v. Hormuzaki: Zur Frage: „Über den Ursprung der Slaven“.
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(Malatharun), die Stätte der Malla, genannt. Die heuti
gen Malla im Süden, ebenso wie ihre Anverwandten, die
Mahar , die Pariah . des Marathalandes , gedenken noch
des Ansehens und der Macht, die sie ehemals genossen.
Letztere behaupten, in früherer Zeit die Herrscher von
Maharashtra gewesen zu sein. Dies ist auch höchst
wahrscheinlich, denn Maharashtra bedeutet nicht, wie
gewöhnlich angenommen wird, das grofse Reich, sondern
das Reich der Mahar, eine Auslegung, welche schon
Dr. John Wilson vorgeschlagen hat. Da Maharashtra
mit Mallaräshtra gleichbedeutend ist, bedarf diese Er
klärung keiner weiteren Begründung.
Das Wort Gauda, nachdem die Gaudier benannt sind,
ist gleichfalls von der urindischen Wurzel ko (ku), Berg,
abzuleiten, ebenso wie Göda und Gonda. Gauda und
Gonda sind identisch; der bekannte Distrikt und Ort in
Oudh heifsen sowohl Gauda wie Gonda 9 ).
Der Ausdruck Drävida ist schwieriger zu erklären.
Seine älteren Formen sind Drimila und Dramila. Ich
halte Dramila, das auch im Sanskrit vorkommt, für eine
Zusammenziehung von Tirumala, heiliges Mala. Im
Gegensatz zu Sanskrit, der Yada moli oder nördlichen
Sprache, wird Tamil Ten moli, südliche Sprache ge
nannt, und wie Sanskrit die wohlgeordnete, gebildete
Sprache bedeutet, so würde Tirumala die heilige Sprache
der Mala (Malla), der Vorfahren des tamulischen Volkes,
bezeichnen. Die Verknüpfung des Namens der Sprache
mit dem des Volkes ist nicht selten. Tiru wird in tri
und tra kontrahiert. So existieren beide Formen Dri
mila und Dramila; der Name für den unweit Madras
gelegenen heiligen Ort Tirupati ist gewöhnlich Tripati,
manchmal auch Trapati. Tiruvallänködu 10 ) ist der ur
sprüngliche Name des Staates Travancore. Die tamu-
9 ) Sir Alexander Cunninghams Archaeological Survey of
India, Yol. IX, S. 151.
Die gewöhnliche Ableitung des Wortes Gauda ist von
der Sanskritwurzel go, Kuh, siehe über diese Derivationen
Original-Inhabitants, p. 109—116.
10 ) Siehe A history of Travancore by P. Shungoonny
Menon, p. 1: Sreevalumcode or „Tiruvarumcode“ was vulga-
lische Schrift unterscheidet bekanntlich nicht zwischen
tenuis und media, und besitzt nur ein Schriftzeichen
für die vier Laute einer Konsonantenreihe, auch wii’d
cerebrales d häufig mit 1 vertauscht. In dieser Weise
sind Tramila (Dramila) und Dramida aus Tirumala ent
standen, und Dramila ist in Dravida modifiziert. Diese
beiden Formen kommen im Sanskrit vor; und Dra-
midan und Dravidan bedeuten in Malayälam respective
einen Tamulen und das Tamilland. Die Ableitung des
Wortes Tamil aus Dramila hat schon der verstorbene
Bischof Caldwell vorgeschlagen; Dramila selbst aber ist
bisher unerklärt geblieben.
