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Full Text: Anthropos, 16/17.1921/22

Beiträge zur Kostümkunde des Kaukasus. 
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Beiträge zur Kostümkunde des Kaukasus. 
Von Hedwig v. Drachenfels. 
Während meiner mehrjährigen Tätigkeit am Kaukasischen Museum in 
Tiflis habe ich mich neben anderen Arbeiten viel mit den Kostümen der zahl 
reichen, im Kaukasus lebenden Völker befaßt und habe einen großen Teil der 
reichhaltigen Sammlung nicht nur für ein geplantes Kostümwerk gezeichnet, 
sondern habe auch jedes Stück ganz genau gemessen und davon Schnitte in 
zehnfach verkleinertem Maßstabe angefertigt. Dabei sind mir einige Einzel 
heiten aufgefallen, die vielleicht von größerer Tragweite sind, als man bei so 
einfachen Dingen wie Gewandschnitten suchen würde. 
Die Lösung der Aufgabe, den menschlichen Körper, Rumpf, Arme und 
Beine, mit dem in^der gemäßigten Zone üblichen System von „Röhren“ aus 
Stoff zu umkleiden, ohne ihn zugleich der Bewegungsmöglichkeit zu berauben, 
scheint gar nicht so einfach gewesen zu sein. Die europäische Schneider 
kunst hat gerundete Schnitte erfunden, die allen Anforderungen entsprechen, 
die kaukasischen Völker kennen, bis auf wenige Ausnahmen, aber nur den 
geradlinigen Schnitt, wodurch das Problem für sie recht schwierig wird. Die 
Ansatzstellen für die hauptsächlichsten Körperbewegungen sind Schulter- und 
Hüftgelenk. Daher hat bei den Kleidern die Verbindung zwischen Ärmel und 
Rumpfteil einerseits und der beiden Hosenbeine untereinander anderseits, also 
die Achsel und der Schritt, ihren Verfertigern scheinbar das meiste Kopf 
zerbrechen verursacht. Die technischen Schwierigkeiten, die hier verborgen 
liegen, haben nun die verschiedensten Lösungen erzwungen, die so charak 
teristisch sind, daß man auf den ersten Blick ein turkmenisches Hemd von 
einem swanischen, ein tatarisches von einem armenischen oder aissorischen 
unterscheiden kann, auch wenn man weder Stoff noch Ausschmückung ansieht, 
sondern nur die Schnitte vergleicht. Ebenso ist es mit den Hosen. Eine jesidische 
und eine tatarische Weiberhose weichen ebenso stark von einander ab, wie 
eine chewsurische Männerhose von einer adsharischen. Die ganze Art, wie der 
Stoff gehandhabt, gefaltet und geschnitten wird, ist eine grundverschiedene. 
Bemerken möchte ich hierbei, daß sich die vorliegende Arbeit aus 
schließlich auf Hemden und Hosen bezieht. Die Oberkleider, die an sich viel 
reizvoller, schöner und, was die Ornamentik anbetrifft, auch viel interessanter 
sind, habe ich nicht berücksichtigen können, weil man bei ihnen nie sicher 
ist, ob sie auch wirklich innerhalb des eigenen Volksstammes angefertigt 
worden sind. Oft geschieht es, daß die Anfertigung der schönen wollenen 
und seidenen Oberkleider einem Schneider im nächsten Orte anvertraut wird. 
Da müßte man zuerst wissen, ob der Schneider, der wahrscheinlich einem 
anderen Volksstamme angehört, nicht zweier Völker Eigentümlichkeiten in 
einem Kleidungsstücke vermischt hat. Von den Kurden weiß man es z. B., 
daß sie ihre schönen gestickten Gewänder von Armeniern anfertigen lassen. 
Daher ist auch die Stickerei auf den kurdischen Männerjacken und den ar 
menischen Weiberschürzen genau die gleiche, bis auf eine kleine Vogelfigur, 
die die Armenier für sich reserviert haben und nie einem Kurden aufs Ge 
wand nähen. Ferner unterliegen die Oberkleider einer, wenn auch langsam
	        
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