Analecta et Additamenta.
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Analecta et Additamenta
Das Paläolithikum in der Türkei. — Wie aus einem kurzen Forschungsbericht
von Prof. S. A. Kansu (Ankara) 1 zu ersehen ist, hat die vor- und frühgeschichtliche
Forschung in der Türkei während der letzten 10 bis 15 Jahre große und vielverspre
chende Arbeit geleistet. Wir entnehmen dem Berichte die für die allgemeine Forschung
besonders bedeutsamen Angaben über das Paläolithikum auf dem Boden der Türkei.
Die erste Kenntnis gab ein Fund des Jahres 1894. Damals fand J. E. Gautier
bei Birecik nahe Urfa einen Acheulean-Faustkeil. Im Jahre 1910 entdeckte Campbell
Thomson bei Uzagil nahe Ankara Spuren des Mousterian und konnte ferner von
Soganlidere bei Kayseri paläolithische Geräte melden. Erst das Jahr 1927 brachte
wieder neue Funde, und zwar von Pirun bei Adiyaman, wo Prof. E. Pittard das
Aurignacian feststellte. Im Jahre 1931 meldete dann Kurt Bittel aus der Nähe von
Maltepe bei Ankara das Vorkommen von F'lintgeräten, die heute dem Levalloiso-
Mousterian zugewiesen werden.
Die systematische Forschung setzte im Jahre 1936 mit der Verlegung des Insti
tutes für Anthropologie von Istanbul nach Ankara ein. Die Untersuchungen Prof.
S. A. Kansu’s und seiner Schüler und Mitarbeiter, welche sich über die östlichen,
westlichen, nördlichen und südlichen Teile des Landes und das Zentralplateau erstreckten,
führten bereits zu zahlreichen paläolithischen Funden. Teils handelt es sich um Ober
flächenfunde, teils stammen sie von Flußterrassen. Sie bestätigen für das ältere Paläo
lithikum die Existenz sowohl von Zweiseiter-Industrien wie Abschlag-Industrien. Das
jüngere Paläolithikum ist nur durch das Aurignacian vertreten. An dieses schließt
sich das Mesolithikum an, dem Neolithikum und Chalkolithikum folgen. Ganz neuer
dings liegen Anzeichen vor, daß auch die beiden anderen Industrien des jüngeren Paläo
lithikum, das Solutrean und das Magdalenian, in der Türkei anzutreffen sind.
Wir geben nun die von S. A. Kansu aufgestellte chronologische Abfolge der
paläolithischen Stufen in der Türkei wieder.
Unteres Paläolithikum.
Che Ile an 2 . Bis jetzt handelt es sich bei den Funden ausnahmslos um Ober
flächenfunde. Ihre Stratigraphie ist unbekannt. Zweiseitig bearbeitete Faustkeile
wurden gefunden : bei Uzagil nahe Ankara (R. Campbell), bei Ludumlu (K. Leuchs),
bei Pendik nahe Istanbul (M. Atasayan) und bei Dülük und Metmenge nahe Gaziantep
(I. KiLif Kokten).
1 Kansu Sevket Aziz. Stone Age Cultures in Turkey. American Journal of
Archaeology. Vol. LI, No. 3, July-September, 1947, p. 227-232.
2 Das Chellean als Bezeichnung für die älteste Stufe der Zweiseiter-Industrien
ist schon seit mehr als einem Jahrzehnt von der Forschung zu Gunsten des Abbe
villian aufgegeben worden. Zu dieser Frage sei besonders hingewiesen auf die letzten
Ausführungen von H. Breuil in seinem Aufsatz „Le Paléolithique au Congo Belge
d’après les recherches du Docteur Cabu“ in „Transactions of the Royal Society of
South Africa". Vol. XXX, Part II, 1944, p. 159.