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Full Text: Anthropos, 16/17.1921/22

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Dr. P. M. Küsters, 0. S. B., 
für seine Bequemlichkeit gesorgt werden, und das würde die Hockerstellung 
erklären auf den ältesten Stufen, es ist die Stellung des Menschen am Feuer, 
in der Hütte, wenn er ausruht von seinen Mühen. 
Sobald aber der Seelenglaube aufkommt und der Mensch sich spekulativ 
betätigt, nimmt das Begräbnis andere Formen an. Spekulativ begründet ist 
der Kannibalismus, wo er sich nicht als Ausnahme, sondern als Volkssitte 
findet. Der ganze Süden kennt den Kannibalismus nur als Kind der Not; die 
ältesten Völker sind ganz frei von ihm, erst im Kongobecken und dann weiter 
in Ost- und Westafrika tritt er auf, gestützt auf ein ganzes System geistiger 
Konstruktionen. Ich will hier nicht wiederholen, was ich in dein Kapitel über 
Kannibalismus gesagt habe; das eine geht aber klar aus den Darlegungen 
und aus der historischen Folge des Kannibalismus hervor, daß er weder als 
Endo- noch als Exokannibalismus eine Durchgangsstufe der Menschheit war, 
sondern daß er als Sitte nur im Zeitalter des Animismus, und nur als Kind 
der Not bei den älteren Völkern Afrikas in Brauch gekommen ist. Wenn 
Reinhardt in der oben angeführten Stelle, gerade die mystischen Vorstellungen 
über die Gewinnung der Seelenkräfte als Erklärung des ursprünglichen Kanni 
balismus heranzieht, so ist das auch rein entwicklungsgeschichtlich eine Un 
möglichkeit, auf die er selber verweist, wenn er die Aussetzung als präani- 
mistisch und doch zeitlich später als den Kannibalismus ansetzt. Steinmetz 
hat eine, wie ich beim Kannibalismus ausführte, psychologische Erklärung 
des bestehenden Kannibalismus gegeben, nicht aber eine Genesis dieser Sitte, 
noch weniger aber den Beweis erbracht, daß sie ursprünglich Allgemeingut 
der Menschheit war. Nicht einmal den Versuch, das Fehlendes Kannibalismus 
bei den ältesten Völkern zu erklären, finden wir in seiner Arbeit. 
Wir haben also als die Richtlinien der Entwicklung festzuhalten: 
Liegenlässen an der Feuerstätte, Erdgrab, daneben gelegentliches Aus 
setzen. Das Erdgrab entwickelt sich zum Hüttengrab, dieses wird in der Folge 
zum Nischengrab. Vom Hüttengrab zweigt sich ab die Aussetzung infolge der 
üblen Erfahrungen. Das Hockergrab ist eine Begleiterscheinung des Hütten 
grabes, das Steingrab tritt zur gelegentlichen Aussetzung hinzu. Der Kanni 
balismus ist nicht als ursprüngliches Allgemeingut der Menschheit anzusehen 
sondern erst in der animistischen Periode zur Sitte geworden, sonst immer 
eine Ausnahmeerscheinung geblieben. 
Das Baumgrab können wir, allerdings mit aller Reserve, bei dem Hütten 
grab einreihen, verausgesetzt, daß die Vermutung von Schurz richtig ist, daß 
wirklich das Baumgrab aus dem Baumhaus sich entwickelt haben kann. 
Das Flußgrab stellt nur ein wesentlich besser geschütztes Erdgrab dar. 
Lebendigbegraben ist eine Nebenerscheinung des Erdgrabes, die auf 
animistische Vorstellungen gegründet ist, darum nicht ursprünglich sein kann 
und sich auch bei keinem alten Volke findet. 
Die Feuerbestattung ist ein Fortführen der Aussetzung. Letztere geht ja 
auf die Vorstellung der Schädlichkeit des Toten zurück. Dieser Schaden wird 
hervorgerufen durch den Bestand des Toten. Eine völlige Vernichtung des 
Toten bringt völlige Ruhe; daher verbrennt man die Leiche und sichert sich 
so vor jeder üblen Nachwirkung.
	        
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