Das Mancalaspiel und seine Verbreitung.
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die Kämpfe nicht mit noch gröfserer Unmenschlichkeit
geführt werden.
Zum Schlufs noch ein kurzes Wort über den Kultur
zustand und den Charakter der dortigen Bevölkerung.
In den Küstenländern sind die Spuren eines amerika
nischen Urvolkes durch die eingewanderten Europäer
und Afrikaner verschwunden und hat schon europäische
Kultur festen Fufs gefafst. In den hohen Punaländern
hat sich die Urbevölkerung rein erhalten, befindet sich
aber fast noch in der Periode der Steinzeit; denn von
den wenigen fremden Elementen, mit denen sie bis
weilen in Berührung gekommen ist, hat sie bei ihrer
Abneigung gegen Neuerungen nichts angenommen ; selbst
die einzige Waffe, der sich der Punaindianer zur Ver
teidigung und zur Jagd bedient, ist nicht über die Stein
schleuder hinweggekommen. Von Charakter ist er ver
schlossen, aber ehrlich und zuverlässig.
Die Bevölkerung der Pampaländer besteht aus etwa
80 Proz. Indianern und 20 Proz. Mischlingen. Letztere
sprechen aufser den Indianersprachen (Aymara und
Quichua) auch Spanisch und haben sich hierdurch eine
gewisse Überlegenheit angeeignet, die sie nicht selten zu
Betrügereien benutzen. Trotzdem hat der Pampaindianer
alle guten Eigenschaften seiner westlichen Nachbarn be
wahrt, wenn er auch durch die Mischrassen mifstrauisch
und abergläubisch geworden ist. Betrug, Diebstahl und
Mord sind allen bekehrten Indianern unbekannte Dinge.
Sie sind arbeitsam und fleifsig, sonst erinnert aber nichts
mehr an ihre grofse Vergangenheit. Die Indianer der
immergrünen Valleländer sind etwas verwöhnt, arbeiten
nicht gern mehr, als zu ihrem Lebensunterhalt nötig ist,
sind aber im übrigen ebenso treu und ehrlich wie die Hoch
landindianer. Die Urwaldindianer endlich sind arg
wöhnisch, oft grausam, aber tapfer und kühn, Eigen
schaften, die sie jedenfalls erst durch die Verfolgungen
angenommen haben; sie verschmähen es nicht, raubend
und mordend in fremdes Gebiet einzufallen, wenn sie
die Not, die sich bisweilen auch im Urwalde einstellt,
hierzu zwingt, und gehen lieber unter, ehe sie sich vor
einer fremden Gewalt beugen. Diese unglücklichen
Wilden werden trotz ihrer Tapferkeit und Kühnheit und
trotz ihrer vergifteten Pfeile vor den Feuerwaffen der
weifsen Rassen nicht Stand halten können und schliefs-
lich, wenn hierüber auch noch Jahre vergehen mögen,
das Schicksal ihrer roten Brüder in Nordamerika teilen
müssen.
Das Mancalaspiel an
Ein vergleichendes Studium der Spiele verspricht I
einen Beitrag zur Geschichte der Kultur im allgemeinen
zu liefern und aus diesem Gesichtspunkt ist die Frage
ihrer Verbreitung über die Erde für den Ethnologen
von Wichtigkeit. Der Ursprung der Spiele verliert sich
in der ungeschriebenen Geschichte der Kindheit des
Menschengeschlechtes, Das afrikanische „Mancala“
ist nun ein Spiel, das wegen seiner Verbreitung, die die
Grenzen arabischer Kultur anzudeuten scheint, besonderes
Interesse verdient. Als erster hat auf diese eigenartige
Verbreitung Dr. Richard Andree in seinen Ethno
graphischen Parallelen, Neue Folge, Leipzig 1889, hin
gewiesen , zahlreiche einzelne Beobachtungen sind
inzwischen veröffentlicht worden und neuerdings hat
sich Stewart Culin, der Direktor des Museums der
Archäologie und Paläontologie an der Universität von
Pennsylvanien, mit dem „Mancalaspiel“ eingehender be
schäftigt 1 ), da dasselbe auch in Amerika seinen Einzug
gehalten hat, nachdem es schon viele Zeitalter hindurch die
Bewohner fast der halben bewohnten Welt zerstreut
und belustigt hat. Wir wollen hier auf den Inhalt
seiner verdienstvollen Schrift eingehen und denselben
aus anderweitig bekannt gewordenen Stoff in An
merkungen ergänzen.
