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Justus Hash agen,
legung der Urnenfriedhöfe der späteren Eisenzeit auf hohe Bevölkerungsdich
tigkeit gezogen haben, gelten nur für einzelne, besonders bevorzugte Gegen
den, dürfen aber nicht verallgemeinert werden 7 * .
Die Landnot ist offenbar nicht durch die Raumnot, sondern durch eine
gewisse Rückständigkeit der germanischen Landwirtschaft mit hervorgerufen
worden. Rodungen auf schwierigerem Waldboden und Leidbau in schlechteren
Lagen werden erst spät in der fränkischen Zeit in Angriff genommen. Als
sich die Vandalen im ersten nachchristlichen Jahrhundert zuerst in Schlesien
ausbreiteten, haben sie nach Ausweis der Lunde immer nur die besten Böden
in Besitz genommen. Als diese einigermaßen erschöpft waren, mußten sie
weiterziehen: nach Gallien, Spanien, Afrika.
Von einer intensiveren Landwirtschaft kann bei den Germanen schon
deshalb nicht die Rede sein, weil ihnen der feinere Garten-, Obst- und Ge
müsebau und der Weinbau ursprünglich fremd sind, woraus es sich teilweise
auch erklärt, daß die Germanen die Weine des römischen Gebietes mit großer
Bereitwilligkeit aufnahmen. Nur die Sueben hatten diese römische Weinein
fuhr aus naheliegenden Gründen verboten. Daß aber der passive Weinhandel
bei den Germanen einen großen Umfang annahm, ergibt sich aus der ein
fachen sprachlichen Tatsache, daß das deutsche Wort Kaufmann vom lateini
schen caupo — Küfer übernommen ist, also aus dem Weinhandel stammt s .
Strabo, VII, 290 ff, der zeitlich zwischen Caesar und Tacitus schrieb,
übertreibt gewiß, wenn er von den Germanen jenseits des Rheins bis zur Elbe
ganz allgemein eine „innere Bereitschaft zum Wechsel ihrer Wohnsitze“ be
hauptet, und wenn er fortfährt: „Der Grund dafür liegt in der Einfachheit
ihrer Lebensführung und darin, daß sie keinen (!) Ackerbau treiben . .“
Aber daß zwischen der Primitivität der Landwirtschaft und dem unausrott
baren Hang zur Wanderung ein Kausalzusammenhang bestanden haben muß,
wird man nicht in Zweifel ziehen. Man kann diese sich endlos wiederholenden
und sich unter den spätgermanischen Wikingern bis zur Höhe des Mittelalters
erstreckenden Wanderungen doch nicht nur auf die gewiß reichlich bezeugte
Raub- und Mordlust einerseits und auf die romantische Sehnsucht nach den
warmen, kulturgesättigten Ländern des Mittelmeers anderseits zurückführen.
Was aber von der Landwirtschaft gilt, gilt vom Gewerbe und besonders
vom Bergbau in verstärktem Maße, soweit es sich nicht um Waffen handelt.
Hier sind trotz allen beträchtlichen prähistorischen Leistungen noch in den
ersten nachchristlichen Jahrhunderten wirkliche Lortschritte durchweg nur
dann zu verzeichnen, wenn römischer Einfluß wirkt.
Karl Schumacher sagt freilich in seiner ausgezeichneten Kultur- und
Siedlungsgeschichte der Rheinlande, III, 8 (1925), von den ältesten frühger
manischen Wanderungen der historischen Zeit: „Alle diese. . . geschahen aus
Übervölkerung.“ Eine solche Lormulierung kann aber in zweifacher Richtung
falsche Vorstellungen erwirken, da ja weder Raumnot, noch eine irgendwie
übermäßige Bevölkerungsdichte Vorgelegen haben kann. Also hat das Wort
7 Kauffmann, I, S. 279 f.
s H. Aubin, Bonner Jahrbücher, 130 (1925), S. 30 ff.