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Mit besonderer Herürksrchtrgung der Anthropologie und Ethnologie.
Begründet von Karl Andree.
In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von
Dr. Richard Kiepert.
Brauuschweig
Jährlich 2 Bünde ä 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten
zum Preise von 12 Mark prv Band zu beziehen.
1885.
G. Mvoil's Reise im Lande der Benadir, Soinali und Bajnn
1882 bis 1883.
ii.
(Sämmtliche Abbildnngen nach Photographien.)
Es nahte jetzt die Zeit heran, wo die Barken der
Somali und Araber, längs der Küste herabkommend, die
Rhede von Zanzibar besuchten und Leute aus jenen Gegen
den, welche Rsvoil zu erforschen vorhatte, mit sich führten.
Sein am Landeplatze gelegenes Haus wurde bald zum
Sammelplätze dieser Ankömmlinge. Darunter befanden
sich einige Eingeborene aus der Gegend des Kap Guarda-
fni, deren Bekanntschaft der Reisende schon früher geuiacht
hatte; ihre Ansichten über dessen Plan waren wenig ermu-
thigend und bestätigten nur die Befürchtungen, welche Sultan
Said Bargasch diesem gegenüber bereits ausgesprochen hatte.
Unter anderen kamen auch Häuptlinge verschiedener Ort
schaften der Benadir — so heißen die Bewohner des dem
Sultan von Zanzibar unterworfenen Theiles der Ostküste
Afrikas vom Aequator bis Mruti; die wichtigsten Orte
desselben sind Kismaju, Brawa, Mörka und Mogdnschu.
Um sich bei diesen einen guten Empfang zu sichern, nahm
Rovoil sie sehr freundlich ans und ließ keinen mit leeren
Händen davongehen. Jeder Bakschisch trug ihm prächtige
Versprechungen ein, welche die Eingeborenen auch nicht
Anstand trugen, auf Verlangen vor dem französischen Kon
sul zu wiederholen. Soviel aber stellte sich dabei klar
heraus, daß alle diese Häuptlinge, die verschiedenen Stäm
men angehörten, unter einander feindlich waren, und daß
sie nur ans dem neutralen Boden Zanzibars Ruhe halten
mußten, um so mehr, da ihre Anwesenheit daselbst meist
Globus XLVIi. Nr. 20.
mit der Regelung irgend eines Vergehens gegen des Sul
tans Gouvernenre oder Garnisonen zusammenhing. Von
besonderem Interesse waren die Häuptlinge verschiedener
Tribus von Mogdnschu, welche gegen Ende des Rordost-
Monsuns auf derselben Barke eintrafen, wie Salem Amari
ben-Aod, der Bruder des Geheimsekretärs des Sultans und
seit mehr als einem Vierteljahrhnndert Agent der französi
schen Häuser von Zanzibar bei den Benadir; auf ihn und
seine Unterstützung hatte Rovoil ganz besonders gerechnet.
Willig gingen die Häuptlinge ans alle Fragen des Reisen
den ein und billigten es, daß derselbe zum Anführer seiner
zukünftigen Karawane den Hadschi Ali gewählt hatte.
Derselbe war groß, schlank gewachsen, von ausdrucksvollem
und beweglichem Gesichte, das von einem dünnen Barte
und einem mächtigen krausen Kopfhaare in Gestalt einer
Kugel eingerahmt war, und schien in Zanzibar, dessen
Markt er regelmäßig alljährlich besuchte, sich eines gewissen
Ansehens zu erfreuen. Mit Rävoil konnte er sich durch
Arabisch verständigen. Zweiter im Kommando war Fa ge
vom Stamme der Bimal, dessen sanftes friedliches Wesen
mit dem aufbrausenden Charakter Hadschi Ali's seltsam
kontrastirte. Fage war noch nie im Inneren der Somali-
Länder gereist, während Hadschi Ali oftmals in den Galla-
Ländern nördlich vom Dschnb Elfenbein eingehandelt hatte;
er wußte auf den Verkehrsstraßen jener Gegend ebenso
genau Bescheid, wie auf den Märkten der Küste. Fage
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