rauch fand seinen Weg zum Dach hinaus noch immer
ohne Schornstein, und die Leute räucherten Fleisch und
Speck selten unter dem Funkendache, wo es zu heifs
war, sondern meistens über demselben unter dem Dache
in dem kalt gewordenen Rauch.