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Full Text: Globus, 72.1897

Das Mancalaspiel und seine Verbreitung. 
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die Kämpfe nicht mit noch gröfserer Unmenschlichkeit 
geführt werden. 
Zum Schlufs noch ein kurzes Wort über den Kultur 
zustand und den Charakter der dortigen Bevölkerung. 
In den Küstenländern sind die Spuren eines amerika 
nischen Urvolkes durch die eingewanderten Europäer 
und Afrikaner verschwunden und hat schon europäische 
Kultur festen Fufs gefafst. In den hohen Punaländern 
hat sich die Urbevölkerung rein erhalten, befindet sich 
aber fast noch in der Periode der Steinzeit; denn von 
den wenigen fremden Elementen, mit denen sie bis 
weilen in Berührung gekommen ist, hat sie bei ihrer 
Abneigung gegen Neuerungen nichts angenommen ; selbst 
die einzige Waffe, der sich der Punaindianer zur Ver 
teidigung und zur Jagd bedient, ist nicht über die Stein 
schleuder hinweggekommen. Von Charakter ist er ver 
schlossen, aber ehrlich und zuverlässig. 
Die Bevölkerung der Pampaländer besteht aus etwa 
80 Proz. Indianern und 20 Proz. Mischlingen. Letztere 
sprechen aufser den Indianersprachen (Aymara und 
Quichua) auch Spanisch und haben sich hierdurch eine 
gewisse Überlegenheit angeeignet, die sie nicht selten zu 
Betrügereien benutzen. Trotzdem hat der Pampaindianer 
alle guten Eigenschaften seiner westlichen Nachbarn be 
wahrt, wenn er auch durch die Mischrassen mifstrauisch 
und abergläubisch geworden ist. Betrug, Diebstahl und 
Mord sind allen bekehrten Indianern unbekannte Dinge. 
Sie sind arbeitsam und fleifsig, sonst erinnert aber nichts 
mehr an ihre grofse Vergangenheit. Die Indianer der 
immergrünen Valleländer sind etwas verwöhnt, arbeiten 
nicht gern mehr, als zu ihrem Lebensunterhalt nötig ist, 
sind aber im übrigen ebenso treu und ehrlich wie die Hoch 
landindianer. Die Urwaldindianer endlich sind arg 
wöhnisch, oft grausam, aber tapfer und kühn, Eigen 
schaften, die sie jedenfalls erst durch die Verfolgungen 
angenommen haben; sie verschmähen es nicht, raubend 
und mordend in fremdes Gebiet einzufallen, wenn sie 
die Not, die sich bisweilen auch im Urwalde einstellt, 
hierzu zwingt, und gehen lieber unter, ehe sie sich vor 
einer fremden Gewalt beugen. Diese unglücklichen 
Wilden werden trotz ihrer Tapferkeit und Kühnheit und 
trotz ihrer vergifteten Pfeile vor den Feuerwaffen der 
weifsen Rassen nicht Stand halten können und schliefs- 
lich, wenn hierüber auch noch Jahre vergehen mögen, 
das Schicksal ihrer roten Brüder in Nordamerika teilen 
müssen. 
Das Mancalaspiel an 
Ein vergleichendes Studium der Spiele verspricht I 
einen Beitrag zur Geschichte der Kultur im allgemeinen 
zu liefern und aus diesem Gesichtspunkt ist die Frage 
ihrer Verbreitung über die Erde für den Ethnologen 
von Wichtigkeit. Der Ursprung der Spiele verliert sich 
in der ungeschriebenen Geschichte der Kindheit des 
Menschengeschlechtes, Das afrikanische „Mancala“ 
ist nun ein Spiel, das wegen seiner Verbreitung, die die 
Grenzen arabischer Kultur anzudeuten scheint, besonderes 
Interesse verdient. Als erster hat auf diese eigenartige 
Verbreitung Dr. Richard Andree in seinen Ethno 
graphischen Parallelen, Neue Folge, Leipzig 1889, hin 
gewiesen , zahlreiche einzelne Beobachtungen sind 
inzwischen veröffentlicht worden und neuerdings hat 
sich Stewart Culin, der Direktor des Museums der 
Archäologie und Paläontologie an der Universität von 
Pennsylvanien, mit dem „Mancalaspiel“ eingehender be 
schäftigt 1 ), da dasselbe auch in Amerika seinen Einzug 
gehalten hat, nachdem es schon viele Zeitalter hindurch die 
Bewohner fast der halben bewohnten Welt zerstreut 
und belustigt hat. Wir wollen hier auf den Inhalt 
seiner verdienstvollen Schrift eingehen und denselben 
aus anderweitig bekannt gewordenen Stoff in An 
merkungen ergänzen. 
