Hauptmann a . D . Hutter : Völkergruppierung in Kamerun .
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die Franzosen ; mit seinem Tode hat auch sein Reich sein Ende gefunden . In Bornu kam die ursprüngliche nastie der Sefiya wieder auf den Thron .
In ähnlicher Weise wohl wie in dem mit dem vorzugsweise betrachteten Tsadseegebiet rollte kerwoge auf Völkerwoge über den südlichen Teil des mittleren Sudan , über Adamaua , hin . Hier gehen die Nachrichten nicht annähernd so weit in die heit zurück wie dort oben . Wir wissen eigentlich nur über die letzte dort stattgefundene gewaltige Umwälzung , die sich zii Anfang des vorigen Jahrhunderts vollzogen hat , Näheres . Zu dieser Zeit saßen bereits auch in maua ( das aber damals diesen Namen noch nicht trug ) nördlich und südlich des Benue Negerstämme , zu lich mächtigen Reichen konzentriert . Das weitaus deutendste war das der Batta am mittleren Benue und am Faro , das im Norden an Bornu grenzte . Östlich davon hatten die fast gleich starken Fälli ihren Sitz ; südlich von beiden , in der Gegend des heutigen Ngaum - dere , folgten dieMbum und noch weiter südlich die Yan - gere und Baia — alle in zahlreiche kleinere Stämme verschiedenen Namens zerfallend und ihrer Religion nach Heiden . An den südlichen und südwestlichen Grenzen dieser Gebiete , nicht mehr weit entfernt von den gardenvölkern der urwaldbewohnenden Bantu , saßen kleinere Stämme , mit eben den Bantu , die nach Norden drängten bzw . geschoben wurden , in Fehde lebend , zum Teil bereits Mischvölker mit ihnen bildend .
Die über diese Landstriche Anfang des 19 . hunderts hinweggehende Völkerwoge nun kam — mittelbar wenigstens — von Westen .
Vor mehreren Jahrhunderten bereits tauchten in den am mittleren Niger belegenen Staaten der Haussa , also im westlichen Sudan ( Haussa sind gleichfalls ein Mischvolk von Negern und aus der Wüste bzw . Nordafrika gewanderten Stämmen ) , dann in Bornu , in Baghirmi vereinzelte Angehörige eines fremden Volkes hamitischen oder arabischen Ursprungs auf : die Ful - be , wie sie sich selber , Felläta , wie die Araber und Neger sie nennen . Auch bei den Batta usw . , also im heutigen Adamaua , erschienen sie als nomadisierende Rinderhirten , bar ohne engeren volklichen Zusammenhang . Zu fang des vorigen Jahrhunderts nun wurden diese bis dahin fast unbeachteten , ja unterdrückt lebenden und dadurch ihr Blut um so reiner erhaltenden derten zunächst im Herzen der Haussaländer , in den Gegenden von Gando und Sokoto , von religiösem tismus — die Fulbe sind Mohammedaner — erfaßt : ein Religionskrieg , der bald auch politischen Charakter nahm , entbrannte . Die Haussastaaten wurden mert , Fulbereiche traten an ihre Stelle . Die Bewegung pflanzte sich gen Osten fort . Das Bornureich konnte sich als solches mit Mühe erhalten , doch die uralte Se - fiyadynastie , die sich unfähig gezeigt hatte , das Land zu schützen , fiel . Nach dem mißglückten Anprall an das Tsadseeland zogen die Fulbescharen südwärts gegen die oben genannten Negerreiche der Batta usw . , wo ja auch schon zahlreiche Stammesgenossen verstreut lebten . Diese Reiche wurden über den Haufen geworfen ; nach dem siegreichen Anführer 'Adama erhielt das ganze Land seinen nunmehrigen Namen Adamaua . Ende der ziger Jahre des vorigen Jahrhunderts war diese tige Umwälzung in diesen Gebieten so ziemlich beendet , eine Reihe von Fulbestaaten war entstanden : Dönga , Gashaka , Könsha , Bänyo , Tibäti usw . , und als ster und südlichster Ngäumdere . Alle aber unterstanden dem Sultanat Jöla , nach der von 'Adama am Benue gründeten Stadt benannt ; und dieses wieder bildete in seiner Gesamtheit eine Provinz des großen westsudani -
Globus LXXXYI . Nr . 1 .
