Wittich: Strandlinien an der Südküste von Niederkalifornien. — Vom Tocantins-Araguaya. 379
Strandlinien an der Südküste von Niederkalifornien.
Von Dr. E. Wittich. Mexiko.
Die Südspitze der Halbinsel Niederkalifornien, die
sogenannte Kapregion, die man sich meist als schmale
Zunge vorstellt, hat in der Richtung von Ost nach West
eine Breite von rund 80 km.
Ihr südlichster Punkt, das Kap San Lucas, liegt auf
einem niedrigen, etwa 1 km langen Granitrücken an der
Westküste, in einer Breite von 22° 52'20", also nur wenig
südlich des Wendekreises. Mehrere parallele Gebirgs
ketten durchziehen im Westen die Kapregion von Nord
nach Süd, die im Picacho San Lazaro 1500 m Höhe erreichen.
Durch das breite Tal des San Joséflusses ist ein östliches
Gebiet abgetrennt, in dem sich das kleine Granitgebirge
La Trinidad erhebt. Gegen die Küste hin fallen die
Gebirgsketten in Staffeln ab, die letzten dieser abge
sunkenen Schollen springen als niedrige Vorgebirge in
den Ozean vor, zwischen denen das Meer buchtenartig ein
dringt. So bilden sich kleine natürliche Häfen, wie der
ehemals bekanntere Hafen vom Cabo San Lucas, ferner
die Bucht von Palmillas, der Nothafen westlich des Städt
chens San José del Cabo u. a. m.
Das wesentlichste Gestein dieser Gegend sind, wie
bemerkt, Granite in verschiedenen Variationen, sie bilden
meist die Oberfläche und verdecken die älteren und von
ihnen durchdrungenen Diorite. Letztere treten nur an
wenigen Stellen, u. a. in Barrancas, zutage, sind aber
häufig in den Einschlüssen im Granit noch deutlich zu
erkennen. Beide kristalline Massen haben ihrerseits
kristalline Schiefer intrudiert, wesentlich sind es schwarze
Glimmerschiefer. Die jüngsten Bildungen sind Granit
gänge, Pegmatite und Aplite, die als letzte kristalline
Nachschübe die erwähnten älteren Gesteine durchsetzen.
Unmittelbar auf dem kristallinen Sockel ruhen Ab
lagerungen des oberen Neogens, die besonders im Süden
und Westen auf den niedrigen Staffeln bis zum unmittel
baren Küstensaum sich ausbreiten. Die Mächtigkeit des
Tertiärs, das zum obersten Miozän und Pliozän gestellt
wird, erreicht mehr als 70m; hei dem Mangel an Auf
schlüssen ist eine genauere Angabe unmöglich. Bis jetzt
haben sich drei verschiedene Horizonte darin unterscheiden
lassen. Am weitesten ins Innere des Landes reicht die
tiefste Stufe; es sind kalkige Sande und Mergel mit Un
mengen von Ostreen. Darauf folgen reine Kalke mit vielen
Fossilien, darunter häufig Korallen. Nach oben stellen sich
Granitgerölle ein, so daß allmählich ein grobes Strandkon
glomerat entsteht, reich an fossilen Konchylien oder Stein
kernen. Scharfe Grenzen lassen sich hei dem allmählichen
Übergang zwischen den einzelnen Schichten nicht ziehen.
Die Abhänge des Tertiärs sowohl wie die der Granit
rücken werden auf der gegen den Ozean gerichteten
Seite bedeckt von mehreren übereinander liegenden Ter
rassen. Die höchste unter ihnen — etwa 100 m über
dem heutigen Meeresspiegel — liegt 1 bis 2 km landein
wärts. Fossilien fand ich keine in ihr, es ist vielmehr
nur ein wesentlich aus Granitgeröllen aufgebauter Strand
wall, der an vielen Stellen durchbrochen und denudiert
wurde.
