Mit bífonúcrcr Herürksichtlgung der Anthropologie und Ethnologie.
Begründet von Karl An bree.
In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von
Dr. Richard Kiepert.
Braunschweig
Jährlich 2 Bände à 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten
zum Preise von 12 Mark pro Band zn beziehen.
1885.
Cagnat's und Saladin's Reisen in Tunesien.
Die Arkaden des Moschccnhofc.s erinnern stellenweise
ganz an mittelalterliche, europäische Bauten und könnten ganz
gut auch dort dem elften Jahrhundert angehören; Bogen und
Säulen sind in guten Verhältnissen erbaut und machen einen
recht angenehmen Eindruck. Die Säulen, theils ans Marmor,
theils ans Granit bestehend, sind natürlich alle antik; ihre
Zahl soll sich ans 414 belaufen, aber ganz genau weiß das
Niemand, denn wenn Jemand ruchlos genug ist, sie zählen
zu wollen, schlägt ihn Allah zur Strafe sofort mit Blind
heit. Davon kommen, wie der Moschccndiener berichtete,
die vielen Blinden, die man in den Straßen der heiligen
Stadt bemerkt; den Reisenden schien es freilich, als habe
vernachlässigte, hereditäre Syphilis daran mehr Antheil,
als die Strafe Allah's. Die Baukosten haben sich nach
den arabischen Chronisten, obschon das antike Material
nichts kostete, ans 86 OOO Mitkal Gold belaufen, also ans
etwa 1 350 000 Francs, in Anbetracht des damaligen
Geldwerthcs eine kolossale Summe.
Die große Moschee ist zwar die geräumigste und ver-
chrteste in Kairuan, aber durchaus nicht die einzige inter
essante. Man zählt nicht weniger als zwanzig, und daneben
einige fünfzig Sauyas. Die Reisenden konnten sie wäh
rend der kurzen, ihnen zn Gebote stehenden Zeit natürlich
nicht alle besuchen, aber sie nahmen wenigstens die wichtig
sten in Augenschein. Die älteste von allen ist die Moschee
mit den drei Thoren, im dritten Jahrhundert erbaut durch
den gelehrten Andalusier Abu Dschafer Mohammed
ben Mohammed ben Chirun elMaawri, der hier
als Märtyrer starb, weil er sich der schiitischcn Ketzerei
nicht anschließen wollte, und auch hier begraben liegt. Sie
Globus XLVIII. Nr. 23.
VI.
ist eigentlich nur eine Kapelle, denn Freitags wird in ihr
nicht die Chotba, die Fürbitte für das Glück und Leben des
Herrschers, gesprochen, steht aber in großer Verehrung; ihr
Eingang wird von drei neben einander befindlichen, reich
verzierten Thoren gebildet, über welchen sich eine lange
arabische Inschrift in vier Zeilen, zugleich als Ornament
dienend, befindet. Das Minaret) ist sehr einfach und auch
das Innere bietet durchaus nichts Besonderes.
Die Moschee des Si Amor Abbada, welche in der
Vorstadt der Zlassi liegt, zeichnet sich durch fünf Kuppeln
aus; sie ist von ihrem Erbauer, der, ehe er ein Heiliger-
würde, das Handwerk eines Schmiedes betrieb — er ist
ganz neuen Datums und erst 1856 gestorben — mit
riesigen Schwertern geziert worden, ans denen Koransprüche
angebracht sind; nach denselben wird die Moschee gewöhn
lich die Schwertcrmoschee genannt. Si Amor hat auch
kolossale, aber sehr wenig geschmackvolle Leuchter für die
Moschee geschmiedet und ans seinen Wunsch sandte ihm der
Bey ein paar gewaltige eiserne Anker, die früher in Bizerta
lagen und angeblich einmal bei irgend einer Gelegenheit
den llngläubigcn abgenommen worden waren. Daß cs
übrigens selbst im heiligen Kairuan Zweifler giebt, beweist
die Art, wie der Scheich der Hancsitcn, Mohammed el
M nr ali, dem die Reisenden die Details über die Moscheen
verdanken, sich über den heiligen Schmied äußerte. „So
lassen sich die Leute in unseren Tagen von Lügnern und
Betrügern anführen; es braucht sich einer nur ein wenig
verrückt zu stellen und ihren Leidenschaften zn schmeicheln,
so halten sie ihn für einen Heiligen." Die Franzosen
> haben es aber durchaus nicht verschmäht, von dem Heiligen
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