Mit besonderer Herürksrchtrgung der Anthropologie und Ethnologie.
Begründet v o n Karl A n d r e e.
In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von
Dr. Richard Kiepert.
Braunschweig
Jährlich 2 Bünde ä 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten
zum Preise von 12 Mark pro Band zu beziehen.
1885 .
A m a z o n a s und C o r d i l l e r e u ’).
(Nach dem Französischen des Herrn Charles Wiener.)
VII.
Wie den Lesern des „Globus" bekannt ist, hatte Herr
Wiener sich ans einem von dem Kaiser von Brasilien
geliehenen kleinen Dampfer eingeschifft, um auf dem Flusse
Morona, der in Ecuador entspringt und unter 77° w.
L. Gr. in den Amazonenstrom mündet, Nachforschungen
nach dein Herrn von Günzburg anzustellen.
Nachdem er die Fahrt sechs Tage lang fortgesetzt hatte,
fand man zuerst einen mit Geröll bedeckten Flußboden, der
am folgenden Morgen in Felsen überging; der Weg zwischen
den mit prächtigen Bäumen bedeckten Abhängen war herr
lich, voir den Cordilleren her kam eine frische Brise, welche
dem Reisenden nach der drückenden Hitze der letzten Monate
wieder einmal frei anfzuathmen erlaubte. Schon am
6. Februar 1881 erreichte der Dampfer die äußerste Grenze
der Schiffbarkeit des Morona; man lief auf einer Felsen
bank auf, welche sich quer über den Fluß zog. Mit drei
Faden Wasser am Hintertheil des Schisses, kaum einem
Meter am Bug, mußte man alle möglichen Anstrengungen
machen, um wieder loszukommen. Es war lange vergeb
lich; das Wasser fiel, das Schiff kam in ernstliche Gefahr;
die Lage war um so peinlicher, als Wiener die Ueberzeugung
hatte, daß er, wenn irgendwo, Nachrichten über von Günz-
bnrg zu Macas, weiter stromaufwärts, erhalten könne
und doch das Schiff mit seiner durch Krankheit geschwäch
ten Besatzung nicht verlassen wollte. Deshalb wurde sein
Begleiter Michel Parys mit dem Dolmetscher und weiteren
st Fortsetzung von „Globus", Bd. 45, S. 167.
Globus XLVII. Nr. 14.
acht Begleitern am 7. Februar auf Kundschaft ausgeschickt.
Nachdem in der nächsten Nacht die Indianer den Versuch
gemacht hatten, das Lager Wicner's zu überfallen, wobei
sie einen Todten verloren, kam am 9. Februar der Dampfer
durch das Steigen des Wassers frei. Am 16. kehrte Parys,
begleitet von mehreren indianischen Piroguen, zurück; er
berichtete folgendes Uber seinen Zug: am Tage der Abreise
war man ohne Schwierigkeit weiter flußaufwärts gefahren;
der Strom war nicht besonders stark; als man am Abend
von den Indianern verlassene Pflanzungen sah, ankerte man,
um die Leute, deren Nähe man vermuthete, nicht durch An
näherung während der Nacht in die Flucht zu treiben; am
folgenden Tage wurde die Reise fortgesetzt. Am Nach
mittage fand man ans dem rechten Ufer frische Spuren von
Indianern; die Ermüdung und der schlechte Gesundheits
zustand der Mannschaft waren Ursache, daß das Boot bald
anlegte und die Besatzung ans dem linken Ufer lagerte.
Am dritten Tage kam man an vielen Purmas (Pflan
zungen) vorüber; auf dem rechten Ufer bemerkte man drei
kleine Zuflüsse, kurze ooroutuckos; wirklich schien die Barre,
auf welcher der Dampfer gestrandet war, das wichtigste,
vielleicht das einzige Hinderniß der Schiffbarkeit des Mo
rona zu sein. Am vierten Tage endlich kam das Boot an
den Mangosisca, den rechtseitigen Quellfluß des Morona;
man folgte dem Laufe desselben und kam gegen 3 Uhr in
die Nähe einer Jndianerniederlassung. Die Eingeborenen
(Patucas) hatten die Annäherung des Bootes nicht bemerkt;
Ulan rief sie an und nach einiger Mühe glückte es, einige,
27