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Matthias Hermanns.
[41-44, 1946-49]
Blumen, Bäume und Felsen (brag). Die Erdherrin brTan ma, von goldener
Farbe mit goldenem Krug, hat die Herrschaft über die Erde.
Durch dieser beiden unverwirrten Geist sind von oben und unten hervor
gezaubert in den vier Haupt- und acht Nebengegenden oben und unten die
von den Gedanken nicht faßbaren Ahzgß-Kasten entstanden.“ (S. 2 f.) 62
„In früherer Zeit, als der König Thin die Länder erfaßte (besser:
besetzte) und verteilte und der Uranfang kennende König gebot, ist Ver
wirrung und Groll entstanden ; als man wildes Gestein brach und mit den
Steinen Burgen baute, geriet der Herr des leeren Gesteins in Zorn ; als man
wilde Bäume mit der Axt fällte und aus dem Holz Häuser baute, geriet der
Herr der wilden Bäume in Zorn ; als man das wilde Gras mit der Sichel
schnitt und Grashütten errichtete, geriet der Herr des wilden Grases in Zorn ;
als man die wilde Erde mit dem Spaten aufgrub und mit der Erde Burgen
errichtete, geriet der den Erdboden und die Erdarten beherrschende Erdherr
in Zorn. Als man dem schwarzen Wildyak des Erdherrn das Haar scherend,
das Haar zu Zelten verwandte, gerieten die vier Torwart-Erdherrn in Zorn.
Als man der Erde Moxa und Schnepper anlegte, entstand Aufregung ; als
man der Erde Moxa anlegte, d. h. als man das Herz der Erde mit Tschaitja’s
und Dämonen-Stangen drückte, gerieten die Erdherrn, Näga’s und gNyan in
Aufregung ; als man der Erde Schnepper anlegte, d. h. aus den Teichen der
Erde die Erde grabend Wasser schöpfte } gerieten sie in Aufregung. Als man
in der Erde zu Teichen führende Gräben zog, gerieten sie in Aufregung. Als
man die Erde aushob und in der Erde leere Fensterlöcher machte, um zu
braten und zu kochen, gerieten sie in Aufregung ; als man auf der wilden
Näga-Stadt eine Totenstätte (Skelette) anlegte (hinlegte), eine sogenannte
Erd-Leiche machte, gerieten sie in Aufregung durch das Hersagen des Töten-
Vertrages (Begräbnis-Versprechen) ; als man in beiden Quellen mit unreinem
Schöpflöffel Wasser schöpfte, gerieten sie in Aufregung. Als man über den
Näga s eine Totenstadt anlegte, gerieten sie in Aufregung ; als man über den
Näga’s ein Gerüst errichtete, gerieten sie in Aufregung ; als man Leichname
verbrannte, gerieten sie in Aufregung ; als man Senfkorn-Pfeile und Blut-Zor
warf (bei Beschwörungen werden Senfkörner und Teigfiguren fortgeworfen),
gerieten sie in Aufregung ; als man auf dem Herde Wolle versengte, gerieten
sie in Aufregung. So sind die Näga-, gNyan- und Erdherrn-Geschlechter in
Aufregung geraten.“ (A. Schiefner, Das Bon po Sutra: „Das weiße Näga-
Hunderttausend“. St. Petersburg 1880, S. 28 f.) 63 .
(Schluß folgt.)
62 Die Luftdämonen gNyan, die Erdherrn Sa bdag, zu unterscheiden von den Erd
schutzgeistern bZhi bdag, und die Wasserdämonen kLu, sind indische mythologische
Gestalten. Dieses Bon-Sutra hat übrigens wenig von der eigentlichen Bon-Lehre,
sondern ist ganz im buddhistischen Geiste geschrieben, wie so viele Bon-Texte.
63 Hier wird geschildert, wie die anfänglich friedliche Natur- und Geisterwelt in
Aufruhr geraten durch das gewalttätige Eingreifen des Königs Thin, der wohl identisch
ist mit Thin hen (vgl. Anm. 8). Vgl. B. Läufer, kLu abum bsdus pai snyin po, Hel-
singfors, 1898; in dieser kurzen Zusammenfassung der drei kLu abum fehlt obiger
Schöpf u ngsmythus.