Dr . H . Repsold : Sarat Tschandra Das’ Reise in Tibet .
223
= Kessel - bezw . Topfschmied und der Schuster keng - sepä = Schuhschmied . — Warum nicht also der christliche Pfarrer der „ Teufelsschmied ? “
Endlich mag wegen ihres örtlichen Charakters noch die folgende livische Erzählung hier Raum finden . Wir geben sie nach der Übersetzung Wiedemanns wieder , wo sie wie folgt lautet : „ Zu dieser Zeit ist ein Mann aus Dondangen nach Pissen zu seinen Verwandten zum suche gekommen auf Weihnachten . Am Festabend , als er da war , deckten sie die Fenster zu . Da hat er fragt : „ Warum deckt ihr die Fenster zu ? “ — Da haben sie angefangen zu sagen , dafs sie deswegen die Fenster zudeckten , damit nicht die Kobolde durch das Fenster hinein sähen , denn durch diesen Hof gehe der Weg der Kobolde gerade nach Irben1 ) . Und der Bauernhof , wo der Mann gewesen ist , hat „ Jakobs Hof“ geheifsen . Nach den Feiertagen am Abend des Neujahrs hat er an -
’ ) Das Ira der Liven . Vergl . die Karte in Bd . 61 , Nr . 23 des Globus .
gefangen , längs des Seestrandes nach Hause zu gehen , da hat er gesehen , wie ein schwarzer Busch hinter ihm hergekommen ist und die kleinen Däumlinge von der Heide . Es hat nicht lange gedauert , wie sie nahe waren , sind sie auch über ihn hergefallen und haben angefangen , ihn zu bedrängen . Da haben einige Kobolde ihn an den Haaren gefafst und haben angefangen , ihn längs des Seestrandes zu schleifen . Da hat er angefangen , zu schreien , dafs sie ihn verschonen möchten ; aber je mehr er geschrieen , desto mehr haben sie ihn bedrängt . Da hat er angefangen zu bitten , dafs sie ihn los lassen möchten . Da haben die Kobolde ihn halb tot vom Meere neun Faden losgelassen . “
Das Geistesleben eines Volkes , und sei es das des kleinsten und bedeutungslosesten , läfst sich nun einmal auf engbeschränktem Raume nicht erschöpfend behandeln , mögen denn die wenigen Mitteilungen von dem Dichten und Denken der letzten Liven dem Leser wenigstens eine allgemeine Vorstellung von der Art jener einsamen Fischer am kurischen Strande vei'mitteln .
Sarat Tscliandra Das’ Reise in Tibet .
Von Di\ H . Reps old . London .
Es handelt sich hier um eine Reise , welche dings schon vor zwölf Jahren gemacht wurde , über die aber die ersten Nachrichten jetzt in die keit dringen . Sie liegt sogar schon in einem gedruckten Foliobande von 200 Seiten unter dem Titel „ Narrative of a Journey to Lhasa in 1881 bis 1882“ vor , ist aber bisher in den Archiven der indischen Regierung borgen geblieben . Nach dem , was bis jetzt die schriften hier darüber veröffentlicht haben , gebe ich den folgenden Auszug .
Sarat Tschandra Das gehört zu jenen Panditen , welche die indische Regierung zur Erforschung des schlossenen Tibet mit gutem Erfolge aussendet und die , gut abgerichtet , viel zur Kunde des schwer zugänglichen Landes beitrugen . Während aber die meisten seiner Kollegen sich auf Routenaufnahmen und Messungen schränkten , konnte Sarat Tschandra Das , der ein in europäischer Art gebildeter Mann ist , tiefer in die sellschaftlichen und politischen Verhältnisse Tibets ein - dringen . Fr schreibt ein gutes Englisch und beherrscht die tibetanische Sprache vollständig . Aufserdem , besafs er die Freundschaft eines tibetanischen angesehenen Lamas , der mit ihm reiste und durch seinen Einflufs ihm die Wege ebnete , vornehme Bekanntschaften für ihn vermittelte und Gefahren von ihm fernhielt . Sich selbst machte der indische Reisende durch seine zinischen Kenntnisse beliebt , die ihm bei den Eingeborenen von grofsem Nutzen waren .
