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Full Text: Globus, 72.1897

Leo Hirsch: Ein Aufenthalt in Makalla (Südarabien). 
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geweiht war, und dessen rissige Mauern mit dem Zu 
sammensturz drohen, liegt vor uns, während das neue, 
vom Negib in ganz bedeutenden Dimensionen errichtete 
Schlots sich zu unserer Linken erhebt. Als der Negib 
in die Verbannung gezogen war, galt es als spukhaft, 
und es hiefs, Säcke mit Getreide und Datteln seien 
nachts aus seinen Fenstern geflogen. Man liefs es daher 
verfallen, und besonders das oberste Stockwerk sah 
schon recht ruinenhaft aus, als der Djemadar Munassar 
seine Residenz nach Makalla verlegte und es mit grofser 
Sorgfalt herzustellen begann, kurz bevor ich abreiste. 
Es hat, abgesehen von mehreren Aussichtstürmen, drei, 
stellenweise vier Stockwerke; am Freitag und bei der 
Ankunft eines Dampfers, die zuweilen Monate auf sich 
warten läfst, wird auf seiner Höhe die Flagge des 
Djemadars gehifst. Es liegt im östlichen Teile der Stadt; 
von seiner dem Meere zugewendeten Veranda hat man 
einen ausgezeichneten Blick über den mit zahlreichen 
Schiffen besetzten Hafen und die linke — westliche — 
Stadtseite. Weit über das festungsartige Stadtthor 
Der Schiffsbauplatz in Makalla. Photographiert von Leo Hirsch. 
hinaus überschaut man die am sanften Abhange der 
Gare verstreuten Arischen (Mattenhütten); dann folgen 
vorgeschobene Hügel, an die sich Ras Ramie, ein gleich 
hinter der Düne in Höhe der Gare aufsteigender Berg, 
und die ganze, von duftigen Gebirgsketten umsäumte 
Bucht bis hin zum Ras Berüm schliefst, das ihi’en End 
punkt bildet. Der Besitz der Stadt dieses Namens ist 
für die Djemadare von grofser Wichtigkeit, weil ihre 
Reede im Südwestmonsun den Schiffen eine sichere Zu 
flucht bietet, während sie im Hafen von Makalla zu dieser 
Zeit gefährdet sind. 
Dem Schlofs gegenüber breitet sich, von einer 
niedrigen Lehmmauer umgeben, die Miyenne, der Toten 
acker von Makalla, aus, zwischen dessen zahlreichen, wohl 
erhaltenen Gräbern grofse Büsche grünen Ithls (Tamarix 
nilotica Ehrenb.) wuchern, die der Stätte ein von der 
wüsten Verlassenheit anderer arabischer Kirchhöfe vor 
teilhaft abstechendes Ansehen verleihen. Hier ruht 
neben dem Vater des vertriebenen Negib auch der Schutz 
heilige von Makalla, Schech Yakub, dessen hochragendes 
Kuppelgrab der Gegenstand andächtiger Verehrung ist. 
An Moscheen leidet Makalla zwar keinen Mangel, 
doch zeigen sich die vorhandenen weder in Bauart noch 
Erhaltung hervorragend. Die Hauptmoschee, in der das 
Freitagsgebet verrichtet wird, ist recht unbedeutend 
und geht sogar augenscheinlich dem Verfall entgegen, 
und nur die vom Seyyid Amr Abu Aläma gestiftete 
Moschee Er-Raudha hat durch ihren schönen Säulenhof 
und ihr schlankes, gefälliges Minaret, das ans Meer 
stöfst, während die Moschee vom Bazar aus betreten 
wird, ein Recht auf freundliche Beachtung. 
Die Häuser von Makalla unterscheiden sich nicht 
von denen der anderen Städte dieser Küste; sie sind 
aus Lehmziegeln erbaut, die an der Sonne getrocknet 
werden, und nur ausnahmsweise getüncht. Oft steigen 
sie zu drei Stockwerken an, besonders in der City, wo 
die Indier wohnen, die hier eine hervorragende Stellung 
einnehmen. Denn der Handel von Makalla ist keines 
wegs unbedeutend, und überall herrscht reges geschäft 
liches Treiben. Auch der Schiffsbau steht in Blüte, und 
recht ansehnliche Fahrzeuge entstehen auf den Makallaer 
Werften. In deren Nachbarschaft, gleich am Kai, liegt 
das Zollhaus und die 
öffentliche Wage mit 
den mächtigen Stein 
gewichten ; auf dem 
freien Platze dabei sind 
grofse Mengen Waren 
aufgestapelt, die der 
Abfertigung harren. 
Die erhobenen Ein- 
und Ausfuhrzölle stel 
len die einzige Ein 
nahme der Regierung 
dar; Datteln, Durra, 
Mehl, die in grofsen 
Mengen eingeführt wer 
den müssen, da der 
Anbau selbst für die 
geringe Bevölkerung 
des Innern nicht aus 
reicht, zahlen für den 
Sack einen Zoll von 
1 / i M. Th.-Thaler, an 
dere Waren fünf Proz. 
des Wertes. Ein Aus 
fuhrartikel von grofser 
Wichtigkeit ist der in 
den Küstenstrichen vor 
züglich gedeihende Hamumitabak geworden, nach dem 
schon erwähnten Beduinenstamm benannt, in dessen 
Gebiet er hauptsächlich kultiviert wird. Die Ka aitis 
haben dessen Ausfuhr monopolisiert und gegen an 
sehnliches Baclcschisch einer Gesellschaft überlassen, 
die ihren Sitz in Konstantinopel hat. Natürlich ist 
der Artikel dadurch ungemein verteuert worden, worüber 
besonders die Adener Konsumenten sich bitter be 
klagten. 
Wie in Schehr ist auch die Bevölkerung von Ma 
kalla nur zum geringen Teile stadtgeboren; sie ent 
stammt vielfach den Ortschaften der gröfseren Wadis 
des Innern, besonders des Wadi Doan, meist aber dem 
eigentlichen Hadramüt, das durch lebhafte Handels- wie 
Familienbeziehungen mit den Küstenstädten verknüpft 
ist. In Makalla herrscht, wie in all diesen Ländern, 
viel Armut, aber weniger Bettel als in Schehr; auch 
macht sich die Bevölkerung dem Fremden gegenüber weit 
weniger lästig. Ihr Grundzug ist ein starker Hang zu 
heiterem Lebensgenufs und bescheidenen Vergnügungen, 
bei denen Gesänge nicht fehlen dürfen, deren sie ver 
schiedene Gattungen kultivieren, vorzüglich das Scheb-
	        
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