Auf dem Gebiete der Religion besteht, wie voraus
zusetzen, ein bedeutender Unterschied zwischen den
Ariern und den indischen Ureinwohnern. In ihrer re
ligiösen Anschauungsweise auseinander gehend, vertreten
beide verschiedene Principien. Diese Principien haben
zwar im Laufe der Zeit bedeutende Modifikationen er
fahren, sind aber niemals gänzlich aufgegeben worden
und trotz vieler Zusätze und Entstellungen in ihrem
Grundwesen noch erkennbar geblieben. Hier ist nicht
der Ort, und es würde auch zu weit führen, auf die
vedische Anschauungsweise näher einzugehen. Es mufs
daher genügen, den wesentlichen Unterschied zwischen
der arischen und urindischen Geistesrichtung kurz her
vorzuheben. Meiner Ansicht nach verehren die ersteren
die in der Natur werdenden und wirkenden Kräfte,
während die letzteren die gewordenen und verkörperten
Existenzen der Natur anbeten (Fig. 4). Die Urbevölkerung
hat auch eine vage Vorstellung von dem Vorhandensein
eines unsichtbaren höheren Wesens. Ebenbürtig, ja
häufig sogar überlegen, steht ihm zur Seite eine weib
liche Gottheit, die Göttin der Erde, das Princip der
Gewährung. Beide gemeinsam beherrschen die niederen
guten (Fig. 5) und bösen Geister, und beschützen die
Menschen vor der Tücke der Dämonen (Fig. 6).
riseü into Thiruvancode, from which Travancore, the name
used by tbe English is derived.
Über die Ableitung von Drävida siehe Original In-
habitants, p. 25—29.
Zur Frage: „Über den Ursprung der Slaven“.
Von C. Freiherrn v. Hormuzaki in Czernowitz (Bukowina).
Zu der im 20. Hefte (Bd. 71) dieser Zeitschrift von
Herrn Karl Rhamm veröffentlichten Besprechung einer
unter dem obigen Titel in tschechischer Sprache erschie
nenen Schrift des Anthropologen L. Niederle glaube
ich einige ergänzende Bemerkungen hinzufügen zu
müssen. Wie nämlich aus dem erwähnten Artikel zu
entnehmen ist, scheinen einige neuere Forschungen den
beiden genannten Autoren unbekannt geblieben zu sein,
so namentlich die Arbeiten von de Lapouge und
Otto A mmon, die bedauerlicherweise in anthropolo
gischen Fachkreisen meist wenig berücksichtigt zu
werden pflegen. Nach meiner Ansicht dürfte die weitere
Verbreitung der schon ziemlich reichhaltigen Litteratur
dieser sogenannten „social-anthropologischen“ Schule in
hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft eine Umwälzung
mancher bisher landläufigen Anschauung zur F olge
haben; mag man nun aber damit einverstanden sein
oder nicht, jedenfalls sind die Endergebnisse, zu denen
die genannten Gelehrten auf Grund eines reichhaltigen
Untersuchungsmaterials gelangten, bedeutend genug,
um bei zukünftigen anthropologischen Forschungen auf
alle Fälle berücksichtigt, und von denjenigen, die sich
nicht als Anhänger dazu bekennen, wenigstens des Ver
suches einer Widerlegung gewürdigt zu werden. Für
meinen Teil halte ich die Ausführungen von de Lapouge
und Ammon im wesentlichen für vollkommen über
zeugend, doch kann es nicht die Aufgabe der vor
stehenden gedrängten Schilderung sein, deren Richtigkeit
begründen zu wollen ; in dieser Beziehung mufs auf
die betreffenden Werke selbst verwiesen werden, worin
alle Forschungsergebnisse mit Zuhülfenahme sorgfältiger
Beobachtungen, Körpermessungen und statistischer Über
sichten in ausführlicher Weise dargelegt sind J ). Hier
x ) Das zusammenfassende Hauptwerk von de Lapouge ist
betitelt: „Les sélections sociales“ ; Paris, Thorin & fils (A. Fon-
temoing), 1896. Darin ist auch (Seite 9 bis 12) ein reich
haltiges Verzeichnis aller auf dem Gebiete der „Socialanthro
pologie“ sowohl von demselben Verfasser, als auch von
anderen veröffentlichten Werke enthalten.
Unter den Arbeiten Otto Ammons wären hervorzuheben:
„Die natürliche Auslese beim Menschen“ und „Die Gesellschafts
ordnung und ihre natürlichen Grundlagen“, 2. Auf!., 1896
(beide im Verlage von G. Fischer in Jena), ferner die kürzeren
Abhandlungen: „Die Geschichte einer Idee“, „Die Arier
dämmerung“, „Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der
rundköpfigen Bevölkerungen“ u. s. f., in der „Rundschau“,
Beilage der Deutschen Zeitung, herausgegeben von Dr. Friedr.
Lange, Berlin 1896 und 1897.