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P. Wilh. Köppers, S. V. D.,
Kulturkreislehre und Buddhismus 1 .
Eins Neuorientierung des Problems.
Von P. Wilh. Köppers, S. V. D.
Es ist eine allgemein bekannte Tatsache, daß der Buddhismus unter den
verschiedenen Religionen der Erde eine besondere Stellung einnimmt. Das
Recht auf eine derartige Bevorzugung räumen ihm sowohl innere als äußere
Gründe ein: einerseits die vergleichsweise Hoheit verschiedener seiner Grund
lehren und Einrichtungen, anderseits die in der Tat weltweite Verbreitung,
die er im Laufe der Zeit gewonnen hat. Beide Momente sind gewiß darnach
angetan, den Buddhismus dem Kultur- und Religionshistoriker zu einem sehr
interessanten Beobachtungs- und Studienobjekt zu machen.
Aus dem gewaltigen Komplex der Fragen und Probleme, der sich beim
Worte „Buddhismus“ auftut, will ich heute eines herausgreifen und einer
näheren Behandlung unterziehen. Ich möchte mich verbreiten über den Bud
dhismus in seiner kulturhistorischen Begründung.
Wollen Sie sich nicht fürchten, wenn ich über den Buddhismus in seiner
kulturhistorischen Begründung, also vornehmlich über die kultur- und religions
geschichtlichen Voraussetzungen desselben, zu Ihnen sprechen will. Ich weiß,
in dieser Hinsicht ist schon sehr vieles gesagt und geschrieben worden, und
wie es dann halt zu gehen pflegt: der eine wiederholt wesentlich das, was
der andere auch schon sagte. Könnten wir aus diesen alten ausgetretenen
Geleisen noch immer nicht heraus, in der Tat, ich würde mir die Erörterung
dieser Frage schenken. Nun steht die Sache bereits anders, günstiger. In den
letzten Jahren ist der Versuch gemacht, in weitgehendem Maße kann er unseres
Erachtens als geglückt gelten, die allgemeine Völkerforschung, die Völkerkunde
zu einer exakt historisch arbeitenden Wissenschaft um- und auszugestalten.
Es zeigt sich, daß die Anwendung der Erkenntnisse dieser neuen Völkerkunde
ein neues Licht auch über Wesen und Voraussetzungen des Buddhismus ver
breitet. Daß es mir zuerst vergönnt war, diese, wie ich glaube, wohl be
deutungsvollen Einsichten zu gewinnen, stellt weniger ein besonderes Ver
dienst, als vielmehr einen Zu- oder Glücksfall dar: Diese Erkenntnisse
nämlich fielen mir gewissermaßen von selber in den Schoß, und zwar das
auf Grund der gegebenen Doppelausrüstung, mit der ich an die Sache her
antreten konnte, der Ausrüstung einerseits eines Indologen, anderseits eines
Ethnologen, näherhin eines Ethnologen, der aus tiefster Überzeugung der
neuen historischen Richtung auf dem Gebiete der völkerkundlichen Forschung
huldigt. Steht die Sache so, hat die neue Völkerkunde wesentlich Neues auch
zu den kulturhistorischen Voraussetzungen des Buddhismus zu sagen, dann
verkörpert dieser Fall ein klassisches Schulbeispiel dafür, wie die historische
1 Unter dem gleichen Titel waren die nachfolgenden Ausführungen als Vortrag für den
deutschen Anthropologenkongreß in Hildesheiih, 3. bis 6. August 1921, angekündigt. Der Ver
fasser konnte denselben nicht mehr halten, weil die Verhältnisse eine frühere Abreise nach
Amerika, als anfangs geplant war, wünschenswert erscheinen ließen. Im Text ist im allgemeinen
die ursprüngliche Vortragsform beibehalten worden.