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Full Text: Globus, 72.1897

Aus allen Erdteilen. 
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paläarktischen Region sich nicht nur ohne jede nennenswerte 
Einwanderung direkt aus der pliocänen entwickelt hat, 
sondern dafs sich die Binnenconchylienfauna in allen Haupt 
bestandteilen sogar bis zur Kreide zurückverfolgen läfst. 
Ferner betont der Verf., dafs nach seiner Überzeugung die 
heutige Molluskenfauna in allen ihren Details älter ist als 
die Erhebung der Alpen und Pyrenäen, und dafs die Eiszeit 
für die Molluskenfauna nur eine Episode des Zurückweichens 
und Wiedervordringens, nicht eine trennende Kluft in der 
Entwickelung bedeutet. 
Im übrigen beschränkt sich Kobelt in seinen Betrach 
tungen keineswegs auf die Mollusken, sondern nimmt auch 
auf die Säugetiere, Vögel und andere Klassen des Tierreichs 
Rücksicht. In Bezug auf die Säugetiere laufen allerdings 
einige Irrtümer unter. So z. B. ist auf S. 56 die Rüsselratte 
(Macroscolides rozeti Gerv.) als N a g e t i e r bezeichnet, während 
dieselbe thatsächlich zu den insektivoren Säugetieren gehört. 
Ferner heifst es S. 168 von den Lemmingen, „dafs sie die 
tundren-artige Zone am Südrande des grofsen Landeises nicht 
überschritten zu haben scheinen, und dafs ihre Reste sich 
wohl in den norddeutschen Interglacialschichten, aber nicht 
bei Mosbach oder in irgend einer Ablagerung am Fufse der 
Alpen finden“. Dieses klingt so, als ob diluviale Lemmings 
reste auf Norddeutschland beschränkt seien. Thatsächlich 
kommen dieselben aber, wie Ref. längst nachgewiesen hat, 
südwärts bis Schaffhausen vor, so z. B. am Schweizerbild bei 
Schaffhausen, bei Biberach im südlichen Württemberg, aufser- 
dem in den zwischenliegenden Gebieten, wie in bayerisch 
Oberfranken, bei Würzburg, bei Steeten im Lahntbal, im 
Elsafs etc. 
Auch möchte ich das gleichzeitige Nebeneinander 
leben von drei verschiedenen Biberspecies und von drei 
verschiedenen 1 Elefantenspecies an demselben Orte, wie 
es nach der S. 170 für die Mosbacher Sande aufgestellten 
Speciesliste anzunehmen wäre , als sehr fraglich bezeichnen, 
wie denn überhaupt die Specieslisten der meisten diluvialen 
Fundorte nach meinen Erfahrungen in vieler Hinsicht zu 
Zweifeln herausfordern. 
Im übi'igen ist das vorliegende Werk Kobelts den Zoo 
logen, Paläontologen und Geographen aufs wärmste zu em 
pfehlen. A. Nehring. 
F. Tetzner: Geschichte der deutschen Bildung und 
Jugenderziehung von der Urzeit bis zur Errichtung 
von Stadtschulen. Gütersloh, C. Bertelsmann, 1897. 
Soeben erschien dies Werk unseres Mitarbeiters, das eine 
Fülle ethnographischen Materials aus den Tagen unserer 
Urväter enthält. Der erste Teil macht uns mit der Urheimat 
der Deutschen, ihren Familieneinrichtungen, Spielen, den 
körperlichen und geistigen Übungen bekannt und giebt den 
gesamten Bildungsinhalt eines germanischen Jünglings wieder. 
Dabei wird der Bedeutung und Verwendung der Runen ge 
dacht und auf die burgundische Silberspange von Charnay 
verwiesen. Zahlreiche Runeninschriften werden in hoch 
deutscher Übertragung mitgeteilt. Dann geht der Verf. auf 
die keltischen, germanischen und römischen Schulen vor der 
Völkerwanderung über. Letztere sind durch ein sehr gut 
wiedergegebenes Titelbild illustriert, dessen Vorlage ein Relief 
des Trierer Museums ist, das hier zum erstenmale veröffent 
licht wird. Es stellt eine Schule dar in Trier ums Jahr 200 
n. Clir. Die weiteren Abschnitte beschäftigen sich mit den 
Völkern der Völkerwanderung und den Franken, dem Volks- 
gesange und der Volksdichtung; den Zaubersprüchen geht 
der Verf. nach und erörtert dann den Einflufs der Kaufleute, 
der deutschen Kaiser, der Priester, der Klosterschulen und 
des fahrenden Volkes. Ein lebendiges Bild ist die Darstellung 
des Ritterlebens. So nennen wir den Abschnitt trotz der 
gerade hier ungemein reichlichen Quellenangaben. Wir be 
gleiten den Jungherrn vom Kinderspiele zur Waffenübung, 
von der Stube des Pädagogen zum Schulturnier, zu der 
Schwertleite und dem Ritterschläge. Die ritterliche Ethik 
wird hier zum erstenmale im Zusammenhänge abgehandelt. 
Das Auftreten der Volksprediger, die Einrichtung der 
Kloster-, Stifts- und Domschulen, die Anfänge^der Stadtschulen 
und der Universitäten bildet den letzten Teil des Werkes. 
