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Marine - Premierlieutenant Garde: Die ostgrönlündische Expedition.
Um die neue Besitzung nicht durch kostspielige Kriege
zu einer neuen Last des Mutterlandes werden zu lassen,
sieht die spanische Regierung vorläufig von jeder Unter
werfung des Binnenlandes ab. Die Küstenbewohner werden
durch Geschenke gewonnen, von ihnen hat man auch im
Falle eines Aufstandes nichts zu fürchten, da sie elend be
waffnet sind und gegen Mitrailleusen und Kanonen nichts
ausrichten können. Mit den kriegerischen Stämmen im
Inneren hofft Bonelli in regen Handelsverkehr zu treten,
da es ihm gelungen ist, mit ihnen freundschaftlich zu ver
kehren und ihnen durch seine Korankenntniß zu imponiren.
Die Spanier hoffen den Handel der Sahara-Mauren von
St. Louis nach dem Rio Oro und der Bahiu del Galgo
zu lenken. Mit einem Schlage wird es nicht gehen, denn
alte Handelswege und Traditionen werden nicht plötzlich
verlassen oder aufgegeben.
Die spanische Regierung legt in diesen neuen Besitzungen
zwei kleine Forts (eigentlich Blockhäuser) an, eines am Rio
Oro, das andere an der Bahía del Galgo. Die Sociedad
de Africanistas hat drei Faktoreien gegründet, über deren
Lage keine anthentische Nachricht vorliegt; sie heißen Villa
Cisneros, Puerto Badia und Medina-Gatell.
Außer den erwähnten neuen Erwerbungen hat Spanien
noch einen weiteren Punkt der afrikanischen Küste nördlich
vom Aequator in Besitz genommen; es ist dies der Hafen
Jfni an der marokkanischen Küste. Die Geschichte, wie
dieser Ort an Spanien gekommen, ist eine echte Cosa de
España. In dem Vertrage von Uad Ras, welcher den
spanisch-marokkanischen Feldzug beendete, verlangten und
erhielten die Spanier die Abtretung von Santa Cruz de
Mar Pequeña, eines Hafenplatzes an der Atlantischen Küste
Marokkos, der einst in den Kümpfen der Glanzzeit Spaniens
durch glorreiche Waffenthaten der Spanier sich einen guten
Klang erworben hatte. Es wäre jedenfalls besser gewesen,
die Spanier hätten das Cabo del Agua sich abtreten lassen,
aber sie folgten eben der platonischen Schrulle und ihre
sentimentalen Gelüste wurden befriedigt, der Sultan cedirte
ihnen den verlangten Platz, „damit die Spanier dort die
Fischerei betreiben könnten, wie sie es in den Tagen Her-
rera's gethan hätten". Als aber die Spanier den ab
getretenen Hafen in Besitz nehmen wollten — konnten sie
ihn nicht auffinden, denn Santa Cruz de Mar Pequeña
hatte nur aus einem spanischen Kastelle bestanden, welches
die Marokkaner nach erfolgter Uebergabe dem Erdboden
gleichgemacht hatten. Auch die Angaben der alten Chro
nisten waren zu vage, um aus ihren Daten die genaue
Lage des abgetretenen Platzes ermitteln zu können. Die
Folge hiervon war, daß das Kabinet von Madrid sich nicht
weiter um die Durchführung des Artikels von Uad Ras
kümmerte, welcher von Santa Cruz de Mar Pequeña han
delte; man wollte eben die Blamage todtschweigen, was
auch um so eher gelang, als Spanien von 1861 bis 1876
der Schauplatz unaufhörlicher Revolutionen großen und
kleinen Stils wurde. Erst als die Regierung des Königs
Alfonso dem Lande die langersehnte Ruhe brachte, begann
man in spanischen Handels- und Gelehrtenkreisen sich mit
der Santa Cruz-Frage zu beschäftigen, und das Annexions
fieber der Kolonialstaaten brachte die Frucht zur Reife.
Nach langwierigen Forschungen an Ort und Stelle, sowie
nach emsigem Studium der alten Chronisten einigte man
sich dahin, daß der fragliche Ort in der Nähe des heutigen
Jfni zu suchen sei, ja Einige behaupteten geradezu, daß
Jfni mit dem Santa Cruz de Mar Pequeña identisch wäre,
obgleich Fernandez Duro nachwies, daß Jfni den alten
Chronisten unter den Namen Jfini, Carguessen, Tahagost,
Tagaost und San Bartolome bekannt gewesen ist. Die
marokkanische Regierung willigte in diese Interpretation
des Friedens von Uad Ras ein und so besetzte Spanien
Jfni. Man war spanischerseits vernünftig genug, hier
nicht die Presidio-Wirthschaft von Ceuta und Meli'lla ein
zuführen, doch ist vorläufig die Bedeutung dieses Platzes
eine geringe.
Da aber eine Dampferverbindung zwischen Jfni, Spanien
und den Kanarischen Inseln hergestellt werden soll und die
kanarischen Fischer auch in diesen Breiten auf Beute stoßen,
so kann dieser Hafenplatz immerhin Wichtigkeit für Spanien
erlangen. In politischer Beziehung kann bei einem even
tuellen spanisch-marokkanischen Feldzuge Jfni der Ausgangs
punkt militärischer Operationen besonders gegen die Land
schaften Sus und Wadi Draa werden.
Die o st grün ländische Expedition').
Von Marine-Premierlieutenant Garde. (Deutsch von W. Finn.)
I.
Wie im letzten Berichte erwähnt (s. oben S. 124),
hatte die südliche Abtheilung der ostgrönländischen Expedi
tion zu Nanortalik Winterquartier genommen. Nach gut
verbrachtem Winter brach nun diese Abtheilung am 16 . Mai
1885 auf, um die letzte Reise nach der Ostküste anzutreten
und ihrem auf der Heimreise begriffenen Chef, Holm, zu
begegnen. Diesmal bestand unsere Expedition aus zwei
Europäern, einem Dolmetscher, 16 Grönländern und zwei
Frauenbooten. Da ein heftiger WNW-Sturm vom 16. *)
*) Dieselbe ist am 3. Oktober auf dem Schiffe „Constanze"
nach Kopenhagen zurückgekehrt.
bis 18. Mai das Fahrwasser bei dem Kap Farewell ge
reinigt hatte, so erreichten wir schon am 23. Mai Alluk
auf der Ostküste; hier wurden wir jedoch, wie im vorigen
Jahre, wieder vom Treibeise aufgehalten, das in großen
Massen längs des Landes nordwärts festlag. Ein Schnee
sturm löste den anderen ab; da aber mit kurzen Zwischen
räumen Seehunde zu uns in die Bucht hineinkamen, so
litten wir während unseres dreiwöchentlichen Aufenthaltes
keine Noth. Am 23. Juni erreichten wir nach Ueber
windung mancher Schwierigkeiten den nördlichsten Punkt,
bis zu welchem wir im Jahre 1883 gekommen waren.
Diesmal waren hier keine Heiden, welche uns auf dem