Zunächst bespricht Culin die in Syrien vorkommende 
Form des Spieles. Es besteht dort aus einem Brett mit 
zwei Reihen von je sieben napfförmigen Vertiefungen. 
Man benutzt 98 Kaurimuscheln (wada) oder kleine 
Steine (hajdar) zum Spiel, welches La’b hakimi, d. h. 
Vernunftspiel, oder La’b akila, d. h. das verständige 
Spiel, genannt wird. Eine nur von Kindern gespielte 
Abart nennt man La’b roseya. Mancala ist in den 
syrischen Kaffees ein gewöhnliches Spiel. Kinder spielen 
es oft, indem sie die notwendigen Löcher in dem Boden 
hersteilen. Mancala, der Name, den die Syrier dem 
Spiele geben, ist ein gewöhnliches arabisches Wort und 
bedeutet so viel als Spiel, bei dem etwas (einer Stelle 
auf die andere) versetzt wird. Zwar ist es unter diesem 
Namen im Koran nicht erwähnt, mufs aber den Arabern 
U Mancala, tbe National Game of Africa. By 
Stewart Culin. From the Report of the U. S. National- 
Museum forl894, p. 595 bis 607, witb plates. Washington 1896. 
d seine Verbreitung. 
im Mittelalter bekannt gewesen sein, da im Kommentar 
zum „Kitab al Aghani“, d. h. Buch der Gesänge, von 
einem Spiel, ähnlich dem „Mancala“, die Rede ist. Dr. 
Thomas Hyde gab bereits vor 200 Jahren in seiner 
Arbeit De Ludis Orientalibus eine gute Beschreibung 
des Spiels, und Laue fand es in Kairo (Manners and 
Customs of the Modern Egyptians), wo es auf einem 
Brett mit 1 2 Öffnungen nur mit 72 Steinen oder Muscheln 
gespielt wird, die „hasa“ genannt werden. Die halb 
kugelförmigen Näpfchen im Brett nennt man buyut 
(Plur. von beyt) 2 ). Wenden wir uns nunmehr der asia 
tischen Verbreitung zu. 
Auf den Malediven enthält das Brett 16 kleinere 
Höhlungen in zwei parallelen Reihen und eine gröfsere 
Höhlung an jedem Ende des Brettes. Die Eingeborenen 
nennen das Spiel „Naranj“. In Ceylon, wo das Spiel 
„Chanka“ genannt wird, sind 14 napffönnige Ver 
tiefungen um zwei in der Mitte gelegene viereckige 
Vertiefungen so angeordnet, dafs je sechs Näpfchen an 
jeder Längsseite und je drei an jeder Schmalseite liegen. 
Auch in Bombay ist das Spiel allgemein bekannt. In 
Johore (Halbinsel Malakka) haben die Spiele eine boot 
förmige Gestalt und werden Chongkak genannt. Sie 
besitzen 16 Höhlungen in zwei parallelen Reihen und 
je eine gröfsere der Form des Bootes angepafste Höh 
lung an beiden Seiten. Auch auf den Philippinen 
kommt die bootförmige Form mit vierzehn kleineren und 
zwei gröfseren Näpfchen unter dem Namen „Chuncajon“ 
vor. Auch in Java ist das Spiel sehr bekannt. — Es 
scheint also, dafs das Spiel längs der ganzen Küste von 
Asien bis zu den Philippinen hin vorkommt 3 ). 
2 ) Am St. Katharinenkloster der Si nailialbinsel sab 
Carriugton Bolton das Spiel von Beduinen spielen; es beifst 
dort Seega. Nach ibm ist es ein uralt arabisches Spiel, 
„das wobl Moses schon mit den Töchtern Jethros spielte“. 
Er giebt eine sehr genaue Beschreibung. (Journ. American 
Folklore III, 132.) 
3 ) Die Glieder im malaiischen Archipel, die bei 
Stewart Culin fehlen, lassen sich ergänzen: Es ist als „Dakon“ 
auf demselben weit verbreitet; auf der Insel Bali heifst es 
„Medjiwa“. Schmeltz bildet ein Exemplar aus Java ab, das 
von den afrikanischen kaum abweicht. (EthnographischeMusea, 
Leiden 1896, S. 24.)
	        
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