sehen Fulbereiches von Sokoto . Herrscher waren mehr allerdings die vordem fast unterdrückt lebenden Fellata ; aber durchaus nicht voll und ganz . Begünstigt durch das gebirgige Gelände Adamauas , haben sich eine ganze Reihe von Stämmen ( Bestandteile der einstigen Negerreiche ) unabhängig zu erhalten gewußt ; wieder andere sind nach Süden und Südwesten gewichen und haben sich zwischen die schon früher hier sitzenden Grenzstämme hineingeschoben bzw . diese ihrerseits der verdrängt .
Damit sind die Sudannegerstämme an die hier ihre Nordgrenze besitzenden Bantustämme angeprallt . Wir sind an der eingangs genannten Grenzlinie der beiden ethnographischen und zugleich geographischen abschnitte Kameruns angelangt .
Diese in den größten Zügen hingeworfenen lichter auf die Geschichte der Völker in unserem merun , auf die volklichen Verschiebungen xmd zungen waren zur Schaffung einer verständlichen graphischen Überschau nötig ; diese selbst , die Schilderung der derzeitigen Völkergruppierung kann nunmehr kurz gefaßt werden . Infolge des Eingreifens der päischen Mächte ( Deutschland , England und Frankreich ) werden einerseits stabilere Verhältnisse Platz greifen , wenigstens hinsichtlich größerer umwälzender bungen ; um so rascher und intensiver werden volkliche Vermischungs - und Verschmelzungsprozesse vor sich gehen , sowie europäischer Einfluß umgestaltend , sierend und damit nivellierend sich geltend macht . durch wird Fixierung des gegenwärtigen Völkerbildes in mancher Richtung in nicht zu ferner Zeit auch eine historische Bedeutung gewinnen .
Ich beginne im Norden , wo das Völkerbild an sich ein recht buntscheckiges ist , sobald wir die großen völkerungsgruppen wieder in ihre Einzelelemente legen .
In Deutsch - Bornu , also in dem geographischen biete zwischen dem südlichen Tsadseeufer und der grenze Adamauas ( etwa dem 1 ] . nördlichen Breitengrad ) , bilden zunächst dem Tsadsee die Hauptmasse der rung die Bornuleute xar’ , die Kanuri . ( Es ist das , wie oben angedeutet , lediglich ein kollektiver , kein nationaler Begriff . Er umfaßt demgemäß nicht nur die einstigen Kanemeinwanderer , sondern auch die Reste der alten Bevölkerung und die aus der Vereinigung dieser beiden hervorgegangenen neuen Stämme . ) Östlich davon im Sharidelta , also in der I^andschaft Logon , sitzen ziemlich geschlossene Makari - oder Ivotokostämme , welche im übrigen in ganz Deutsch - Bornu verstreut kommen . Südlich von Logon , den Shari stromaufwärts und herüber bis zur Adamaualandschaft Marua , finden wir den volkreichen Stamm der Musgu4 ) , der sogar noch nach Westen in das Bergland von Mandara überreicht . Den übrigen Bestandteil der Bevölkerung in Mandara bilden Kanuri . Westlich von Mandara , längs seines Nord—Süd streichenden langgezogenen Ge - birgsstockes , wohnen die Marghi .
Wie im ganzen mittleren Sudan fehlen auch in Deutsch - Bornu die Araber nicht , deren verschiedene Stämme zu den verschiedensten Zeiten ins Land gekommen sind . Denn nur diese seit Generationen im Sudan sitzenden Araber kommen bei einer Überschau über die verhältnisse in Betracht ; nicht aber die als Kaufleute
4 ) Oppenheim bemerkt hierzu , daß er in Kairo vielfach mit diesem Namen die heidnischen Stämme südlich des Tsadee überhaupt im Gegensatz zu den Mohammedanern bezeichnen hörte .
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