Zum Hauptinhalt springen
Page Banner

Volltext: Zeitschrift für Ethnologie, 43.1911

180 
Literarische Besprechungen. 
Ethnographische Beiträge zur Germanisch-Slawischen Altertumskunde von 
K. Rh amm. Zweite Abteilung, zweiter Teil, Germanische Altertümer 
aus der slawisch-finnischen Urheimat. Erstes Buch: Die altslawische 
Wohnung. Braunschweig, Kommissions-Yerlag von Fr. View eg 1910, 
X und 431 S. 8°. 
Früchte einer fast vierzigjährigen, intensiven Sammler- und Forscherarbeit sind 
in diesen „Beiträgen" niedergelegt, die sich würdig den vorausgegangenen Beiträgen, 
speziell dem Riesenbande über die urzeitlichen Bauernhöfe im germanisch-slawischen 
Waldgebiet (von 1908), anreihen. Allerdings befand sich der Verfasser bei der Aus¬ 
arbeitung dieses Bandes in einer wesentlich ungünstigeren Lage; beruhte nämlich 
der vorige Band auf eigener Anschauung, gewonnen durch langjähriges Durch¬ 
streifen deutsch-slawischer Gegenden von der Eider bis zur Save, so ist bei diesem 
Bande der Verfasser ausschliesslich von Anderen abhängig gewesen. Er kennt 
nicht mehr aus eigener Anschauung die russischen und polnischen Gegenden und 
Bauten und ist bloss auf die sehr zerstreute und öfters versagende Literatur des 
Gegenstandes (die er mit erstaunlicher Sorgfalt zusammengebracht hat), angewiesen ; 
daher wird sein Material lückenhaft und sind sogar Missverständnisse nicht aus¬ 
geschlossen, namentlich ein verhängnisvoller Irrtum unterläuft ihm auf S. 129: die 
Angabe dort bezieht sich gar nicht auf die Stuben, wie Verfasser meint, sondern 
auf die Bauernhäuser selbst und ihre gegenseitige Lage: Das russische izba, das 
Stube und Haus bedeutet, täuschte den Verfasser. Trotzdem bleibt das Werk 
äusserst verdienstvoll, ist es doch der erste Versuch überhaupt (nicht nur in deutscher 
Sprache), das slawische Bauernhaus nach allen seinen Typen darzustellen und zu 
erklären. Freilich geht bei dieser Erklärung der Verfasser vom grossrussischen 
Bauernhaus aus; ihm hat stets „das grossrussische Haus von allen slawischen 
Bauten der alten Heimat die meisten Reste des Altertums bewahrt" (II, 1, 216), und 
andererseits sind „bei den Grossrussen die Anklänge an die germanischen Vorbilder 
in den Bauten am kenntlichsten erhalten" (409); diese „germanischen Vorbilder" 
bei den Slawen zu erweisen, ist ein Hauptzweck seiner Arbeit, der meiner Ansicht 
nach gar nicht erreicht ist oder höchstens nur für grossrussische Verhältnisse 
einigermassen passt. 
Wohl beruft sich der Verfasser hierbei auf wirkliche und noch viel öfters auf 
vermeintliche Lehnwörter des Slawischen aus dem Germanischen, da ja die Namen 
mit den Sachen zu wandern pflegen, aber das beweist bei der bekannten ,.Xeno- 
manie" der Slawen gar nichts. Die Slaven pflegen nämlich schon im frühesten 
Mittelalter Bezeichnungen der eigenen Sprache aufzugeben, sie ohne Grund und Not 
durch fremde, germanische oder orientalische, zu ersetzen; wer darauf Schlüsse 
baut, muss folgerecht den Slawen z. B. die Milch erst durch Germanen bekannt 
werden lassen, da ja alle Slawen nur den einen germanischen Ausdruck für Milch 
besitzen. Die eigene Terminologie der Slawen für den gesamten Hausbau ist jedoch 
eine sehr reiche und selbständige ; man vergleiche hierfür die Termini dorn, d v o r 
chatupa, trem (das ja nicht aus dem Griechischen entlehnt ist), chram, kçsta,. 
jata, klëtr, sënr, u.a.; dass sie noch dazu aus dem Deutschen chyz (Haus), und 
i s tub a (Stube, falls dies nicht aus dem Romanischen zu ihnen gekommen ist), 
entlehnt haben, besagt somit nichts. Übrigens haben sie is tub a nur in der Be¬ 
deutung „Badestube'- übernommen und erst später ist istuba auch „Wohnstube" 
überall geworden; die ältesten einheimischen Quellen brauchen istuba als Bade¬ 
stube (z. 15. der sog. Nestor, d. i. die altruss. Clironik; man vgl. auch in Christians, 
des Böhmen Wenzelslegende aus dem Ende des X. Jahrh. die Wendung; in asso 
balneo quod populari lingua stuba vocatur); das Wort ist aus der Bad- in die 
Wohnstube gewandert, weil gerade die Hausnamen in steter Umformung begriffen 
sind. Man vergleiche nur, was alles aus trem, chyz, oder kçsta geworden ist, 
konnte doch z. ß. chyz (deutsch lius) in einem und demselben Dialekte in zwei 
grundverschiedene Wörter auseinandergehen, in bis Keller, Gaden und in his a 
Wohnstube; in Wollin 1125 war stuba nicht mehr Badestube, wie wir es aus den
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.