Zunächst bespricht Culin die in Syrien vorkommende
Form des Spieles. Es besteht dort aus einem Brett mit
zwei Reihen von je sieben napfförmigen Vertiefungen.
Man benutzt 98 Kaurimuscheln (wada) oder kleine
Steine (hajdar) zum Spiel, welches La’b hakimi, d. h.
Vernunftspiel, oder La’b akila, d. h. das verständige
Spiel, genannt wird. Eine nur von Kindern gespielte
Abart nennt man La’b roseya. Mancala ist in den
syrischen Kaffees ein gewöhnliches Spiel. Kinder spielen
es oft, indem sie die notwendigen Löcher in dem Boden
hersteilen. Mancala, der Name, den die Syrier dem
Spiele geben, ist ein gewöhnliches arabisches Wort und
bedeutet so viel als Spiel, bei dem etwas (einer Stelle
auf die andere) versetzt wird. Zwar ist es unter diesem
Namen im Koran nicht erwähnt, mufs aber den Arabern
U Mancala, tbe National Game of Africa. By
Stewart Culin. From the Report of the U. S. National-
Museum forl894, p. 595 bis 607, witb plates. Washington 1896.
d seine Verbreitung.
im Mittelalter bekannt gewesen sein, da im Kommentar
zum „Kitab al Aghani“, d. h. Buch der Gesänge, von
einem Spiel, ähnlich dem „Mancala“, die Rede ist. Dr.
Thomas Hyde gab bereits vor 200 Jahren in seiner
Arbeit De Ludis Orientalibus eine gute Beschreibung
des Spiels, und Laue fand es in Kairo (Manners and
Customs of the Modern Egyptians), wo es auf einem
Brett mit 1 2 Öffnungen nur mit 72 Steinen oder Muscheln
gespielt wird, die „hasa“ genannt werden. Die halb
kugelförmigen Näpfchen im Brett nennt man buyut
(Plur. von beyt) 2 ). Wenden wir uns nunmehr der asia
tischen Verbreitung zu.
Auf den Malediven enthält das Brett 16 kleinere
Höhlungen in zwei parallelen Reihen und eine gröfsere
Höhlung an jedem Ende des Brettes. Die Eingeborenen
nennen das Spiel „Naranj“. In Ceylon, wo das Spiel
„Chanka“ genannt wird, sind 14 napffönnige Ver
tiefungen um zwei in der Mitte gelegene viereckige
Vertiefungen so angeordnet, dafs je sechs Näpfchen an
jeder Längsseite und je drei an jeder Schmalseite liegen.
Auch in Bombay ist das Spiel allgemein bekannt. In
Johore (Halbinsel Malakka) haben die Spiele eine boot
förmige Gestalt und werden Chongkak genannt. Sie
besitzen 16 Höhlungen in zwei parallelen Reihen und
je eine gröfsere der Form des Bootes angepafste Höh
lung an beiden Seiten. Auch auf den Philippinen
kommt die bootförmige Form mit vierzehn kleineren und
zwei gröfseren Näpfchen unter dem Namen „Chuncajon“
vor. Auch in Java ist das Spiel sehr bekannt. — Es
scheint also, dafs das Spiel längs der ganzen Küste von
Asien bis zu den Philippinen hin vorkommt 3 ).
2 ) Am St. Katharinenkloster der Si nailialbinsel sab
Carriugton Bolton das Spiel von Beduinen spielen; es beifst
dort Seega. Nach ibm ist es ein uralt arabisches Spiel,
„das wobl Moses schon mit den Töchtern Jethros spielte“.
Er giebt eine sehr genaue Beschreibung. (Journ. American
Folklore III, 132.)
3 ) Die Glieder im malaiischen Archipel, die bei
Stewart Culin fehlen, lassen sich ergänzen: Es ist als „Dakon“
auf demselben weit verbreitet; auf der Insel Bali heifst es
„Medjiwa“. Schmeltz bildet ein Exemplar aus Java ab, das
von den afrikanischen kaum abweicht. (EthnographischeMusea,
Leiden 1896, S. 24.)