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Full Text: Globus, 72.1897

Die Entdeckung der ältesten babylonischen Kultur. 
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vermittelt da und sind erst zu sehen, wenn man unmittel 
bar davor steht. Daher erklärt sich auch die akten- 
mäfsig beglaubigte Thatsache, dafs in den 20 er Jahren 
dieses Jahrhunderts in einem harten, schneereichen 
Winter, als die Erdfälle bis oben hin mit Schnee erfüllt 
waren, ein Landmann, der mit seinem Gespann heim 
wärts zog, unversehens in eines von ihnen geriet und 
darin mit Pferd und Wagen umkam; Mann und Pferde 
wurden erst mehrere Wochen später nach der Schnee 
schmelze tot aufgefunden. Bedeutend gröfser ist der 
vierte Erdfall, die eigentliche „Mauja“, die in unmittel 
barer Nähe der kleineren Erdfälle liegt. Er nimmt etwa 
eine Fläche von 40 bis 50 ha ein und wird bis 20 m 
tief; sein Boden ist zum Teil mit Moor bedeckt, an der 
tiefsten Stelle, da, wo zugleich die Böschung mit 35° 
ihren höchsten Wert erreicht, findet sich stets offenes 
Wasser, dessen Tiefe nicht zu ermitteln war. Hier be 
findet sich auch ein guter Aufschlufs; der obere Deck 
sand ist durch zahlreiche Geschiebe, gröfsere und klei 
nere Steine, darunter auch Feuersteine, gut charakterisiert. 
Nach Süden zu, wo die „Mauja“ offen ist, heben sich 
die Seitenwände des Erdfalles sehr deutlich von ihrer 
Umgebung ab. Historische Nachrichten über die „Mauja“ 
fehlen gänzlich, die einzige Notiz, die hierüber aufzu 
treiben war, befindet sich in den „topographisch-hist. 
Beschreibungen der Städte, Ämter und adeligen Ge 
richte im Fürstentum Lüneburg, zusammengetragen von 
M. F. C. Manecke, Zöllner zu Lüneburg“. Daselbst 
heifst es S. 91: „8. Thunpadel ... In den bei diesem 
Dorfe liegenden Moor Maujahn soll der Sage nach ein Dorf 
vor langen Jahren versunken sein, dessen Namen aber 
nicht mehr bekannt ist. Auch soll sich nach Versicherung 
eines glaubhaften Mannes, nämlich des Amtmannes 
Scharf in Dannenberg, im Kirchspiel Dannenberg, und 
zwar im Hausvoigteibezirk, ein Dorf Lemgraven befunden 
haben, dessen Lage aber nicht zu erforschen stand.“ 
Wie mir Herr Stadtvogt Lampe erläuterte, gehört aber 
das Terrain der „Mauja“ zum ehemaligen Hausvoigtei- 
bezirk; es liegt also die Möglichkeit vor, dafs besagtes 
Dorf Lemgraven an der Stelle der Mauja gestanden hat. 
Vor etwa 10 bis 12 Jahren ist im dortigen Moor eine 
eichene Thür gefunden und angeblich an irgend ein 
Museum im Hannoverschen verkauft worden, in welches ? 
konnte ich trotz mehrfacher Anfragen bei Museumsver 
waltungen nicht ermitteln, die Familie des glücklichen 
Finders ist inzwischen ausgestorben. Übrigens liegen 
eine Anzahl grofser eichener Bohlen oder Riegel noch 
jetzt im Moor, sie dienen den Hirtenjungen als Kom 
munikationsmittel. Ein alter Mann in Thunpadel weifs 
sich zu erinnern, dafs in der Mauja selbst vor langen 
Jahren eine Senkung entstanden ist und nach der Aus 
sage des Lehrers Reck im benachbarten Dörfchen Lenze ist 
in der Nähe im Jahre 1892 ein Erdrutsch entstanden. 
Da die Zahl der historisch beglaubigten gröfseren 
Erdfälle in Nordwestdeutschland eine sehr kleine ist, so 
würde es von grofsem Interesse sein, wenn durch histo 
rische Nachforschungen etwas Näheres über die Existenz 
und die Lage des Ortes Lemgraven oder eines anderen 
in dortiger Gegend untergegangenen Dorfes bekannt 
würde und wenn sich ermitteln liefse, wohin jene rätsel 
hafte eichene Thür vor 10 Jahren gekommen ist. Dazu 
anzuregen ist der Zweck dieser Zeilen. 