Erheblich niedriger liegt die zweite, die nächst jüngere
Terrasse; ihr Niveau schwankt zwischen 30 bis 50 m über
dem Meere. Landeinwärts bildet sie eine breite Ebene
bis zum Fuße der vorherigen Strandlinie, die steil über
ihr aufsteigt.
Eine reiche Koncliylienfauna zeichnet die zweite Stufe
vor der älteren aus.
In nächster Nähe des heutigen Ufers, in rund 10m
Höhe, liegt ein dritter Wall mit einer landeinwärts an
schließenden Strandfläche. Strandgerölle, Sande und
zahlreiche Reste suhfossiler Konchylien setzen diese
dritte Uferzone zusammen.
Ein schmaler Saum von niedrigen Dünensandwällen
markiert die Bildung rezenter Strandlinien.
An dem südlichsten Teile der Westküste ist die Ent
wickelung der Uferwälle etwas verschieden. Schon an
der Südspitze, am Kap San Lucas, und dann weiter nörd
lich werden die rezenten Küstensande erheblich mächtiger
und reichen weit ins Land hinein. Große Dünen ent
wickeln sich jedoch nicht. Am Cabo Falso, etwa 3 km
nördlich von San Lucas, tritt deutlich eine junge Strand
linie auf, aber etwa 40 m über dem Meere und völlig
überdeckt von Dünensanden. Alle Gerolle der Terrasse
sind geglättet und poliert. Starke Westwinde tragen
den Dünensand noch weit ins Innere des Landes hinein,
so daß die älteren Terrassen verdeckt werden.
Mit den Strandterrassen korrespondieren an mehreren
Stellen Flußterrassen. Besonders im Tale des Rio San
Jose — des größten Flusses in der Kapregion — sieht man
in die Strandlinien eingemischt die Flußgerölle der älteren
Schuttkegel, und von dem ehemaligen Küsten wall aus
ziehen talaufwärts mehrere entsprechende Flußterrassen.
Daß der Wechsel zwischen Aufschüttung und Erosion
in den Tälern im Zusammenhang steht mit den Strand
verschiebungen, zeigt sich auch in den kleineren Tälern
deutlich, wenn sich auch nicht in jedem Bachtal eine
Dreiteilung der Terrassen erkennen läßt.
Bemerkenswert ist, daß zwischen den einzelnen Strand
linien stets eine mehr oder weniger breite Plattform liegt, die
ehemalige Strandfläche. Der Abfall der älteren Terrasse
zur jüngeren Plattform ist dabei ziemlich steil. Die
Niveauänderungen, d. h. der Rückgang des Ozeans, haben
demnach mehrfach in längeren Intervallen stattgefunden,
scheinen aber dann rasch, nicht allmählich, vor sich ge
gangen zu sein.
Die einzelnen Etappen dieser Vorgänge markieren im
Innern des Landes Uferterrassen, die alten Wasserstands
linien der Flüsse.
Die Tatsache, daß das junge Tertiär sich so weit in
das Innere der Kapregion erstreckt, zeigt, daß zuerst im
Neozän eine starke Transgression stattfand, der aber vom
Diluvium an ein stetiger und beträchtlicher Rückgang
des Meeres folgte, der heute noch anhält. Dement
sprechend gewinnt die Südspitze Niederkaliforniens ständig
an Land, während der pazifische Ozean in gleichem Maße
zurückweicht.
Vom Tocantins-Araguaya.
Ziemlich verspätet ist kürzlich — im „Mouv.Geogr.“ —
ein Bericht über eine Expedition erschienen, die in den
Jahren 1901 und 1902 im Aufträge der brasilianischen
Regierung am Tocantins und Araguaya tätig war und
die Aufgabe hatte, das Gebiet beider Ströme auf kommer
zielle Hilfsquellen und die Möglichkeit der Benutzung
der Flüsse zu Verkehrszwecken zu untersuchen. Der
Bericht ist von dem Leiter des Unternehmens, dem Belgier
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