GLOBUS .
ILLUSTRIERTE ZEITSCHRIFT FÜR LÄNDER - UND VÖLKERKUNDE .
VEREINIGT MIT DER ZEITSCHRIFT „ DAS AUSLAND“ .
HERAUSGEBER : Dr . RICLIARD ANDREE . >§^<7 VERLAG von FRIEDR . VIEWEG & SOHN .
Bd . LXVII . Nr . 21 . BRAUNSCHWEIG . Mai 1895 .
Nachdruck nur nach Übereinkunft mit der Verlagshandlung gestattet .
Die Schamakoko - Indian er .
Nacli Guido Boggianis „ I Ciamacoco“ von Karl von den Steinen .
Ein italienischer Künstler hat neuerdings zwei für die Ethnographie Südamerikas bemerkenswerte Arbeiten herausgegeben : eine kleinere über die in der Überschrift bezeichneten Indianer und eine gröfsere ( „ I Caduvei“ ) , die einem brasilischen Guaikurüstamm gewidmet ist und in einer späteren Besprechung besonders gewürdigt werden soll . Guido Boggiani ist an seine Beobachtungen , wie er mir schreibt , unvorbereitet herangetreten ; er ging als Landschaftsmaler auf Reisen , gelangte für kurze Zeit an den Rio Negro in Patagonien , begab sich dann nach Paraguay und verweilte fünf Jahre als Landbesitzer im nördlichen Chaco , in oder bei Puerto Pacheco , wo er die Schamakoko kennen lernte . Er hat reiche Sammlungen mitgebracht , die sich jetzt im prähistorisch - schen Museum von Rom befinden . Seiner auf Grund zweier Vorträge abgefafsten Schrift x ) sind 62 gen von Gegenständen der Sammlung nach schen Aufnahmen beigefügt . Sie bietet uns das erste Vokabularium des noch niemals genauer beschriebenen Stammes . Um die Nachrichten über die Lebensweise und die wichtigsten Gebräuche der Schamakoko zugeben , mufs ich versuchen , sie etwas systematischer zusammenzustellen , als in der von Boggiani gewählten Form des Vortrages möglich ist , wo sie sämtlich lich eines Marsches der Indianer von Lagerplatz zu Lagerplatz angeregt erscheinen und derart vielleicht an Lebhaftigkeit gewinnen , dafür aber an Übersichtlichkeit einbüfsen .
Puerto Pacheco am rechten Paraguayufer , etwas südlich vom 20 . Grad südl . Br . , begründet 1885 als Ausfuhrhafen der Zukunft von einer bolivischen Kompagnie und wenige Jahre darauf militärisch besetzt von Paraguay , liegt gefähr in der Mitte des Gebietes der Schamakoko , und hier klopfen diese auch an , wenn sie irgendwelche Waren zu erhandeln wünschen . Boggiani legte südlich des Hafenortes , wo er von der paraguayschen Regierung gefähr 80 qkm Land bewilligt erhalten hatte , zwei neue Stationen an und beschäftigte die Indianer beim roden . Ihre Südgrenze reiche etwa bis Fort Olimpo ; es scheine , dafs sie im Norden früher ihre Streifzüge bis nach Corumba ausgedehnt hätten , während sie jetzt selten über die Breite von Puerto Pacheco nach Norden gingen .
x ) Guido Boggiani : I Ciamacoco . Conferenza tenuta in Roma alla Società Geografica Italiana il giorno 2 giugno 1894 ed in Firenze alla Società Antropologica il 24 , dello stesso mese . Roma , presso la Società Romana per pologia , 1894 .
Gleims LXVII . Nr . 21 .
Ich darf hier wohl einige historische Anmerkungen flechten . Die Schamakoko sind bereits 1795 dem mandanten Rodrigues do Prado der h'estung Coimbra oberhalb Puerto Pacheco wohlbekannt ; er zählt sie unter den Stämmen auf , die von den Guaikuru grausam fehdet werden , und giebt an , dafs sie diesen ihre Kinder auch für Beile und Messer verkauften 2 ) . Nach Castelnau 3 ) ferner , der sie Chamicocos nennt , waren im Jahre 1803 einige Hundert bei Fort Coimbra angesiedelt . Zu seiner Zeit lebten sie als eine uncivilisierte Horde' im zustand mit den Chanes ( Guana ) und wurden von ihnen zu Sklaven gemacht . Dann möchte ich meine eigenen Angaben 4 ) über den Stamm nach Cuyabaner Akten aus dem Jahre 1848 wiederholen , weil sie kurz das liche des in Brasilien Bekannten zusammenfassen :
Zahl 200 . Südlich von Coimbra nahe der Bahia Negra über einen grofsen Waldbezirk in kleinen Gruppen verbreitet , die sich selten vereinigen . Stark , gute Arbeiter , wenig intelligent . Jäger , treiben sie wenig Pferdezucht . Nackt , die Frauen decken die Blöfse mit einem Gewebe von embira de caraguatä ( Bromeliae spinosae ) . Aus demselben Stoffe werden Säcke für Lebensmittel verfertigt . Keine andere Industrie . Zuweilen im Kriege mit einem Stamme gleichen Namens im Westen . Verkaufen ihre Kinder an Guaykurü und Guana für Beile , Pferde und Baumwolltuch . Nicht feindlich , aber nicht zum Anschlufs geneigt ; vier bis fünf sprechen portugiesisch . Höchstens einmal im Jahre kommen einige nach Miranda oder Albuquerque ( ! also weit auf das linke Paraguayufer hinüber ) . Betrinken sich gern und stehlen auch .
Offenbar sind die Schamakoko trotz ihres freien und ungebundenen Daseins seit mehr als einem Jahrhundert mit der Civilisation in nahe Berührung gekommen und mit dem Nutzen der Tauschwaren wohlvertraut .
Sehen wir uns zunächst ihre leibliche nung nach Boggianis Schilderung an . Körper grofs , schlank , Muskulatur kräftig und gewandt , Haut wie hellbraune Thonerde ( nach Ton und Farbe finden sieb meines Erachtens die besten Vergleichsstufen bei Blumentöpfen ) . Haar schwarz , glatt , selten lose hängend , meist im Nacken geknotet oder auf dem Kopfe aufgebunden , zuweilen in eine Art Zopf gedreht , mit einer Schnur umwickelt und mit Federbüscheln besteckt .
2 ) Historia dos Indios Cavalleiros ou da Nacao Guaycurü , ein wichtiger , 1795 verfafster Aufsatz des Kommandanten Francisco Rodrigues do Prado , Revista do Histor . Inst , e Geogr . do Brazil , 1839 , Vol . I , p . 38 .
3 ) Castelnau , Expédition , Vol . II , p . 397 , 405 . Citiert nach Martius : Zur Ethnographie Amerikas , Bd . I , S . 248 .
4 ) Karl von den Steinen , Unter den Naturvölkern brasiliens , Berlin 1894 , S . 548 , 549 .
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