Die Entdeckung der ältesten babylonischen Kultur. 
(7000 bis 6000 vor unserer Zeitrechnung.) 
Seit 1888 war bei Nuffar — dem alten Nippur — 
in Nordbabylonien eine wissenschaftliche Forschungs 
expedition thätig, die von der Universität Philadelphia 
ausgesandt worden war. Bis 1890 wurden mehr Ver 
suchsgrabungen und Vermessungen unternommen; die 
Ausbeute bestand in etwa 10000 Inschrifttäfelchen und 
beschriebenen Gegenständen, u. a. mit verschiedenen 
Berichten Sargons I. und seines Sohnes Naram-Sin (etwa 
3800 vor unserer Zeitrechnung). Erst nach Besiegung 
mancher Schwierigkeiten wurden die Arbeiten 1893 
durch J. H. H a yn e s wieder aufgenommen ; seitdem sind 
sie mit so aufserordentlichem Erfolge im Gange geblieben, 
dafs der Beginn der Kulturgeschichte um Jahr 
tausende zurückgelegt worden ist. Dem Forscher 
J. II. H a y n e s gebührt der Triumph, die Ruinen der 
ältesten bekannten, mindestens 6000 bis 7000 Jahre 
vor unserer Zeitrechnung gegründeten Stadt ausge 
graben zu haben, und dem ? deutschen ? Gelehrten Pro 
fessor Dr. Hilprecht der Ruhm, die gröfsten Ent 
deckungen der neueren Zeit, durch seine mühsame 
Entzifferung der Inschriften, der Welt bekannt gemacht 
zu haben. 
Die grofsen Erdhügel von Nuffar liegen am Ostufei 
des jetzt versiegten Schat-en-Nil, eines ehemaligen, Ba 
bylon mit dem Persischen Meerbusen verbindenden 
Haupt-Schiffahrtskanals. Den Mittel- und Hauptpunkt 
der Ruinen und von Haynes Nachforschungen bildet ein 
kolossaler kegelförmiger Erdhügel — von den Arabern 
„Bint-el-Amir“ (d. h. „des Emirs Tochter“) genannt , 
der sich fast 29 m über die umgebende Ebene erhebt. 
Dieser Hügel bezeichnet die Lage des grofsen Zig- 
gurat oder Stufenturmtempels, der von Ur-Gur (oder 
Ur-Bahu, wie er früher genannt wurde) um 2800 v. u. Z. x ) 
erbaut und von späteren Königen wieder hergestellt und 
weiter ausgebaut worden ist. 
Ur-Gurs Stufenturm in Mugajjar (dem alten Ur) 
war schon länger bekannt; der in Nippur ist der erste, 
der gründlich erforscht wurde. Dieser Turm steht auf 
einer Basis von 59 X 39 m, mit den Ecken (wie die 
meisten dieser Türme) nach den vier Himmelsgegenden; 
er scheint, wie der in Ur, aus nur drei Stufen zu be 
stehen (nicht aus sieben, wie die späteren Türme zu 
Babylon und Chorsäbad). Jede Stufenwand war mit 
einer dicken Schicht Mörtel (Mischung von Lehm und 
Häcksel) bedeckt, die unterste zum Schutz gegen den 
Winterregen mit Brennziegeln verkleidet und mit einer 
Deckschicht aus Erdpech versehen. Der Aufstieg war 
an der Südostseite, wo zwei 3,40 m hohe, 16,32 m lange 
und 7 m voneinander entfernte Mauern aus Brenn 
ziegeln bis in den Tempelhof vorgebaut waren; der 
Zwischenraum war mit Rohziegeln gefüllt, und so bildete 
das Ganze einen breiten, zum Turm hinaufführenden 
Dammweg. Der ganze Tempelbezirk ist von einer 
massiven Mauer umgeben, von der noch mehr als 30 
Ziegelschichten zu sehen sind. 
Dieser Tempelturm Ur-Gurs ist in seinem Aufbau 
den ältesten ägyptischen Pyramiden (besonders von 
Medum und der Stufenpyramide von Sakkara) sehr ähn 
lich, während sein Dammweg an den bei der zweiten Py 
ramide Chaffras erinnert, der diese mit dem sogenannten 
Sphinxtempel verbindet. Die Entdeckungen in Nippur 
berechtigen dazu, die frühere Frage der Archäologen, *) 
*) v. u. Z. = vor unserer Zeitrechnung.
	        
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