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Analecta et Additamenta.
Analecta et Additamenta.
Die Feuerlandreise von Gusinde-Koppers zu Anfang 1922. — Am 4. Jänner
waren wir bei den Yagan (= Yamana) eingetroffen. Von unseren bis zum 23. Jänner geleisteten
Arbeiten sind die „Anthropos“-Leser unterrichtet worden durch die Veröffentlichung eines
Briefes, den der Unterzeichnete an den Herausgeber dieser Zeitschrift gerichtet hatte'. Von den
weiteren Ergebnissen (wir blieben an Ort und Stelle bis zum 7. April) soll im nachfolgenden
in kurzer Zusammenfassung abermals berichtet werden.
Die anthropologischen Messungen wurden ergänzt. Von allen erwachsenen Stammes
mitgliedern (es zählt der Stamm noch rund 70 rassenreine Individuen!) besitzen wir die Masse,
mit Ausnahme von etwa vier bis sechs Personen, die isoliert im äußersten Süden wohnen.
Die phonetisch-linguistischen Studien, von denen im obengenannten Briefe schon die
Rede war, wurden in entsprechender Weise fortgesetzt.
Im Vordergründe unserer Bestrebungen stand die Erforschung der übrigen geistigen
Kultur der Yagan; dieses aus dem einfachen Grunde, weil jeder Sachkenner sah, wie hier noch
die meisten Fragen der Beantwortung harrten.
In erster Linie ist nun unter dieser Rücksicht zu eiwähnen, daß wir beide geheimen
Spiele, welche die Yagan besitzen, aktiv miterleben konnten.
Zunächst wurde die Initiationsfeier, wie P. Gusinde sie zwei Jahre zuvor schon
mitgemacht hatte, wiederholt. Einerseits sollte auch ich dieses Mal in den Stamm aufgenommen
werden, anderseits wurde heuer von vorneherein gestattet, gleich bei Abwicklung derselben die
entsprechenden schriftlichen Aufzeichnungen zu machen, eine Vergünstigung, die sie vor zwei
Jahren noch nicht hatten gewähren wollen.
Zur Feier dieser Feste hatten wir uns zu Anfang März mit etwa zehn bis zwölf der
Indianerfamilien auf die südlich vom Kanal Beagle gelegene Insel Navarin zurückgezogen. So
wünschten es die Leute, denn sie fürchteten andernfalls — nicht mit Unrecht — doch immer
wieder eine Profanierung ihrer Geheimnisse durch unberufene Weiße.
In das eigens errichtete große Initiationshaus zogen für fünf Tage und fünf Nächte sieben
bis acht Familien hinein. Die einzelnen Kandidaten, unter denen auch wir uns befanden, wurden
gleich jener Familie zugeteilt, welche gemäß Überlegung und Weisung der Alten die „Patin“
für ihn zu stellen hatte. Im übrigen bildet die höchste Instanz bei der ganzen Feier der soge
nannte .„Herr des Hauses“. Mehr als dieser indes tritt aktiv der „Leiter des Hauses“ hervor.
Er bildet in der Tat die Seele des Festes. Irgendein Alter, von dem man weiß, daß er in der
Sache versiert ist, wird mit dieser Würde bekleidet. Dann gibt es auch noch einen „Polizisten“,
einen Wächter, der für die äußere Ordnung zu sorgen hat; ihm liegt besonders die Sorge dafür
ob, daß keine Unberufenen sich nähern.
Der Name dieser Initiationsfeier ist (Jiexaus. Dieselbe gleicht am besten einem systema
tischen Erziehungskursus, wie er an den im Entwicklungsalter stehenden Knaben und Mädchen
vorgenommen wird. Die vorherrschenden Ideen sind: Kennenlernen der alten Traditionen und
Gebräuche des Stammes, Erziehung, Heranbildung der Kandidaten, einerseits zu guten Familien
vätern und Familienmüttern, anderseits zu tüchtigen Stammesmitgliedern.
Diese Einrichtung wird von den Yagan ungemein geschätzt. Sie fühlen es instinktiv, daß
mit derselben ihre altererbte Geisteskultur wesentlich steht und fällt. Ihre schönsten Erzählungen,
Instruktionen (an die Kandidaten), Gesänge, Tänze und sonstigen Gebräuche kommen bei dieser
' „Anthropos“ XIV—XV (1919—1920), S. 1130ff.