Art besonderer Herürksrchtrgung der Anthropologie und Ethnologie,
B e g r ü n d e t von Karl Andrer.
In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von
Dr. Richard Kiepert.
Braunschweig
Jährlich 2 Bände L 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten
zum Preise von 12 Mark pro Band zu beziehen.
1887.
De.sire, Charnatsts jüngste Expedition nach Uucatan.
Der Bericht Oviedo's über Montejo's Zug, welcher
auf einen Begleiter des letzteren, den Ritter Alonzo Luxan,
zurückgeht, bestätigt durchaus Charnay's Ansichten über das
verhältuißmäßig junge Alter der Ruinen im östlichen Yuca
tan. Montejo war gegen Ende September 1527 aus der
Insel Co zum el (gegenüber der Ostküste von Yucatan) gelan
det und nach viertägiger Rast nach deiu Festlande übergesetzt,
das er bei dem Dorfe Tala, dem heutigen Telha, betrat.
Durch die Wahl eines sumpfigen Lagerplatzes verlor er
einen Theil seiner Soldaten, wurde aber in seiner Noth von
Unopate, dem Kaziken der Insel, unterstützt und nach dem
Dorfe Möcht geleitet, wo er freundliche Aufnahme fand.
Dieses Dorf zählte über 100 sehr schöne Häuser und eine
Anzahl Qnös, d. h. mit Tempeln und Bethäusern gekrönter
Pyramiden, alle ans Stein erbaut und mit kunstvollen
Skulpturen versehen. Dort weilten die Spanier volle zwei
Monate, während die Indianer von allen Seiten herzu
strömten, um die Weißen und namentlich deren Pferde, vor
denen sic große Furcht bezeigten, anzustaunen. Der Weiter
marsch führte durch zahlreiche Dörfer von 500 bis 1000
Häusern, wo sic eine Menge von Gebäuden und sehr schöner
Denkmäler bewunderten, nach der Stadt Conil, welche
mehr als 5000 Häuser zählte, und wo die Spanier wiederum
zwei Monate verweilten, ehe sie sich nach dem nur zwei
Wegstunden entfernten Cachi begaben. Dort befanden sich
Marktanlagen nebst einem Raume für die Marktrichter,
wie Charnay ähnliche in den Ruinen von Chichcn-itza auf
gefunden und beschrieben hat. Ihren Weg nach Westen
durch eine mit weihrauchhaltigen Bäumen bewachsene Ge
gend fortsetzend, gelangten die Spanier nach Choaca, der
größten Stadt, welche sic bis dahin betreten hatten. Sie
Globus LII. Nr. 16,
IV.
wird von allen Schriftstellern erwähnt, war Hauptstadt der
gleichnamigen Provinz und von solcher Ausdehnung, daß
Montejo's Schaar, welche beiden ersten Häusern um Mittag
eintraf, erst gegen Abend die Wohnung des Kaziken erreichte;
die Häuser dieser Stadt bestanden alle ans Stein und
Mörtel und die Tempel (ques) zeichneten sich durch ihre
Ornamentik und ihre Skulpturen aus. Diese Beschreibung,
welche an den Brief Montejo's an Karl V. über die von
ihm besuchten yncatekischen Städte, jene großen, schönen
und „ganz neuen" Orte erinnert, liefert wiederum den
Beweis, daß die Bauten Pucatans zum großen Theil modern
waren, Werke der damals lebenden Bevölkerung. Es
folgten Feindseligkeiten mit den Bewohnern der nächsten
Stadt, Ake, welche von den doppelzüngigen Leuten von
Choaca gegen die Spanier aufgehetzt worden waren mtb
ihre Vertrauensseligkeit mit einer blutigen Niederlage
büßen mußten; dann ging es weiter nach Cicia und Loche,
wo ein besonders mächtiger und stolzer Kazike residirte, der
sich um die Spanier wenig kümmerte und sie fast nur durch
seine Beamten anreden ließ; sprach er ja selbst einmal zu
ihnen, so mußten sofort zwei Diener zwischen ihm und dem
christlichen Anführer ein leichtes Tuch an den Zipfeln in
die Höhe halten.
Als Stephens dieselbe Gegend durchzog, wie Montejo,
konnte er die Wahrheit jenes Oviedo'schen Berichtes prüfen;
als er sich in Chemax östlich von Valladolid befand, er
zählte ihm der dortige Pfarrer von der Jndianerstadt Koba
und der schönen Straße, welche dort noch erhalten ist und
einst Chichcn-itza (westlich von Valladolid) mit der Insel
Coznmel verband. Solche 8 bis 10 m breite, cemcntirte
Straßen durchzogen die ganze Halbinsel. Derselbe Pfarrer
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