Leo Hirsch: Ein Aufenthalt in Makalla (Südarabien).
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geweiht war, und dessen rissige Mauern mit dem Zu
sammensturz drohen, liegt vor uns, während das neue,
vom Negib in ganz bedeutenden Dimensionen errichtete
Schlots sich zu unserer Linken erhebt. Als der Negib
in die Verbannung gezogen war, galt es als spukhaft,
und es hiefs, Säcke mit Getreide und Datteln seien
nachts aus seinen Fenstern geflogen. Man liefs es daher
verfallen, und besonders das oberste Stockwerk sah
schon recht ruinenhaft aus, als der Djemadar Munassar
seine Residenz nach Makalla verlegte und es mit grofser
Sorgfalt herzustellen begann, kurz bevor ich abreiste.
Es hat, abgesehen von mehreren Aussichtstürmen, drei,
stellenweise vier Stockwerke; am Freitag und bei der
Ankunft eines Dampfers, die zuweilen Monate auf sich
warten läfst, wird auf seiner Höhe die Flagge des
Djemadars gehifst. Es liegt im östlichen Teile der Stadt;
von seiner dem Meere zugewendeten Veranda hat man
einen ausgezeichneten Blick über den mit zahlreichen
Schiffen besetzten Hafen und die linke — westliche —
Stadtseite. Weit über das festungsartige Stadtthor
Der Schiffsbauplatz in Makalla. Photographiert von Leo Hirsch.
hinaus überschaut man die am sanften Abhange der
Gare verstreuten Arischen (Mattenhütten); dann folgen
vorgeschobene Hügel, an die sich Ras Ramie, ein gleich
hinter der Düne in Höhe der Gare aufsteigender Berg,
und die ganze, von duftigen Gebirgsketten umsäumte
Bucht bis hin zum Ras Berüm schliefst, das ihi’en End
punkt bildet. Der Besitz der Stadt dieses Namens ist
für die Djemadare von grofser Wichtigkeit, weil ihre
Reede im Südwestmonsun den Schiffen eine sichere Zu
flucht bietet, während sie im Hafen von Makalla zu dieser
Zeit gefährdet sind.
Dem Schlofs gegenüber breitet sich, von einer
niedrigen Lehmmauer umgeben, die Miyenne, der Toten
acker von Makalla, aus, zwischen dessen zahlreichen, wohl
erhaltenen Gräbern grofse Büsche grünen Ithls (Tamarix
nilotica Ehrenb.) wuchern, die der Stätte ein von der
wüsten Verlassenheit anderer arabischer Kirchhöfe vor
teilhaft abstechendes Ansehen verleihen. Hier ruht
neben dem Vater des vertriebenen Negib auch der Schutz
heilige von Makalla, Schech Yakub, dessen hochragendes
Kuppelgrab der Gegenstand andächtiger Verehrung ist.
An Moscheen leidet Makalla zwar keinen Mangel,
doch zeigen sich die vorhandenen weder in Bauart noch
Erhaltung hervorragend. Die Hauptmoschee, in der das
Freitagsgebet verrichtet wird, ist recht unbedeutend
und geht sogar augenscheinlich dem Verfall entgegen,
und nur die vom Seyyid Amr Abu Aläma gestiftete
Moschee Er-Raudha hat durch ihren schönen Säulenhof
und ihr schlankes, gefälliges Minaret, das ans Meer
stöfst, während die Moschee vom Bazar aus betreten
wird, ein Recht auf freundliche Beachtung.
Die Häuser von Makalla unterscheiden sich nicht
von denen der anderen Städte dieser Küste; sie sind
aus Lehmziegeln erbaut, die an der Sonne getrocknet
werden, und nur ausnahmsweise getüncht. Oft steigen
sie zu drei Stockwerken an, besonders in der City, wo
die Indier wohnen, die hier eine hervorragende Stellung
einnehmen. Denn der Handel von Makalla ist keines
wegs unbedeutend, und überall herrscht reges geschäft
liches Treiben. Auch der Schiffsbau steht in Blüte, und
recht ansehnliche Fahrzeuge entstehen auf den Makallaer
Werften. In deren Nachbarschaft, gleich am Kai, liegt
das Zollhaus und die
öffentliche Wage mit
den mächtigen Stein
gewichten ; auf dem
freien Platze dabei sind
grofse Mengen Waren
aufgestapelt, die der
Abfertigung harren.
Die erhobenen Ein-
und Ausfuhrzölle stel
len die einzige Ein
nahme der Regierung
dar; Datteln, Durra,
Mehl, die in grofsen
Mengen eingeführt wer
den müssen, da der
Anbau selbst für die
geringe Bevölkerung
des Innern nicht aus
reicht, zahlen für den
Sack einen Zoll von
1 / i M. Th.-Thaler, an
dere Waren fünf Proz.
des Wertes. Ein Aus
fuhrartikel von grofser
Wichtigkeit ist der in
den Küstenstrichen vor
züglich gedeihende Hamumitabak geworden, nach dem
schon erwähnten Beduinenstamm benannt, in dessen
Gebiet er hauptsächlich kultiviert wird. Die Ka aitis
haben dessen Ausfuhr monopolisiert und gegen an
sehnliches Baclcschisch einer Gesellschaft überlassen,
die ihren Sitz in Konstantinopel hat. Natürlich ist
der Artikel dadurch ungemein verteuert worden, worüber
besonders die Adener Konsumenten sich bitter be
klagten.
Wie in Schehr ist auch die Bevölkerung von Ma
kalla nur zum geringen Teile stadtgeboren; sie ent
stammt vielfach den Ortschaften der gröfseren Wadis
des Innern, besonders des Wadi Doan, meist aber dem
eigentlichen Hadramüt, das durch lebhafte Handels- wie
Familienbeziehungen mit den Küstenstädten verknüpft
ist. In Makalla herrscht, wie in all diesen Ländern,
viel Armut, aber weniger Bettel als in Schehr; auch
macht sich die Bevölkerung dem Fremden gegenüber weit
weniger lästig. Ihr Grundzug ist ein starker Hang zu
heiterem Lebensgenufs und bescheidenen Vergnügungen,
bei denen Gesänge nicht fehlen dürfen, deren sie ver
schiedene Gattungen kultivieren, vorzüglich das Scheb-