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G. Rsvoil's Reise im Lande der Benadir, Somali und Bajun 1882 bis 1883.
heutigen Tages an der ganzen Ostküste Afrikas von Aden
bis Zanzibar hin bekannt.
Von besonderem Interesse waren die Tänze der Abösch
(freie Nachkommen einstiger Sklaven) oder der Sklaven bei
Mondschein. Die Zahl der ersteren ist in Mogduschn
ziemlich beträchtlich, indem sie fast zwei Drittel der ganzen
Bevölkerung ausmachen; meist wohnen sie in Strohhütten,
aber einige haben es schon zu Steinhäusern gebracht. Wenn
der Abend hereingebrochen ist, stellen sich Männer und
Weiber im Halbkreise einander gegenüber; zwei Männer
geben aus zwei langen, verschieden gestimmten Trommeln
den Takt an, nach welchem sich die Tänzer auf den Beinen
zu wiegen anfangen. In der Mitte steht ein Kreis von
Kindern, welche um die Fußknöchel Schelön-scheläu tragen,
d. h. Ringe von kleinen, hohlen, mit Steinchen gefüllten
Kürbissen, die als Schellen dienen. Mitunter sind es auch
nur trockene Früchte der in Mogduschn sehr häufig vor
kommenden Datura stramonium. Auf ein Hornsignal
beginnen sich die Kinder nach dem Takte zu drehen, wäh
rend die Frauen mit einförmiger, trauriger Stimme singen.
Allmählich werden die Bewegungen der Tanzenden schneller;
der Kreis der Kinder geht ans einander, sie hüpfen auf die
Frauen zu, welche sich erheben, und halten dabei die Zipfel
ihrer Futas, kleiner Schürzen, die ihre ganze Bekleidung
ausmachen, mit beiden Händen in die Höhe. Diese Tour,
bei welcher die sonderbarsten Körperverdrehungen angeführt
werden, ähnelt dem Avant -deux in der Quadrille. Auf
ein zweites Hornsignal hört der Tanz plötzlich aus. Der
Der Scheläu-schelöu-Tanz. (Nach Angaben Revoil's.)
langsame Rhythmus, welcher beim Beginne desselben herrscht,
stimmt den Zuschauer fast melancholisch; aber schließlich
kann er beim besten Willen das Lachen nicht verhalten,
wenn er die Negerinnen ihre Entrechats mit aller Grazie,
deren sic fähig sind, ausführen sicht.
Die Somalis von Mogduschn dagegen haben einen
Gesang, Asat genannt, dem cs durchaus an Lustigkeit
gebricht. Der Besitzer des Hauses, in welchem Rovoil
wohnte, fnngirte dabei als Dirigent. Die rings um ihn
aufgestellten Sänger halten dabei zwei hohle Stücke Holz
etwa von der Gestalt großer Weberschiffchen ohne Spule
in den Händen und schlagen dieselben gegen einander, wo
durch je nach der Stelle des Instruments, welche getroffen
wird, ein größeres oder geringeres Geräusch entsteht. Mit
einer Regelmäßigkeit, die an die Bewegungen des Metronom
erinnert, schlagen die Leute ihre Hölzer zusammen, wobei
sie jedesmal den Körper nach vorn biegen, während die
außerhalb des Kreises stehenden Frauen mit klagender
Stimme in schleppendem, mattem Rhythmus dazu singen.
Der Dirigent müht sich dabei wie ein Besessener ab, mn
Fortes und Pianos zu erzielen, und zieht mit seinem
Orchester von Thür zu Thür, um den einflußreichen Per
sönlichkeiten der Stadt Ständchen zu bringen. Der Ajat
wird übrigens in gleicher Weise bei Hochzeiten wie bei
Begräbnissen ausgeführt.
Der Jman Mahmud hatte wegen seines gespannten
Verhältnisses zu den Häuptlingen von Hamarwin bisher
gezögert, den Besuch Revoil's zu erwidern; endlich entschloß