GLOBUS .
ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER - UND VÖLKERKUNDE .
VEREINIGT MIT DEN ZEITSCHRIFTEN : „ DAS AUSLAND“ UND „ AUS ALLEN WELTTEILEN“ .
HERAUSGEBER : Dr . RICHARD ANDREE . VERLAG VON FRIEDR . VIEWEG & SOHN .
Bd . LXXVII . Nr . 21 .
BRAUNSCHWEIG .
g . Juni igoo .
Nachdruck nur nach Übereinkunft mit der Verlagshandlung gestattet .
Pfeile mit eins
Von Prof . F . v . L
Mit zwei grofsen Sammlungen aus dem nördlichen Togo , die Dr . Kersting und Oberleutnant Thierry dem Berliner Museum geschenkt haben , sind zum mal Pfeile mit einseitigen Kerben zu unserer Kenntnis gelangt . Bei dem allgemeinen Interesse , das untersuchungen über Bogen und Pfeil in der letzten Zeit erregt haben und besonders mit Rücksicht auf die lehrreiche Arbeit von Dr . Karutz im letzten Bande dieser Zeitschrift , erscheint es mir angebracht , auf diese bisher völlig unbekannt gewesene Art der Kerbung zunächst an dieser Stelle aufmerksam zu machen .
Das Centrum ihrer Verbreitung ist Sansanne - Mangu ; am eigenartigsten ist sie , soweit unsere jetzige Kenntnis reicht , bei den Moba und Barba entwickelt . Über beide Stämme ist bisher sonst nur wenig bekannt ; fast möchte es scheinen , dafs sich unter den Moba noch Reste eines Pygmäenstammes verbergen . Jedenfalls schildert sie Thierry als wesentlich kleiner , als alle ihre Nachbarn , die Barba aber als lange Kerle , die sich statt der Sporen Stachelringe unter das Knie binden müssen , um ihre kleinen Pferde aneifern zu können . Arabische und berberische Beziehungen sind für diese Barba nicht nur durch den Namen , sondern auch durch ihr Zaumzeug , durch die tellerförmigen Gazellen - Fallen und durch manche andere ethnographische Einzelheit angedeutet , aber es dürfte bei der Spärlichkeit unserer bisherigen Kenntnisse über diesen Teil von Togo bracht sein , derartige weitgehende Folgerungen nicht weiter auszuführen . Einstweilen beschränke ich mich hier also auf die Beschreibung ihres Schiefsgerätes , wie es in zahlreichen Vertretern kürzlich zu uns gelangt ist .
Die Pfeile sind fast durchweg aus Rohr , meist sehr klein und leicht , etwa 55—60 cm lang , mit einer in den Schaft versenkten eisernen Spitze , gewöhnlich mit mehreren scharfen Widerhaken und stets vergiftet . Pfeile mit gewöhnlicher flacher Kerbe kommen in dem ganzen Gebiete ab und zu vor , meist aber finden sich einseitige Kerben . Unter diesen kann man sofort zwei voneinander völlig verschiedene Typen scheiden , freilicli ohne dafs gegenwärtig eine bestimmte Stammeszugehörigkeit für den einen oder den anderen Typus der Kerbe festgestellt wäre . Der eine Typus ist auf der umstehenden Abbildung durch die Nummern 2 und 5 vertreten ; man sieht , dafs die einseitige wand mit dem Pfeilschaft selbst aus einem Stücke schnitten ist . Gegen das Absplittern pflegt man ja auch sonst die Gegend des Kerbenendes irgendwie zu umwickeln oder zu verstärken , hier ist sogar die Kerben -
Globus LXXVII . Nr . 21 .
eitigen Kerben .
iuschan . Berlin .
wand selbst mit Bast oder auch mit Schlangenhaut auf das allersorgfältigste umwickelt . Bei Fig . 2 sieht man eine solche Umwickelung des ganzen Kerbenendes mit Bast ; bei Fig . 5a ist nur die Kerbenwand allein mit Bast umflochten , während das eigentliche Schaftende mit einem dünnen Streifen Schlangenhaut umwickelt ist . Die schematischen Zeichnungen 2a und 5b zeigen , wie diese Schaftenden bei Rohr - und bei hölzernen Pfeilen aussehen , bevor sie umwickelt werden . Eine ähnliche Art von Umwickelung finden wir übrigens auch bei den symmetrischen zweilappigen Kerben in den benachbarten Landschaften Kabure und Bassari .
Völlig anders sieht die einseitige Kerbe des zweiten Typus aus . Wie aus den Abbildungen 1 b und 3 , sowie aus den schematischen Skizzen lc und 3 a hervorgeht , ist hier das untere Schaftende glatt abgeschnitten , aber an einer Stelle etwas der Länge nach abgeflacht . An diese Stelle ist nun ein schmales Holzstäbchen so gebunden , dafs es nach unten vorsteht und so eine seitige Kerbenwand bildet . Ein solches Stäbchen kann bis zu 3 cm vorstehen , bildet also eine Kerbe von ganz ungewöhnlicher Länge . Schiefsversuche ergeben , dafs derartige einseitige Kerben völlig genügen und dafs das Spannen um so leichter ist , je länger das Stäbchen .
Ganz vereinzelt , nur durch einen einzigen Pfeil unter Tausenden aus dieser Gegend vertreten , ist der in Fig . 4 abgebildete Typus . In einem . Köcher , der sonst nur Pfeile von der Art der Figur 3 enthielt , fand sich ein einzelner Pfeil , an den zwei Stäbchen angebunden sind , so dafs etwas wie eine gewöhnliche symmetrische Kerbe erreicht ist . Allerdings ist die Kerbe so tief , dafs sie beim Spannen schon keine Erleichterung , sondern eher schon eine Schwierigkeit bildet . Wie die Abbildung zeigt , ist das untere Schaftende sehr sorgfältig mit Bast und darüber mit Streifen aus Schlangenhaut umwickelt . Sonst unterscheidet sich der Pfeil in keiner Weise von den übrigen aus demselben Köcher . Man wird seine ungewöhnliche Kerbe wohl nur auf einen ganz viduellen , vereinzelt gebliebenen Versuch beziehen dürfen und kaum für typisch halten können . Allerdings kommt eine völlig gleichartige Kerbung , d . h . das seitliche binden zweier etwas vortretender Stäbchen an das untere Schaftende als typische Einrichtung auch in Indien vor - — wie ich annehme , durch das gegebene Material bedingt . Nur ein sehr festes , hartes und dabei elastisches Rohr gestattet das Einschneiden einer wöhnlichen Kerbe ; wo nur ein weniger ausgezeichnetes Rohr verfügbar ist , gelangt man ganz von selbst dazu ,
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