Manche Abschnitte desselben bekunden ein liebevolleres Ver 
senken in den Stoff, wodurch hier und da die Wiederholung 
eines wichtigen Gedankens entsteht. Aber eben für jene 
breiter angelegten Untersuchungen sind wir dem Verf. am 
dankbarsten. Sie werfen helles Licht auf Zeiten und Ver 
hältnisse, über die sich zu orientieren nur Fachgelehrte ver 
gönnen können. Dafs im Mittelpunkte aller Erörte 
rungen die Laienbildung steht, giebt dem Werke seinen 
Wert. Wie Specht vortrefflich Aufschlufs über die Schul- 
gelehrsamkeit jener Tage giebt, so Tetzner über den Stand 
der Laienbildung. Nur setzt Tetzner einige Jahrhunderte 
früher ein als Specht und hat für diese Zeit auch den Kreis 
der Schulwissenschaften eingehend erörtert. — Die Ausstat 
tung des Werkes ist vorzüglich. 
William Copeland Borlase: The Dolmens of Ireland, 
their distribution, structural characteristics and affinities 
in other countries; together with the folklore attaching 
to them. With 4 maps and 800 illustrations. London, 
Cliapman and Hall, 1897. 
Ein sehr kostbares Werk, das nach deutschem Gelde 
105 Mk. kostet und von dem man doch sagen mufs, dafs 
es nicht gerade neues bietet. Ein Blick in die endlosen Ab 
handlungen und Werke, welche der Verf. gewissenhaft auf 
führt, zeigt, wie unendlich viel schon über die megalithischen 
Denkmäler Irlands geschrieben wurde ; desto gröfser ist aber 
das Verdienst, alle diese zerstreute Litteratur zusammenge 
bracht, klassifiziert und mit endlosen Abbildungen versehen 
zu haben. Borlase verfährt dabei geographisch, ordnet die 
Dolmen nach Counties und giebt für jede der vier grofsen 
irischen Provinzen eine Karte der Verbreitung der Denkmäler. 
Im ganzen zählt er 898 Dolmen auf, die über Munster, 
Connauglit und Ulster gleichmäfsig mit je 250 bis 260 ver 
teilt sind, während Leicester deren nur 118 aufweist. Zur 
Beschreibung dieser Dolmen benutzt der Verf. 400 Seiten, 
während 800 Seiten auf die Dolmen in Europa, Asien und 
Afrika, ferner auf die mit den Dolmen verknüpften Sagen, 
sowie auf einige Abschnitte entfallen, die man in dem Buche 
nicht sucht und die von Anthropologie und Ethnologie, 
Volksüberlieferungen u. s. w. im allgemeinen handeln. Die 
Folklore allein hätte einen Band für sich gebildet, da in 
Irland sich viele Sagen und Gebräuche an die alten Stein- 
denkmäler knüpfen. 
Die letzteren werden eingehend geschildert, Stück für 
Stück, oft in ermüdenderWeise, und auch abgebildet. Hierbei 
bedauern wir jedoch die wenigen Grundrisse, die aufgeführt 
werden, da diese oft viel lehrreicher als perspektivische An 
sichten sind. Auch auf die grofse Ähnlichkeit, die sich bis 
zur Übereinstimmung steigert, zwischen den irischen und 
afrikanischen und asiatischen Dolmen weist Borlase ausführ 
lich hin. Sie ist ja längst bekannt und hat zu vielen Phan- 
tasieen und Spekulationen geführt, welche ein dolmenbauendes 
Steinzeitvolk von Asien durch Nordafrika, Spanien, Frank 
reich nach Grofsbritannien, Irland und Norddeutschland 
wandern liefsen. Bewiesen aber ist mit dieser Ähnlichkeit 
gar nichts. Die paläolithischen Steingeräte, wo sie auch ge 
funden wurden, gleichen sich auf ein Haar, die steinernen 
Pfeilspitzen aller Völker sind einander gleich, ob wir sie in 
Amerika, in Europa oder in Japan finden. Sollen die auch 
alle von einem Volke herrühren? Hier wie da hat das 
Bedürfnis und der menschliche Geist zu den gleichen Ergeb 
nissen geführt und wenn nicht stärkere Gründe vorliegen, 
als die einfache Ähnlichkeit oder Übereinstimmung, dürfen 
wir noch nicht auf die Erbauung aller Dolmen durch ein 
einziges Volk schliefsen. 
London. Dr. F. Carlsen. 
Ans allen Erdteilen. 
Abdruck nur mit Quellenangabe gestattet. 
— Carl Cherubim behandelt (Diss. Halle a. S. 1897) die 
Flüsse als Grenzen von Staaten und Nationen in 
Mitteleuropa als einen Beitrag zur Anthropogeographie. 
Ein ausführlicher erster Abschnitt, wesentlich geschichtlich 
statistischen Inhaltes und die Grundlage des vorliegenden 
Teiles abgebend, soll vielleicht später dem Druck übergeben 
werden. Nach den Ausführungen des Verf. besitzen Flüsse 
eine elementare verkehrshemmende Kraft zunächst an sich, 
durch ihre blofse Wassermasse. Diese Wirkung wird ver 
stärkt durch Versumpfung ihres Laufes oder sonstige ver 
kehrserschwerende Eigenschaften. In diesen Fällen, und 
namentlich, wenn dazu die Stromlinien nach Lage und Richtung 
fortifikatorische Bedeutung erlangen, sind Flüsse geeignet, 
nationale wie auch politische Grenzen abzugeben. Aber diese 
Grenzen sind zumeist nicht beständig. Bei steigendem Ver 
kehrsbedürfnis gelingt es der technischen Leistungsfähigkeit
	        
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