Mit besonderer Berücksichtigung der Ethnologie, der AUrlturberhültnisse
und des Welthandels.
Begründet von Kurl Andrer.
In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von
Dr. Emil Deckert.
Braunschweig
Jährlich 2 Bände ä 24 Nurnmern. Durch ntic Buchhandlungen und Postanstaltcn
zum Preise von 12 Mark pro Band zu beziehen.
Reiseskizze aus dem Haltssalaude.
Von E r u st H a r t c r t.
In den Berichten der Mitglieder der Flegel'schen
Expedition nach dem westlichen Sudan ist der Ort Loko
am Venus genugsam genannt worden. Derselbe wurde
auch unser erstes Slandgnarlier. Hier wurde der größte
Theil der Waaren abgeladen, von hier brachen Staudingcr und
ich 1885 auf zu unserer großen Reise nach Kano, Wurnu,
Sokoto und Gandu, und hierhin kehrten wir Ende April
1880 wieder zurück, um unter möglichster Ausnutzung der
uns gegebenen Frist die Ankunft des unter Herrn Thiel's
Leitung stehenden kleinen Flußdampfers „Dr. Heinrich
Barth" zu erwarten, die am 22. Juni erfolgte. Nachdem
tvir den Abend des zweiten Psingstfciertages bei etlichen
Gläsern Nothwein in der lustigen Veranda unseres Freundes,
des Herrn Zweifel zugebracht hatten, erlitt meine ornitho-
logische Thätigkeit eine Unterbrechung durch eine nochmalige
Reise nach Anassarawa. Der Anlaß zu dieser kleinen Reise
war hauptsächlich folgender:
Als wir ans dem Inneren nach Verbrauch fast aller
unserer Waaren zurückkehrten, fanden wir anstatt reicher
Schätze an glitzernden Perlen und blendendweißen Zeugen
nichts als zwei unserer Klciderkoffer, zwei Kaffeemaschinen,
eine Kiste grauen Pflanzenpapiers und etwas stark ver
dünnten Spiritus vor. Theils um den wiederholten Bitten
des Sultans von Anassarawa nachzukommen, theils und
hauptsächlich, um Mittel zu einer menschenwürdigeren
Existenz zu bekommen, hatten wir den Madugu dan Tam-
bari, den jüngeren von Flegels Begleitern in Deutschland,
mit unseren letzten beiden Pferden nach Anassarawa gesandt,
um sie den, Sultan zu verkaufen.
Globus LIU. Nr. 7.
Nachdem nun schon eine geraume Zeit verstrichen war,
ohne daß Tambari zurückgekehrt wäre, beschlossen wir,
nns Gewißheit zu verschaffen, und ich traf die wenigen
Vorbereitungen zu einem dritten Besuche in Anassarawa.
Tscherifia, die biedere Frau Tambari's, mußte ihr schwaches
Pferdchen leihen, unser brauchbarer Koch und Dolmetscher
bekam eine Doppelflinte und Patronen, unser nachmals frei
gemachter Sklave Jgalla wurde mit meinen Decken bepackt,
Tscherifia's Sklave, aus dem heidnischen Akpoto- oder
Apoto-Lande stammend und „Alhadi, der Hurtige" benannt,
als Pferdepfleger mitgenommen — ich hing meine leichte
Doppelflinte um, füllte die Taschen mit Patronen, Käfer
fläschchen :c. und so brachen wir beim Tagcsgrauen des
15. Juni auf, von einigen Frauen gefolgt, die im Schutze
unserer Waffen reisen wollten. Mit etwas heißem Kopfe
und starkem Durstgefühl durchzog ich den wohlbekannten
Ring von Feldern, der Loko umgiebt, sowie den Buschwald,
der daraus folgt. Ueber den reifenden Feldern von Sorg-
hum und Penicillaria strichen Schaaren körnerfressender
Singvögel hin — besonders Hyphantornis cuculatus St.
Müll., Sitagra capitalis I.ath. und Penthetria macroura
Gm. — am Waldrande lockten Perlhühner und Frankoline,
in hoher Luft strich der hier sehr häufige, schöne Geier-
Seeadler, Gypohierax angolensis Gm., (der „scluiho“
der Haussa). Nach einer Stunde hatten wir einen Streifen
üppigen Urwaldes erreicht, durch den ein frischer Wasser-
' faden rieselte, und in dem die dumpfe Stimme des großen
Helmvogels, Turacus giganteus Vioill., (der „wawan-
kurrenu“ der Haussa), sich in das Blöken scheuer Affen-
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