Mit besonderer Herücksleblrgnng der EtbnoloZie, der ^uliurbcrbnliinsse
und des Weltbnndels.
Begründet von Karl A n d r c e.
In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von
Do. Emil Dcckcrt.
Braun schweig
Jährlich 2 Bände a 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postau stalten
zum Preise von 12 Mark pro Band zu beziehen.
1888.
K a r st - E r s ch e i » n n g e n.
Von Frau z K ran s.
Es ist in letzter Zeit so viel vom Karste und von den
Karsterscheinungen die Rede gewesen, daß wohl Manchem
eine Erläuterung dieser beiden Benennungen erwünscht
sein dürfte. Wenn man eine kurze, präcise, oder wie man
zu sagen pflegt, schulgerechte Definition der Bedeutung des
Wortes „Karst" geben will, so kann man nur sagen: Karst
ist jedes Terrain, welches in Folge von besonderen, nur auf
Hochplateaus vorkommenden Erosionswirkungen jenes eigen
thümliche Relief erhalten hat, wie es in der Strecke zwischen
der Laibacher Ebene und dem Adriatischeu Meere am
typischsten entwickelt ist.
Der schulgerechtc Aufbau dieser Definition macht sie
aber für Jene nicht nur ein Haar klarer, welche die be
treffende Gegend nicht gesehen haben, und daher nicht wisicn,
wodurch sich dieselbe von anderen Hochebenen unterscheidet.
Die Ursache des ausfallenden landschaftlichen Unterschiedes
zwischen den Karstgegenden von Krain und den benachbarten
alpinen Gegenden liegt in gewisien Formen des Reliefs
und in anderen Erscheinungen, die außerhalb der Karst-
terrains nicht vorkommen, weshalb man sie auch Karst-
erscheinungen nennt. Es muß aber betont werden, daß es
außerhalb der eigentlichen Karstländer Krain, Görz, Istrien,
Kroatien, Dalmatien, Bosnien und Montenegro auch noch
kleinere verkarstete Landstriche giebt, welche die gleichen
Erscheinungen zeigen. Hierher gehören beispielsweise das
ganze Dachstein- und das Peielplateau, das Hochschwab
plateau und noch viele andere. Auch im devonischen Kalk-
reviere der sogenannten mährischen Schweiz bei Brünn
trifft man Karsterscheinungen, die aber dort durch die
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intensive Bodenkultur so stark verwischt sind, daß nur noch
die bedeutenderen ausfallen. Ebenso muß weiter hervor
gehoben werden, daß eine Karstgegend nicht gerade vegetations-
lcer oder auch nur vcgetatiousarm sein muß: es giebt viel
mehr ganz wohlkultivirtc Karstterrains. Hin und wieder
hat sich in botanische Werke allerdings der Ausdruck „ver
karstet" eingeschlichen — womit ein durch Entwaldung
hervorgerufenes Zurückgehen der Vegetation bezeichnet werden
soll —, allein die Abschwemmung des Humus mit der
daraus folgenden „Versteinung" einer Gegend genügt noch
nicht, um dieselbe als Karst zu bezeichnen. Sic muß un
bedingt jene Relicfsormcn zeigen, die im Nachstehenden
ausführlicher erörtert werden sollen.
Zu den der Zahl nach am häufigsten vorkommenden
Karsterscheinungen gehören die Dolinen. Das Wort
Dolinc stammt von dem slavischen Worte —
hinab, daher dolina — Vertiefung, Senkung oder auch
Thalkessel. Dolinen sind nun Bodensenkungen von zumeist
runder Form, deren Entstehung der Unterwaschung zuzu
schreiben ist. Schon Valvasor (1689) und seine Zeit
genossen erklärten die Dolinen als Folgen unterirdischer
Erosion, und auch im vorigen Jahrhundert hält die gcsammte
Fachliteratur an dieser Erklärungsart fest. Erst in neuester
Zeit rüttelte Mojsisovics an dieser einfachen Theorie, und
versuchte eine etwas komplizirtere einzuführen, indem er die
Karsterscheinungen mit dem horizontalen Gcbirgsschnbe in
Zusammenhang brachte, und die Dolinen als oberirdische
Erosionserscheinungcn erklärte. Nun giebt es allerdings
einzelne Dolinengruppcn, die so dicht, und scheinbar so
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