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Full Text: Anthropos, 32.1937

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Werner Danckert, 
3 BAESSLER-Archiv, Bd. 15, Heft 1, Berlin 1932, S. 55 f. 
daß die Musikethnologie sehr spät — erst seit der Erfindung des Phono 
graphen — zu verläßlichem Untersuchungsstoff gelangte. Aber nicht nur das 
Material ist bis auf den heutigen Tag ungleich lückenhafter geblieben als in 
anderen Sonderzweigen der Völkerkunde, sondern auch die stilkritischen 
Methoden, die zur Auswertung dieses Materials dienen, sind noch recht jungen 
Alters, und wir stehen hier noch inmitten einer sehr stürmisch ablaufenden 
Entwicklung, was Begriffsbildung und Arbeitstechnik angeht. Erst im letzten 
Jahrzehnt sind einige Ansätze sichtbar geworden, die auf eine fruchtbare Aus 
wertung stilkritischer Ergebnisse im Rahmen der kulturhistorischen Forschung 
hinzudeuten scheinen. An erster Stelle ist eine kleine Buchrezension v. Horn- 
bostel’s 3 zu nennen, die (wie das so häufig bei den Arbeiten des verstorbenen 
Bahnbrechers der Musikethnologie zu bemerken ist) weit über den ursprüng 
lichen thematischen Anlaß hinausdringt und geradezu das Musterbeispiel einer 
produktiven Besprechung genannt werden darf. Da wird zum erstenmal, wenn 
auch nur andeutungsweise, der Versuch unternommen, auf Grund rein musi 
kalischer, melodiestilistischer Kriterien größere Stilgruppen gegeneinander 
abzugrenzen und sie ethnischen und kulturellen Einheiten zuzuordnen. Als 
monographische Ergänzungen sind die Studien von Kunst über die Musik von 
Neuguinea, die HERZOG’schen Arbeiten über den Yuma-Stil und die Studie 
Herbert Hübner’s über die Musik im Bismarck-Archipel zu erwähnen. Auch 
einige Abschnitte aus Marius Schneidens „Geschichte der Mehrstimmigkeit“ 
verdienen in diesem Zusammenhang Beachtung. 
In methodischer Hinsicht eröffnen sich, so scheint es mir, mehrere Wege, 
um Form- und Sinngehalt tönender Gebilde zu bestimmen. Der naturgegebene 
Ansatzpunkt wird zumeist die stilkritische Erfassung des Melodischen 
sein. Die hier entspringenden Formimpulse pflegen gewöhnlich in den Bereich 
der mehrstimmigen Formen stilbestimmend hinüberzuwirken. Innerhalb des 
melodischen Bereiches gibt es nun aber zweifellos eine ganze Reihe von sinn- 
tragenden Schichten. So könnte man etwa ausgehen von der melodischen 
Substanz, wie sie sich vor allem in der Leiterbildung niederschlägt. Ich habe 
den Eindruck gewonnen, daß die melodische Substanz als Kulturkriterium 
besonders in den mutterrechtlichen Kreisen und in den stärker mutterrechtlich 
unterschichteten Hochkulturen des Fernen Ostens, auch Altamerikas, von Be 
deutung ist. Bei anderen Völkern und Kulturen hingegen, so etwa in weiten 
Bereichen der australischen oder indianischen Musik, erscheinen nicht so sehr 
die substanziellen Züge, wie Leiterbildung, Tonvorrat, geprägte Tonformeln 
aufschlußreich, als vielmehr die strukturellen und dynamischen Potenzen, die 
in der Melodik zum Ausdruck gelangen, d. h. in erster Linie die Formen des 
tonräumlichen und zeitlichen Ablaufs, die damit unzertrennlich verknüpften 
Unterströmungen, mit einem Wort: die gesamten Züge, die man etwa als 
Bewegungshabitus bezeichnen könnte. 
Zum Teil greift nun diese Bedeutungsschicht schon hinüber in eine dritte 
Ausdruckssphäre, die am stärksten in der Vokalmusik, schwächer beim instru 
mentalen Vortrag zu beobachten ist: ich meine jenen außerordentlich vielfältigen
	        
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