Ohne Gefahr gelangte das Paar über die Grenze und erreichte die grofse Stadt Schigatze am Brahmaputra , wo ein Gouverneur residiert , der allerdings abwesend war , aber Befehl erteilt hatte , die Reisenden gut nehmen . Es traf sich gerade , dafs die dreijährige Tributgesandtschaft von Kaschmir auf ihrem Wege nach der tibetanischen Hauptstadt Lhasa , Schigatze durchzog . Es datiert diese Leistung aus dem Jahre 1841 , als die Kaschmiri im Kriege gegen Tibet unterlagen . Wer die chinesische Geschichte kennt , weifs , Welchen Wert die Himmlischen auf Tributleistungen legen und wie das Volk kein anziehenderes Schauspiel kennt , als den Aufzug einer fremden Tributkarawane . Um die miri zu sehen , strömten denn auch in Schigatze nicht weniger als 15 000 Tibetaner zusammen , zwischen denen
die 50 fürstlich gekleideten Kaschmiri auf Ponies mit einem Gefolge von 100 Dienern hindurchzogen .
Anderseits lernte Sarat Tschandra Das in Schigatze ein Beispiel echt chinesischerWillkürherrschaft kennen . Einer der beiden in Lhasa ansässigen sischen Residenten besichtigt alljährlich die Festungen und Besatzungen , welche an der Grenze Tibets gegen Nepal errichtet sind , und diese Aufgabe war vor der kunft des indischen Reisenden dem jüngeren chinesischen Ampa ( Residenten ) zugefallen . Er sandte Boten voraus , welche seine Ankunft verkündigten und die reitungen zu seinem Empfange trafen . Die Kosten für diese Reisen und den damit verknüpften Aufwand hat von rechtswegen der tibetanische Staatsschatz zu tragen ; allein durch Mifsbrauch wurden sie allmählich auf die verschiedenen Orte übertragen , welche der Ampa bei seiner Reise berührte . Bisher erhob derselbe für seine Bedürfnisse täglich die Summe von 500 Rupien , bei der in Rede stehenden Inspektionsfahrt erhöhte er dieselbe aber willkürlich auf 750 Rupien , wogegen die Betroffenen laut Einspruch erhoben , da es ihnen unmöglich sei , eine so hohe Summe zu erschwingen . Die einzige Antwort hierauf war , dafs die Ortsvorsteher Prügelstrafe erhielten und ihr Eigentum verkauft wurde , um den Ampa frieden zu stellen . In Schigatze , wo der Ampa mehrere Tage sich aufhielt , wiederholte sich dieselbe Sache . Die reichei’en Leute wurden ins Gefängnis geworfen , gefoltert und so Geld aus ihnen herausgeprefst . Nun rottete sich das gequälte Volk zusammen und steinigte , unter führung des Jongpons ( Gemeindevorsteher ) die Wohnung des Ampa . Dafür nahte von Lhasa die Strafe , die nach chinesischer Art grausam genug ausfiel .
Nach der Rückkehr des „ Ministers“ , wie Sarat Tschandra Das ihn nennt , hatte er zahlreiche redungen mit dem für Fortschritte zugängigen Mann . Dieser verstand sich auf Photographie und hatte für die verschieden Chemikalien eigene tibetanische Ausdrücke erfunden . Auch sagte er , dafs er gerne Englisch lernen möchte . Der Indier hatte ihm als Geschenk eine graphische Presse mit allem Zubehör mitgebracht , auf der als erste Probe ein Loblied auf den Minister gedruckt wurde . Er liefs 20 Exemplare desfelben abziehen und an seine Freunde verteilen .